Während die U-Bahn einfuhr

Der gestern erwähnte Peter Bichsel war übrigens, falls Sie das Filmchen im Blogeintrag nicht gesehen haben, ein Vertreter der nicht plottenden Literaten. Er ging eher nicht planvoll vor. Seine Geschichten entwickelte er vielmehr langsam und vielleicht nur aus einem einzigen Satz heraus, den er irgendwo gefunden und auf eine Art schön gefunden hatte, wie ein... Der Beitrag Während die U-Bahn einfuhr erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Mär 18, 2025 - 08:28
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Während die U-Bahn einfuhr

Der gestern erwähnte Peter Bichsel war übrigens, falls Sie das Filmchen im Blogeintrag nicht gesehen haben, ein Vertreter der nicht plottenden Literaten. Er ging eher nicht planvoll vor. Seine Geschichten entwickelte er vielmehr langsam und vielleicht nur aus einem einzigen Satz heraus, den er irgendwo gefunden und auf eine Art schön gefunden hatte, wie ein Hund einen Stock im Wald attraktiv findet, mitnimmt und zuhause zerbeißt. Er schrieb dann irgendwann die Geschichte zum Stock, oder die Geschichte, die im Stock war, die Geschichte zum Satz also. Und war über ihr Ende schließlich ebenso überrascht wie das lesende Publikum.

Eine sympathische Art des Vorgehens. Aber es gibt viele Arten, man muss sich da nicht auf eine Seite schlagen. Er hat auch gesagt, der Herr Bichsel, dass man das Leben nur erzählend bestehen könne. Das ist ein Satz, mit dem ich mich anfreunden kann.

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Am Nachmittag sah ich an einem U-Bahn-Gleis eine junge Frau, die einer einfahrenden U-Bahn entgegenlächelte. Und zwar wurde ihr Lächeln immer offener, immer noch erfreuter wirkend, bis ins deutlich Strahlende, während die Bahn auf sie zufuhr.  Es war in diesem Moment sonst kein Mensch in der Nähe, nur ich, und mir galt dieses Lächeln sicher nicht, da hätte der Blickwinkel nicht gestimmt, von meiner Ausstrahlung nach dem Bürotag ganz zu schweigen.

Nein, sie sah tatsächlich auf die Bahn und lächelte so, als kämen da vielleicht eine gute, eine richtig gute Idee oder auch ein besonders angenehmer Gedanke auf sie zu. Aus der gleichen Richtung wie die Bahn und mit der gleichen Geschwindigkeit kamen diese Idee oder dieser Gedanke, vielleicht auch eine Erinnerung an irgendetwas oder irgendjemanden auf sie zu. Und die Frau war dann in dem Moment, in dem die Bahn vor ihr hielt, höchst erfreut. Wovon auch immer.

Geradezu glücklich sah sie für einen Augenblick aus, als die Türen sich öffneten. Also für unsere stets etwas herabgedimmten Hamburger Verhältnisse sah sie glücklich aus, man muss dabei lokale Relativierungen bedenken. So etwas löst eine einfahrende U-Bahn jedenfalls nicht bei allen hier aus, so viel steht fest.

Niemand stieg aus, auf den sie dort gewartet hatte, so war es nicht. Es wäre, kann ich mir denken, auch eine zu einfache Erklärung gewesen, eine zu flache. Die Frau stieg in die Bahn und setzte sich. Sie setzte sich nicht zu jemandem, sondern allein in einen leeren Vierer. Wie es alle machen, wenn es möglich ist. Ich konnte nicht sehen, ob sie dabei noch weiter lächelte, das war an ihren Schultern nicht zu erkennen.

Aber ich könnte es mir immerhin denken, dass sie weiter lächelte. Wenn mir zwischendurch nach einem guten Ausgang für eine kurze Szene wäre, nach einem offenen, aber nicht weiter belastenden Ende, könnte ich mir das so denken.

Und es dann vielleicht kurz hilfreich finden, wieder einen angenehmen Aspekt gefunden zu haben. Sogar an einem Montag.

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Ein Gleis im U-Bahnhof Hafencity Universität, die großen Leuchten, welche alle paar Minuten die Farbe variieren, strahlen gerade rot.

 

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