Verhaltensforschung: Die heimlichen Gourmets im Tierreich: Kakadus würzen Nudeln mit Blaubeerjoghurt
Nudeln und Kartoffeln? Viel zu fad und langweilig für die Kakadus eines Wiener Forschungsinstituts. Um ihr Futter kulinarisch zu verfeinern, werden die Vögel kreativ

Nudeln und Kartoffeln? Viel zu fad und langweilig für die Kakadus eines Wiener Forschungsinstituts. Um ihr Futter kulinarisch zu verfeinern, werden die Vögel kreativ
Pommes und Mayonnaise, Sushi und Sojasauce, Marshmallows und heiße Schokolade: Manche Speisen lassen unsere Geschmacksknospen erst dann so richtig explodieren, wenn wir sie in eine Sauce dippen, verschiedene Aromen und Konsistenzen verbinden. Mit unserer Angewohnheit, Lebensmittel zu kombinieren, sie zu würzen und ihren Geschmack zu verändern, stehen wir Menschen allerdings ziemlich allein da. Im Tierreich wurden bislang einzig Japanmakaken dabei beobachtet, wie sie Kartoffeln in Salzwasser tunken – vermutlich, um sie aromatischer zu machen. Andere Tiere waschen ihre Nahrung vor dem Verzehr zwar oder weichen sie ein, damit sie bekömmlicher wird. Aber gewagte Geschmackskombinationen und raffinierte Rezeptideen im Tierreich: Fehlanzeige.
Vielleicht haben wir bisher aber nur nicht genau genug hingeschaut, um Einblicke in die Kochbücher der Tierwelt zu erhalten. Forschende der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben nun nämlich neue Feinschmecker im Tierreich ausfindig gemacht: Goffinkakadus (Cacatua goffiniana). Nachdem zwei der Vögel im Goffin Lab der Universität beim Frühstück zufällig dabei beobachtet worden waren, wie sie gekochte Kartoffeln in Sojajoghurt mit Blaubeergeschmack tunkten, haben Forschenden das Verhalten nun genauer untersucht und ihre Beobachtungen in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht. Das Ergebnis: Den Kakadus geht es bei ihrem Verhalten tatsächlich darum, den Geschmack ihres Futters zu verbessern. Und: Nichts geht über Pasta mit Blaubeerjoghurt.
In einem Versuchsaufbau setzten die Wiener Forschenden 18 Tieren gekochte Lebensmittel und verschiedene potenzielle Dips und Soßen vor: Nudeln, Blumenkohl, Karotten und Kartoffeln einerseits, Wasser, Sojajoghurt mit und ohne Blaubeergeschmack andererseits. Und während die Vögel kein Interesse daran zeigten, den Blumenkohl und die Karotten zu würzen, dippten neun von ihnen ihre Nudeln und Kartoffeln in den Joghurt. Vor allem von der süßen Variante mit Blaubeeren waren die Vögel angetan, was – wie eine weitere Untersuchung zeigte – nicht auf die Farbe des Joghurts zurückzuführen ist.
Dass die Vögel die Nahrungsmittel einweichten, um sie weicher und bekömmlicher zu machen, schließen die Forschenden ebenfalls aus – schließlich war das Futter bereits weichgekocht und das dafür besonders geeignete Wasser blieb unberührt. Weil die Kakadus in einem zweiten Versuchsaufbau eine generelle Vorliebe für die Kombination Nudeln und Blaubeerjoghurt zeigten und die Vögel die Nudeln regelrecht im Joghurt wälzten, um sie von allen Seiten damit zu ummanteln, schließen die Forschenden: Es geht den Vögeln tatsächlich um den Geschmack.
Neu erlerntes Verhalten
"Die Kombination der quantitativen und qualitativen Ergebnisse deutet darauf hin, dass die Kakadus Joghurt zur Aromatisierung ihrer Nahrung verwenden und dies dem Joghurtgeschmack allein vorziehen", schreiben die Forschenden. "Unsere Ergebnisse liefern somit experimentelle Beweise für innovatives Verhalten bei der Nahrungszubereitung außerhalb der Primatenlinie, die unser bisheriges Verständnis der Entstehung seltener Formen von Nahrungszubereitungsverhalten bei Tieren ergänzen könnten."
Weil nicht alle Tiere ihr Futter in den Joghurt dippten und das Eintunken von Nahrung in Flüssigkeiten im natürlichen Lebensraum der Goffinkakadus in Indonesien noch nie beobachtet wurde, gehen die Forschenden davon aus, dass es sich um eine neue Erfindung der Vögel handelt, die nicht zu ihrem herkömmlichen Verhalten gehört. "Offenbar war ihr Futter nicht schmackhaft genug", sagt Studienautorin und Kognitionsbiologin Alice Auersperg in einer Mitteilung der Universität. Die Forschung trage viel zum Wissen darüber bei, wie sich die Tiere anpassen und mit neuen Problemen in ihrer Umwelt umgehen.
Die Kakadus seien in freier Wildbahn dafür bekannt, Werkzeuge auf innovative Weise zu nutzen: Sie stellen beispielsweise aus Ästen scharfe Holzgegenstände her, um hartschalige Früchte zu öffnen. "Solche Entdeckungen im Werkzeuggebrauch und in der Nahrungszubereitung zeigen uns, wie flexibel, innovativ und neugierig diese Tiere sind", sagt Auersperg. Die Forschenden hoffen nun, dass das neue Wissen um die Intelligenz der Tiere den Respekt vor ihnen fördert – und nicht den Wunsch, sie als Haustiere zu halten. Dazu eignen sich die lebhaften Vögel mit ihren spitzen Schnäbeln nämlich nicht.