Ein Ansatz für sinnvolle Effizienzsteigerung in UX-Prozessen 

In vielen Unternehmen stagniert das Wachstum der UX-Ressourcen (Personal & Budget). Gleichzeitig haben sich UX-Design und UX-Research in vielen Unternehmen soweit etabliert, dass […]

Apr 26, 2025 - 20:10
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In vielen Unternehmen stagniert das Wachstum der UX-Ressourcen (Personal & Budget). Gleichzeitig haben sich UX-Design und UX-Research in vielen Unternehmen soweit etabliert, dass die Anforderungen an und Aufgaben von UXler:innen beständig zunehmen. Unternehmen sind in wirtschaftlich schwierigen Situationen auf die positiven Effekte von UX-Research (z.B. Erkennen von unerfüllten Bedürfnissen als neue Geschäftschance) und UX-Design (z.B. Differenzierung durch herausragende Produktgestaltung bzw. Erlebnisse) angewiesen. Durch das fehlende oder geringe Wachstum bei den UX-Ressourcen haben UX-Manager:innen in der aktuellen Situation jedoch keine Möglichkeit, der zunehmenden Arbeit durch Neueinstellungen oder Auslagerung an UX-Dienstleister vollumfänglich gerecht zu werden. 

Die Steigerung von Effektivität und Effizienz in UX-Prozessen wird dadurch zum zentralen Werkzeug für UX-Manager:innen. Sie ist der Weg, den Einsatz der vorhandenen UX-Ressourcen (Personal & Budget) so anzupassen, dass trotz fehlendem Wachstum Raum für die Übernahme neuer Aufgaben und die Erfüllung zusätzlicher Anforderungen entsteht. 

Deshalb habe ich mir dieses Thema als Aufgabe für meine diesjährige UX-Lernreise gestellt. Auf den ersten Blick klang das recht einfach. Ein bisschen Prozessanalyse, hier und da eine Veränderung im Prozess und fertig. Es wurde aber schnell zu einem komplexen Geflecht, als ich mich konkret mit den Begriffen Effektivität und Effizienz auseinandergesetzt habe. 

Man kann sich dabei nämlich nicht einfach auf den Aufwand an Personalstunden oder Out-of-Pocket-Kosten stürzen und diese reduzieren. Wenn man bei der Verbesserung der Effizienz den erreichten UX-Reifegrad und die Qualität in der Arbeit der UXler:innen erhalten möchte, ist ein Ansatz nötig, der die Minimierung des Aufwands mit einem Qualitätsziel verbindet.  

Ich habe mir nun Ansatz über entsprechende Optimierungsziele gefunden, den ich Dir in diesem Blogbeitrag gern erläutern möchte. 

Grundbegriffe 

Lass uns zunächst mal einen allgemeinen Blick auf die Grundbegriffe „Effektivität“ und „Effizienz“.  

Effektivität beschreibt das Verhältnis zwischen angestrebten Zielen und tatsächlich erreichten Zielen. Eine vollständige Zielerreichung bedeutet eine Effektivität von 100%. Der Grad der Zielerreichung gibt die Effizienz an. Eine Effektivität von 100% ist aber eher ein idealer Wunschzustand. Seine Erreichung bedeutet nämlich konkret, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um das Ziel ohne Abweichungen und Kompromisse zu erreichen. Ein solches Optimierungsziel kann sehr schnell zu einem für die aktuelle Situation ungünstigen Übermaß an Aufwand führen.  

Effizienz betrachtet aus ökonomischer Sicht das Verhältnis zwischen eingesetzten Ressourcen und erzieltem Ergebnis. Dabei kann es einerseits darum gehen, mit möglichst wenig Ressourcen (Arbeitszeit oder Budgetmittel) ein Ziel zu erreichen. Zum anderen kann es aber auch darum gehen, mit einem gegebenen Aufwand ein möglichst großes Ergebnis zu erzielen.

Der Schlüssel liegt meines Erachtens in der Kombination von Effektivität und Effizienz als Optimierungsziel. Im wirtschaftlichen Alltag geht es sowohl um die Auswahl der richtigen Maßnahmen zur Erreichung bestimmter Ziele als auch um die Optimierung des Verhältnisses zwischen eingesetzten Ressourcen und erreichtem Ziel. Dabei gibt es Rahmenbedingungen, wie z.B. zeitliche oder finanzielle Vorgaben sowie Unternehmensziele, die Einfluss auf Effektivität und Effizienz haben. 

In meiner Diskussion auf LinkedIn zum Thema Effizienzsteigerung in UX-Prozessen fand ich zwei Kommentare zum angestrebten Ergebnis von UX-Aktivitäten sehr hilfreich. Beide bezogen sich im Grunde auf die alte Projektmanagementweisheit, dass man von den Aspekten gut, schnell und billig immer nur zwei wählen kann. Prozesse so zu gestalten, dass sie gleichzeitig  

  • zu einer sehr hohen Ergebnisqualität führen, (Qualität bzw. Leistung) 
  • sehr schnell Ergebnisse liefern und (Zeit) 
  • sehr billig sind (Kosten, Aufwand, Ressourceneinsatz) 

ist unwahrscheinlich. (Siehe Magisches Dreieck des Projektmanagements)  

Im Rahmen der Prozessoptimierung ist es daher sinnvoll, nicht nur über den Aufwand und den Soll-Ist-Vergleich des geplanten Ergebnisses mit dem erreichten Ergebnis nachzudenken. Am Anfang jeder Prozessoptimierung sollte eine Überprüfung des angestrebten Ergebnisses stehen. Dabei geht es um die Frage, was UX Design und UX Research im Unternehmen konkret leisten müssen, um den Produkt- bzw. Unternehmenserfolg zu unterstützen.

Die Kernfrage ist nun, was ein sinnvolles Optimierungsziel für UX-Prozesse ist, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen Freiräume für zusätzliche Anforderungen bzw. Aufgaben zu schaffen und gleichzeitig die UX-Reife sowie die Qualität in der UX-Arbeit zu erhalten bzw. zu fördern. 

UX-Ziele als Kern für die Optimierung von UX-Prozessen 

Sowohl Effektivität als auch Effizienz richten sich an einem vorgegebenen Ziel oder definiertem Ergebnis aus. Daher ist es sinnvoll, die Optimierungsziele für UX-Prozesse so zu definieren, dass die fachlichen UX-Ziele bzw. die übergreifende Wirkung von UX-Design und UX-Research im Mittelpunkt steht.  

Es ist ein guter Startpunkt für die Optimierung von UX-Prozessen die konkreten Ziele bzw. die angestrebten Ergebnisse für das Investment in UX aus den Unternehmenszielen abzuleiten. Auf dieser Basis könnten die Zieldefinitionen für UX-Design und UX-Research beispielsweise so aussehen: 

Das Ziel von UX-Research ist es, alle relevanten Stakeholder:innen in die Lage zu versetzen, Entscheidungen bezüglich Produktstrategie und Produktentwicklung auf Basis der erfolgsentscheidenden Bedürfnisse, Erwartungen, Verhaltensweisen oder Probleme der Anwender:innen treffen zu können. Dies steigert die Chancen für den Produkt- bzw. Unternehmenserfolg und vermeidet nachgelagerte Risiken (z.B. unnötige Kosten).  

Das Ziel von UX-Design ist es, eine Produktgestaltung zu erschaffen, welche den erfolgsentscheidenden Bedürfnissen, Erwartungen und Fähigkeiten der Anwender:innen entspricht, die Werte der Unternehmensmarke transportiert und ein Differenzierungsmerkmal für die Produkte im Markt darstellt. Eine gute Produktgestaltung trägt wesentlich zu Kundenzufriedenheit und Loyalität bei. Sie generiert Umsatz, reduziert Kosten und unterstützt Anwender:innen bei der Erledigung ihrer Arbeit. 

Auf Basis dieser Zielsetzungen lassen sich nachfolgende Optimierungsziele für UX-Prozesse ableiten: 

Effiziente UX-Design-Prozesse ermöglichen es, eine Produktgestaltung zu erreichen, die den erfolgsentscheidenden* Bedürfnissen und Erwartungen der Anwender:innen entspricht, und dafür einen möglichst geringen Aufwand an Zeit und Ressourcen einzusetzen. 

Effizienz im UX-Research bedeutet, dass Bedarfsanalyse sowie Sammlung, Analyse, Dokumentation und Kommunikation von erfolgsrelevanten* Informationen über Anwender:innen so organisiert werden, dass mit minimalem Aufwand an Zeit und Ressourcen von allen relevanten Stakeholder:innen anwenderorientierte Entscheidungen getroffen werden können.  

Das Adjektiv „erfolgsrelevant“ bezieht sich hierbei auf die Relevanz für den Produkt- bzw. Unternehmenserfolg. Diese Optimierungsziele sind daher auch nur beispielhaft zu verstehen, denn was genau erfolgsrelevant für das jeweilige Unternehmen oder Produkt ist, sollte konkretisiert werden. 

Mit „geringer bzw. minimaler Aufwand“ ist gemeint, nur den Aufwand zu investieren, damit das Ziel weitgehend erreicht werden kann. Bei der Aufwandsreduzierung sollte es also darum gehen:  

  • Verschwendung zu eliminieren. Also auf alles zu verzichten, was nicht zur Zielerreichung beiträgt. 
  • Durch Standardisierung Rüst- und Durchführungszeiten zu minimieren. 
  • Die Prozessschritte zu automatisieren, die durch eindeutige und wiederholende Tätigkeiten erfolgen. 

Wo fängt man am besten an? 

Im UX-Bereich gibt es zahlreiche (Teil-)Prozesse. Je nach Zuschnitt der Prozesse kann man für UX-Design und UX-Research schnell auf 50 (Teil-)Prozesse und mehr kommen. UX-Prozesse sind beispielsweise: 

  • UX-Research: „Rekrutierung von Testpersonen“ oder „Konzeption, Durchführung und Auswertung von Online-Befragungen“ 
  • UX-Design: „Erstellung von gestalterischen Artefakten, wie Icons, Illustrationen oder Grafiken“ oder „Konzeption und Erstellung von Wireframes, Mockups oder Prototypen zur Lösungsfindung und Evaluation“ 

Es ist hilfreich vor der Prozessanalyse zunächst alles UX-Prozesse aufzulisten und dann anhand von bestimmten Kriterien festzulegen, welche der (Teil-)Prozesse betrachtet werden sollen. Bei den Kriterien kann man sich gut an klassischen Vorgehensweisen zur Prozessanalyse orientieren. Sie könnten beispielsweise so aussehen: 

Es werden die UX-Prozesse betrachtet, die 

  • für die Erreichung der Unternehmensziele relevant sind, 
  • Auf keine Unternehmensziele einzahlen, (Bei diesen UX-Prozessen geht es weniger um Optimierung, sondern mehr um die Frage, ob diese Tätigkeiten zukünftig überhaupt noch gemacht werden.) 
  • eine spürbare Auswirkung auf die Erreichung der Ziele von UX-Design und UX-Research haben.  
  • für die Einhaltung gesetzlicher bzw. regulatorischer Anforderungen kritisch sind.  

 Daraus ergibt sich eine Auswahl von UX-Prozessen, die bei Bedarf anhand der folgenden Kriterien weiter eingegrenzt werden kann:

Aus diesen UX-Prozessen werden die analysiert und optimiert, die mit 

  • einer niedrige Mitarbeiterzufriedenheit oder viel Kritik seitens Mitarbeitenden,  
  • hohem Aufwand in Arbeitszeit oder Budget,  
  • hohen Planungsaufwänden oder Rüstzeiten,  
  • hohen Durchlaufzeiten oder  
  • häufigen Nachbesserungen bei Arbeitsergebnissen 

verbunden sind. 

Wichtig ist, dass die Prozessanalyse stets im Kontext des gesamten Geschäftsprozesses erfolgt. Soll beispielsweise die Rekrutierung von Testpersonen als Teilprozess optimiert werden, so ist es von großer Bedeutung, wofür die Testpersonen rekrutiert werden. Die Rekrutierung für eine Online-Befragung zu weit verbreiteten Nutzungsprozessen in einer großen Zielgruppe ist deutlich weniger aufwändig und schneller als die Rekrutierung für eine Studie, in der es um die Bedürfnisse einer kleinen Gruppe von Fachexpert:innen geht.

Wie geht es weiter? 

In diesem Blogbeitrag habe ich meine bisherigen Erkenntnisse zur Effizienzsteigerung von UX-Prozessen zusammengefasst. Meine UX-Lernreise ist damit natürlich noch nicht abgeschlossen. Nun geht es nämlich konkret ans Eingemachte – an die Optimierung ausgewählter UX-Prozesse. Was ich dabei gelernt habe, erfährst Du in kommenden Blogbeiträgen oder in meinem Vortrag auf dem World Usability Congress

Vielen Dank 

Herzlichen Dank an alle, die sich an meinen Diskussionen auf LinkedIn beteiligt haben. Insbesondere für die Gedankenanstöße und Ergänzungen an Markus Brendel, Michael Engler, Matthias Feit, Irene Ferraris, Matthias Hein, Knut Polkehn, Roland Sailer, Jan Seifert, Benjamin Uebel, Joachim Winkler, Thomas Vöhringer-Kuhnt, Dirk Zimmermann, und an meine Lerngruppe der UX-Lernreise (Lea Hönigmann, Jessica Kollmorgen, Elica Rangelova, Frederik Bader und Fabian Lang).