Arachnophobie: Wie sich die Angst vor Spinnen überwinden lässt
Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, ist eine der häufigsten Angststörungen überhaupt. Doch zum Glück ist sie auch besonders gut therapierbar

Arachnophobie, die Angst vor Spinnen, ist eine der häufigsten Angststörungen überhaupt. Doch zum Glück ist sie auch besonders gut therapierbar
Oft genügt schon ein flüchtiger Blickkontakt, ein langes dürres Bein, das sich hektisch bemerkbar macht: Reflexhaft gehen die Wogen hoch! Bestenfalls verlaufen Begegnungen mit Spinnen gleichgültig, meist aber gefühlskalt. Dann scheinen alle Mittel Recht, sich das Gegenüber vom Leib zu halten: Staubsaugerrohre, Fusselfänger, zur Keule aufgerollte Hefte. Wozu auch nachsichtig und empathisch tun, wenn bereits der Gedanke an Achtbeiner ängstigt und ekelt?
Fast die Hälfte aller Menschen in Industrienationen verabscheuen Spinnen. Bloß: Ganz vermeiden lassen sich Konfrontationen nicht. Schließlich bevölkern Winkel-, Haubennetz-, Zitter- oder Gartenkreuzspinnen unsere Vorgärten, Kellerräume, Zimmerecken, und ja, gelegentlich auch eine Schranknische im Schlafgemach. Ob wir wollen oder nicht.
Man sollte meinen: Kleine Tiere, die weder gefährlich noch unhygienisch sind (und das trifft auf alle heimischen Spezies zu), sollten unser Wohlwollen finden. Zumal ausgerechnet Spinnen überaus nützliche Heimbewohner sind. Sie vertilgen Fliegen, Mücken, Blattläuse, Asseln sowie viele andere ungebetene Gäste. Wann immer wir ein Spinnennetz sehen, ist also eine fleißige Helferin am Werk!
Arachnophobie ist eine ernsthafte Störung
Doch wer von den Achtbeinern und ihren ungewöhnlichen Bewegungen in Angst und Schrecken versetzt wird, ist für nüchterne Argumente nicht erreichbar. Ängste sitzen nun einmal tief, haben irrationalen Charakter. Spinnenangst, auch Arachnophobie oder Spinnenphobie genannt, ist eine ernsthafte, psychische Erkrankung, die zu den Angststörungen zählt. Etwa fünf Prozent aller Deutschen kennen Spinnenangst, Frauen und Jüngere tendenziell häufiger.
Arachnophobie führt nicht selten zu massiven Einschränkungen im Alltag. Es kann durchaus vorkommen, dass Betroffene nicht zur Arbeit erscheinen, weil sie sich vor einer Spinne im Wohnzimmer ins Bad geflüchtet haben – und aus Furcht nicht mehr in der Lage sind, herauszukommen. Da Phobikerinnen und Phobiker unter ihrer Angst und dem daraus folgenden Vermeidungsverhalten leiden, ist eine Therapie ratsam und hilfreich.
Konfrontationstherapie am vielversprechendsten
Eine der erfolgreichsten Methoden zur Überwindung von Arachnophobie ist die Verhaltenstherapie, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Sie zielt darauf ab, die Gedankenmuster, die hinter der Angst stehen, zu identifizieren und zu verändern. Eine spezifische Form der Verhaltenstherapie ist die Konfrontationstherapie oder Expositionstherapie. Diese Methode geht davon aus, dass die Angst kleiner wird, wenn Betroffene sich kontrolliert und wiederholt mit einem angstauslösenden Reiz konfrontieren. Ihre Wirksamkeit ist gut erforscht.
Zunächst erfolgt eine Exposition in kleinen Schritten, die ein Patient in der Regel selbst bestimmt. Sie kann etwa mit einem Gespräch über Spinnen oder dem Ansehen von Spinnenbildern beginnen. Dies ist wichtig, um der über Jahre verfestigten Panikreaktion entgegenzuwirken. Phobiker sollen lernen, dass schon ein Aushalten ihrer Angst dazu führt, dass sie geringer wird. Im besten Fall stellen sie fest: Auch für sie ist es möglich, an Spinnen zu denken und ein Foto zu betrachten.
Expositionstherapie: Annäherung in sicherer Umgebung
In einem weiteren Schritt können sich die Übenden zum Beispiel kleineren und später auch etwas größeren toten Spinnen nähern. Anschließend auch lebenden Exemplaren. Therapeutische Fachkräfte sollten stets im Blick behalten, wie es ihren Klienten dabei ergeht. Besonders hilfreich ist es, auf eine ruhige und regelmäßige Atmung zu achten. Bei Bedarf kann die Konfrontation auch mit Entspannungsübungen kombiniert werden.
Manche Experten ermuntern zudem dazu, lebende Spinnen zu berühren oder etwa über den Handrücken laufen zu lassen. Dies kann, muss aber nicht Teil einer Konfrontationstherapie sein. Schließlich soll es darum gehen, zu lernen, was auch im Alltag nötig ist: eine Spinne anschauen und ein Tier in der eigenen Wohnung fangen und außerhalb der Wohnung freilassen können. Dazu eignen sich spezielle Schnappfänger oder das bewährte Trinkglas mit Pappdeckel.
Der Vorteil dieser Art von Spinnenangsttherapie besteht nicht zuletzt darin, dass sie in kontrollierter Umgebung stattfindet. Niemand muss fürchten, dass ein Exemplar plötzlich aus einer Ecke krabbelt oder sich von der Decke abseilt. Es ist immer klar, wo sich eine Spinne befindet, aus welcher Distanz man ihr näherkommen möchte. Erhebungen zeigen, dass meist schon ein einzelner mehrstündiger Kurs ausreicht, damit Betroffene künftig deutlich mehr Gelassenheit an den Tag legen. Wer im Anschluss weiter übt und sich neue Ziele steckt, profitiert entsprechend stärker.
Auch Virtual Reality und Hypnose haben Potenzial
Falls eine Konfrontation mit echten Spinnen nicht infrage kommt, können Arachnophobie-Patienten neuerdings auf moderne Techniken wie Virtual-Reality-Brillen zurückgreifen. In einem sicheren Rahmen erleben sie auf diese Weise interaktive VR-Umgebungen, in denen sie Spinnen in verschiedenen Kontexten begegnen. Studien haben gezeigt, dass Virtual Reality bei der Behandlung von Phobien sehr effektiv sein kann, da die Technologie realitätsnahe, aber risikoarme Szenarien simuliert.
Auch der Einsatz von Hypnosetechniken, bei der die Angst vor Spinnen durch den Zugang zum Unterbewusstsein bearbeitet wird, mag für manche sinnvoll sein. Hypnose eignet sich vor allem für Personen, die auf sanftere, indirekte Ansätze ansprechen. Unter Hypnose ist ihr Geist offener für positive Suggestionen, die dabei helfen können, eine Arachnophobie zu mildern.
Sind Befürchtungen und Panikreaktionen einmal abgebaut, kann die Spinnenangst durch ein weiteres Mittel vollends verfliegen: Spinnenwissen. Wer sich mit den kleinen Räubern auch fachlich beschäftigt, wer eintaucht in ihre spektakuläre Welt voller Superlative, kann gar nicht anders, als die Achtbeiner schätzen zu lernen. Keine Seltenheit ist es, dass aus Phobikern irgendwann sogar echte Fans werden.