Cordula Stratmann im Interview: "Humor ist eine Haltung"

"Humor ist eine Haltung", sagt Komikerin, Autorin und Familientherapeutin Cordula Stratmann. Und erklärt, wie wichtig die Abkehr von schlechter Laune gerade jetzt ist.

Mai 11, 2025 - 18:48
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Cordula Stratmann im Interview: "Humor ist eine Haltung"

"Humor ist eine Haltung", sagt Komikerin, Autorin und Familientherapeutin Cordula Stratmann. Und erklärt, wie wichtig die Abkehr von schlechter Laune gerade jetzt ist.

BRIGITTE: Täuscht der Eindruck, dass Comedy für Sie nicht nur ein Beruf, sondern eine Haltung ist?

Cordula Stratmann: Der Eindruck täuscht nicht. Ich habe es allerdings schwer mit Begrifflichkeiten wie "Comedy", es gab ja schon Komisches in der Welt, bevor es den Begriff oder das Genre "Comedy" gab. Da war es auch schon lustig! Komik hat nicht mit einer Branche zu tun, sondern mit dem Leben selbst.

Inwiefern ist das eine Haltung? Kann man sich entscheiden, die Dinge komisch zu sehen, heiter zu sein?

Ich glaube, das gibt das Leben uns vor. Wenn wir nicht doof sind, versperren wir uns der Komik nicht. Es ist eine Lebensentscheidung, des Lebens Komikangebot anzunehmen. Ich rate davon ab, sich freiwillig für heruntergezogene Mundwinkel zu entscheiden. Die Anstrengung für Finsterkeit brauchen wir ganz dringend für freundliche Lösungen!

Also eine Überlebensstrategie?

Ja, und eine sehr effektive! Die Vorstellung, dass schlechte Laune eine natürliche Reaktion auf schwierige Zeiten ist, halte ich für falsch. Wir können es uns nicht leisten, uns in Selbstmitleid einzurichten. Wir Deutschen neigen zur Gründlichkeit – auch beim Pessimismus. Damit tragen wir aktiv dazu bei, dass die Welt ein schwierigerer Ort wird. Und klagende Deutsche lassen in meinen Augen Respekt vermissen angesichts all der Krisen, die woanders bewältigt werden müssen. Damit spreche ich niemandem ab, dass er besorgt auf unsere derzeitige Lage reagiert – aber er sollte nicht das schlechteste Gegenmittel wählen mit Zähneklappern.

Sie fordern also mehr Eigenverantwortung für die eigene Stimmung?

Absolut! Es müsste heißen, nicht nur die gute Seite des Lebens zu sehen, sondern selbst gut zu sein. Und das beginnt im Kleinen: an der Supermarktkasse, bei der Art, wie wir mit anderen sprechen, und ja, sogar bei der Wahl unserer Regierung. Menschlichkeit ist keine private Frage mehr, sondern eine hochpolitische.

Gibt es Dinge im Alltag, die Sie besonders erfreuen?

Ständig! Und ebenso viele, die mich mieslaunen könnten. Ich bin ja kein Wunderwesen mit ignorant sonnigem Gemüt. Aber ich entscheide mich dafür, die Heiterkeit zu pflegen. Das ist ein bewusstes Training, das ich seit der Geburt absolviere.

In Ihrem Beruf als systemische Familientherapeutin arbeiten Sie mit ernsten Themen. Wie vereinen Sie das mit Ihrem Humor?

Ich muss da nichts vereinen, weil es keinen Widerspruch gibt. Trauer, Heiterkeit, das Schöne, das Schreckliche existieren stets gleichzeitig. Manche Menschen fragen mich: Können Sie auch ernst sein? Das ist, als würde man fragen: Atmest du auch aus, nachdem du eingeatmet hast?

Auch das Schreiben spielt eine große Rolle in Ihrem Leben. Was bedeutet es für Sie?

Schreiben ist für mich wie Musik machen. Ich spiele mit Sprache und Gedanken, komponiere, feile, bis es sinnvoll klingt.

In Ihrer Arbeit als Therapeutin gehen Sie davon aus, dass Menschen sich selbst helfen können. Wie meinen Sie das denn?

Es beginnt damit, den eigenen Blick auf das Leben zu hinterfragen. Die Kraft, die wir darauf verwenden, an Dingen zu leiden, können wir genauso nutzen, um sie zu verändern. Selbstreflexion ist der Schlüssel. Wir alle haben eine innere Stimme, die kommentiert: "Das wird nichts" oder "Das ist doch Mist". Wenn wir dieser Stimme einen neuen Job geben – nämlich von der destruktiven zur unterstützenden –, verändert das alles.

Mehr spannende Gespräche  … über die großen Fragen, die sich Frauen stellen, wenn sie mitten im Leben stehen, gibt’s im BRIGITTE-Podcast "Meno an mich" jeden Freitag neu. Auf RTL+ und allen anderen Streaming-Plattformen.
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© Anatol Kotte

Sie haben Ihre therapeutische Arbeit ab 50 wieder aufgenommen. Warum?

Ich wusste immer, dass ich irgendwann zurückkehren würde. Die Arbeit hat mir gefehlt, weil sie mir genau so hilft wie den Menschen, die zu mir kommen. Was Therapeuten mit den Menschen einüben, ist ebenso Übung für die Therapeuten.

Gab es auch die Sorge, mit zunehmendem Alter im Fernsehen nicht mehr sichtbar sein zu können?

Es ist absurd, Älterwerden abzulehnen. Was ist denn die Alternative? Trotzdem erwische ich mich dabei, dass ich über eine neue Falte in den Tisch beiße. Dann rufe ich mich zur Ordnung: "Cordula, jetzt wirste irre!" Zu erkennen, dass unser Leben mit jedem Tag reicher wird – und uns nicht auf einen Kampf einlassen, den wir nicht gewinnen können, das trifft die Altern-Aufgabe viel eher.

Wir sind ja mit dem Thema nicht im luftleeren Raum, es gibt die Medien, Männer und auch andere Frauen, die uns beurteilen. Wie erleben Sie weibliche Solidarität?

Ich habe großartige Erfahrungen mit Frauen gemacht. Frauen sind mutig. Sie laufen nicht weg, wenn es um innere Arbeit geht. Sie stellen sich den Dingen, sie entwickeln sich weiter. Gleichzeitig habe ich aber auch meine Probleme mit dieser neuen Überflutung von "Body Positivity" – wir nehmen Abschied vom Bodyshaming, aber erzählen uns dann, dass jede Frau wunderschön ist. Warum quälen wir uns mit neuen Superlativen? Echtes Miteinander bedeutet nicht nur explodierende Bestätigung, sondern auch respektvolle Konfrontation.

Also eine Revolution der Verbundenheit – aber ohne Weichzeichner?

Genau. Meine besten Freundinnen sind nicht die, die mich nur loben, sondern die, die mich fragen: Meinst du das wirklich so? Hast du dir das gut überlegt? Das ist Solidarität.