SSC Neapel träumt von der Meisterschaft: Gewinnen Conte er schon immer
Unter Antonio Conte träumen sie in Neapel vom Scudetto. Doch wer sich die Historie des Trainers ansieht, ahnt: Das wird nicht gut ausgehen. Oder?

Drei Punkte Vorsprung: Die SSC Neapel führt die Tabelle der Serie A an. Eine Situation, die einem Wunder gleichkommt, hatte vor Saisonbeginn niemand damit gerechnet, dass die Himmelblauen um den italienischen Titel mitspielen. Nicht mal Conte selbst, der nach der letzten Eroberung der Tabellenführung vor einer Woche sagte: „Der Scudetto wäre ein Wunder!“
Denn die Ausgangslage war alles andere als optimal. Neapel hatte im Sommer eine Saison mit drei Trainern hinter sich. Francesco Calzona, der es als Letzter versuchen durfte, hatte die Mannschaft noch auf den zehnten Tabellenplatz geführt. Zwischenzeitlich forderten die Fans, die Profis mit der U19 zu tauschen – Calzona zeigte Verständnis: „Ich kann mich persönlich nur nochmals bei den Fans entschuldigen - besonders bei denen, die so viel opfern, indem sie uns überallhin folgen.“
Weniger überraschend wirkte deshalb die Personalentscheidung auf der Trainerposition: Antonio Conte kehrte nach einer rund ein Jahr langen Pause in die Fußballwelt zurück und unterschrieb in Neapel. Eine Personalentscheidung, die ein Zeichen setzte. Zumindest rückblickend. Conte fasste seine Ambitionen auf einer Pressenkonferenz zusammen: "Ich habe gewisse Erwartungen an mich selbst. Jeder, der Conte anstellt, sagt, dass sie Erster oder Zweiter werden, selbst wenn sie in der Vorsaison Zehnter waren.“
Krisenmodus aus
Mit Blick auf Contes bisherige Stationen ist diese Erwartungshaltung berechtigt. Contes Aufenthalte bei Juventus Turin, Inter Mailand und Chelsea verliefen nach einem ähnlichen Schema. Bei seiner Ankunft fand er eine Mannschaft in der Krise vor, die mit dem Meisterschaftskampf wenig zu tun hatte. Innerhalb kurzer Zeit gelang ihm dann eine sportliche Wende, die mit mindestens einem Titelgewinn endete. Auf ausgelassenen Jubel über die Erfolge folgte ein baldiger Abschied – oft aufgrund persönlicher Konflikte.
Seine Zeit bei Juventus ist eines der Beispiele für seinen Einfluss auf die sportliche Entwicklung. Vor dem Beginn seiner Arbeit fand sich Juventus 2011 im Mittelfeld der Serie A wieder. Die letzte Meisterschaft war schon acht Jahre her, von den erfolgreichen Neunzigern auf internationaler Bühne konnten die Fans auch nur träumen. Conte, der diese Zeit als Spieler erlebte, war die Zielsetzung gut bekannt. Er begann die Suche nach einer optimalen Formation und stabilisierte zunächst die Defensive der Bianconeri. Die Dreierkette aus Leonardo Bonucci, Andrea Barzagli und Giorgio Chiellini wurde zu einer wichtigen Säule des Kaders. Die Umstellung brachte Erfolg: Juve kassierte in der Saison 2011/12 lediglich 20 Gegentore und wurde Meister. Welchen Einfluss Conte auf den Verein und die Spieler hatte, fasst Ex-Juve-Spieler Paolo de Ceglie im Interview mit The Gentleman Ultra zusammen: „Conte hat mir die wichtigste Sache beigebracht: wie man gewinnt.“
Nach drei Jahren voller weiterer Erfolge folgte der plötzliche Abschied – Verein und Trainer einigten sich auf eine vorzeitige Auflösung des Vertrags. Eine Entscheidung, die mitten in der Saisonvorbereitung viele schockierte. Conte erklärte in der offiziellen Ankündigung: „In Zukunft könnte es schwieriger werden, mit Juventus Titel zu gewinnen. Ich bin mit der Zeit reifer geworden und mein Gefühl hat mich zu dieser Entscheidung bewegt.“
Alle guten Dinge sind drei
Seit dem Abschied von Juve durchlief Conte verschiedene Stationen, bei denen er meist nicht über zwei Saisons hinaus im Amt blieb. Doch nach rund zehn Monaten im Amt in Neapel hat Conte wieder gute Chancen auf den Scudetto-Gewinn. Die Kaderplanung, die im Winter durch den plötzlichen Abschied von Khvicha Kvaratskhelia nochmal in Bewegung geraten ist, war insgesamt erfolgreich. Insbesondere Scott McTominay entwickelte sich schnell zum Stammspieler und Leistungsträger. Aktuell steht der Schotte bei elf Toren und vier Vorlagen in der Serie A. Im Sturm gelang es Romelu Lukaku, den Abgang von Victor Osimhen beinahe vergessen zu lassen. Lukaku kommt in der laufenden Saison auf zwölf Tore und zehn Vorlagen. Eine weitere Voraussetzung für Neapels Erfolg war die Stabilisierung der Defensive – der Tabellenführer kassierte bisher die wenigsten Gegentore in der Serie A.
Die Titelambitionen formuliert inzwischen auch Conte selbst konkret: „Wir müssen den Scudetto als Ziel sehen. Sich einfach für Europa zu qualifizieren, wäre nicht genug, die Erwartungen wachsen und der Rest muss mitziehen.“ Neapels Restprogramm bestätigt Contes Hoffnungen: es stehen vier Partien gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel an. Und anders als der Verfolger Inter Mailand ist Neapel in keinem europäischen Wettbewerb vertreten und kann den gesamten Fokus auf die Liga setzen.
Sollte Neapel tatsächlich italienischer Meister werden, wäre es der dritte Verein, mit dem Conte als Trainer diesen Titel holt. Das schaffte bisher keiner. Und wie schon bei seinen vorherigen Stationen: die ersten Abschiedsgerüchte nach der ersten Saison machen die Runde. Der Abgang von Kvaratskhelia im Winter war für Conte eine Überraschung – wie er sagte: „Er hat den Verein gebeten, ihn zu verkaufen. Ich bin enttäuscht. Das kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel.“ Sein Abschied konnte bisher nicht durch einen anderen Transfer kompensiert werden. Die Uneinigkeiten mit der Vereinsführung hinsichtlich der Kaderplanung könnten Conte dazu bewegen, die Stadt am Vesuv schon im Sommer zu verlassen.
Doch noch hat er einen bis 2027 laufenden Vertrag und ist auf dem Weg, weiter das zu tun, was er schon immer konnte: Gewinnen.