Unerfüllter Oma-Wunsch: "Kinder schulden dir gar nichts – schon gar keine Enkel"

Immer weniger Frauen wollen Kinder. Ihre Eltern macht das oft tieftraurig. Wie geht man mit dem Schmerz um, niemals Oma zu werden? 

Mär 20, 2025 - 13:24
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Unerfüllter Oma-Wunsch: "Kinder schulden dir gar nichts – schon gar keine Enkel"

Immer weniger Frauen wollen Kinder. Ihre Eltern macht das oft tieftraurig. Wie geht man mit dem Schmerz um, niemals Oma zu werden? 

Sie hat schon Babykleidung und Plüschtiere gekauft und ist auf dem neuesten Stand, welche Kinderlieder gerade in sind. "Ich möchte so gerne eine coole Großmutter werden", erzählt die Hamburger Autorin Steffi von Wolff (59) im Interview mit BRIGITTE. Das Problem: Ihr 35-jähriger Sohn und seine Freundin wissen noch gar nicht, ob sie überhaupt Kinder wollen. 

Unerfüllter Oma-Wunsch: "Ich hab so viel Liebe zu geben!"

Steffi von Wolff hat eine erfüllte Karriere, ist glücklich verheiratet.Trotzdem verspürt sie seit einiger Zeit diese Lücke in ihrem Leben, außerdem Neid und Eifersucht auf Freundinnen, die schon Oma sind. Über dieses neue, verwirrende Gefühl schreibt sie auch in ihrem neuen Buch "Der Geist ist willig, der Körper chillig". Von Wolff, ganz offen: "Wenn ich die ganzen Fotos dieser kleinen Würmer sehe, geht mir das Herz auf. Ich will unbedingt auch ein Enkelkind!" Noch vor zehn Jahren war das ganz anders, da wollte die Autorin von Windeln wechseln und Babysitting nichts wissen. Heute, mit fast 60, kann sie sich nichts Schöneres vorstellen. "Ich werde immer nervöser und denke mir: Macht mal hin, ich will JETZT Enkelkinder, wenigstens eins!"

Eifersüchtig auf andere Omas

Die Vorstellung, dass es niemals so weit kommen könnte, macht sie traurig. Für ihr „Future-Baby“, wie sie es nennt, hat Steffi von Wolff schon Malbücher gekauft, ihre alten Kuscheltiere gewaschen – "und wie so eine Masochistin Newsletter für Babymode abonniert", erzählt sie. Zur Not müsse sie all das eben verschenken. "Natürlich kann ich niemanden zwingen, mich zur Oma zu machen." Sie scherzt: "Die Freundin meines Sohnes weiß wenigstens schon, wie das Kind heißen soll: Vincent oder Valerie." Doch als sie ihren Sohn kürzlich (mal wieder) nach dem Stand der Dinge fragte, wies er sie in die Schranken: "Mama, das geht dich nichts an!" 

"In der Geist ist willig, der Körper chillig" von Steffi von Wolff: 16,99 €, Gräfe und Unzer.
In "In der Geist ist willig, der Körper chillig" schreibt Steffi von Wolff über ihre unerfüllte Sehnsucht nach Enkelkindern.
© Gräfe und Unzer

"Kinder schulden dir gar nichts – schon gar keine Enkel"

"Kinder schulden dir gar nichts – schon gar keine Enkel", sagt auch die  Familiencoachin Hanna Drechsler. Drechsler empfiehlt Kindern, klare Grenzen zu ziehen und deutlich zu machen, dass man sich verbittet, darauf angesprochen zu werden. Stattdessen könne man mal vorsichtig nachhaken, ob die Mutter wirklich Kinder für ihre Tochter oder ihren Sohn will – oder für sich selbst. "Zum Beispiel, um etwas nachzuholen oder wieder gut zu machen, was man beim eigenen Kind nicht so gut hinbekommen hat", erklärt Drechsler, "oder, weil sich das eigene Leben unvollständig anfühlt, seit die Kinder aus dem Haus sind." Das betreffe häufig Frauen, die den Großteil ihres Lebens zugunsten der Kinder zu Hause geblieben seien. 

Bei Steffi von Wolff ist es anders. "Es ist einfach das Alter", glaubt sie. Weniger schlaflose Partynächte, mehr gemütliche Zeit zu Hause. Da kriege man einfach Lust auf Beschäftigungen mit kleinen Kindern – eine klassische Sehnsucht für diese Lebensphase. 

Trauer über die Entscheidung des Kindes 

Fakt ist aber: immer mehr Menschen müssen der häufig schmerzhaften Tatsache ins Auge sehen, niemals Großeltern zu werden. 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 680 000 Kinder geboren – der niedrigste Wert seit 2014. Viele sind pessimistisch angesichts diverser Kriege, Krisen und dem Klimawandel. Das mag auf intellektueller Ebene für viele Ältere verständlich sein. "Dennoch ist die Trauer darüber, dass sich gewisse Vorstellungen von einer Lebensphase – wie so oft im Leben – nicht erfüllen werden, bei vielen bodenlos. Dann darf man auch trauern", sagt Hannah Drechsler. Vor allem, wenn plötzlich der ganze Freundeskreis tief in den Großelternpflichten steckt. "Es ist wie, wenn deine Freunde heiraten oder Kinder bekommen und du nicht", sagt sie. 

Welches Bedürfnis steckt wirklich hinter dem Wünsch, unbedingt Oma werden zu wollen?

Manchmal ist der Wunsch, unbedingt Oma werden zu wollen, in unserem patriarchalen System auch eng mit dem Ideal verknüpft, dass Frauen erst dann "vollständig" seien, wenn sie Mutter und später auch Großmutter werden. Auch können unterdrückte innere Bedürfnisse dahinterstecken: Was habe ich vielleicht selbst versäumt? Will ich als Großmutter etwas nachholen oder Wiedergutmachung leisten? "Es kann auch die Frage aufkommen, ob sich das eigene Leben ohne diese neue Rolle als unvollständig anfühlt", sagt Hannah Drechsler. "In dem Fall kann es weh tun, zu sehen, dass die eigene Tochter ein so erfülltes Leben hat, dass sie keine Kinder möchte." 

Übrigens sind auch Enkelkinder kein Garant für glückliche Familien. "Viele meiner Klient:innen leiden unter schwierigen Beziehungen zu ihren (Schwieger-)Eltern, weil sie Druck ausüben oder sich in die Kindererziehung einmischen, was häufig zur Folge, dass der Kontakt abbricht und Großeltern ihre Enkelkinder gar nicht mehr sehen dürfen", berichtet Hanna Drechsler. Ihr Rat: "Kinder sollten klar kommunizieren, ob sie bewusst kinderfrei leben oder unfreiwillig kinderlos sind und dass dieses Thema vielleicht ein wunder Punkt ist, über den sie nicht sprechen möchten." 

Ein erfülltes Leben ohne Enkelkinder

Drechsler rät, sich von der Vorstellung zu lösen, dass bestimmte Lebensphasen in eine feste Form gegossen werden müssen. Wenn der Wunsch nach Enkelkindern nicht in Erfüllung geht, könne man sich auf die Beziehung zu den eigenen Kindern konzentrieren, sich ein erfüllendes Hobby oder Ehrenamt suchen, durch das man mit kleinen Kindern zu tun hat. "Ich wünsche allen Menschen ein so erfülltes Leben, dass ein Enkelkind bloß die Kirsche auf dem Sahnehäubchen ist", sagt die Familienberaterin.