Sonea Sonnenschein : "Natürlich kann dir Inklusion egal sein. Für dich ändert sich nichts. Aber für mich ändert sich alles."
Ihr Wunsch: Mehr Normalität für Kinder mit Downsyndrom Wen sie inspiriert: Ihre Fans auf Instagram Was sie liebt: Posten, tanzen, ihre Familie

Ihr Wunsch: Mehr Normalität für Kinder mit Downsyndrom
Wen sie inspiriert: Ihre Fans auf Instagram
Was sie liebt: Posten, tanzen, ihre Familie
Wenn Sonea Sonnenschein tanzt, ist sie in ihrem Element. Kunstvoll bewegt sie die Arme zu den Beats von Bruno Mars oder Miley Cyrus. Dazu ein paar entschlossene Side-Steps – jeder Move macht ihr sichtlich Spaß. Mehr als 24 000 Follower hat die 15-Jährige aus Köln auf Instagram. Doch in ihren Reels wird nicht nur getanzt. Manchmal steht Sonea da mit wehenden Haaren und ruft: "Überraschung! Das Downsyndrom ist nicht ansteckend."
Sie erklärt, warum man es Trisomie 21 nennt: "Weil in jeder Körperzelle das Chromosom 21 dreimal vorhanden ist." Und dass es kein Grund sei, sie zu beleidigen, wenn man sie schwer verstehe. Das liege daran, dass sie "eine größere Zunge und schlaffe Muskeln" habe – "wie ein betäubter Mund beim Zahnarzt".
50.000 und trotzdem selten sichtbar
In Deutschland leben rund 50.000 Menschen mit dem Downsyndrom – ihr Alltag, ihr Kampf für mehr gesellschaftliche Teilhabe bleibt oft unsichtbar. Sonea Sonnenschein will das ändern. Mit Instagram begonnen hat sie vor sechs Jahren. Bis dahin pflegte ihre Mutter Katharina Weides, 44, einen Familienblog: "Das Schreiben half mir, mit der Diagnose klarzukommen, die mich bei Soneas Geburt in ein dunkles Loch katapultierte", sagt sie.
Mit den bebilderten Blogposts konnte sie auch die vielen schönen Seiten sichtbar machen, die das Leben mit einem behinderten Kind hat. Ihr wurde immer bewusster: "Unsere Sonea hat ein besonders offenes, mutiges Wesen." So sei auch der Name des Blogs entstanden: sonea-sonnenschein.de
Katharina Weides’ Posts sorgten zudem für Kontakt: zu anderen Betroffenen, zu Fachleuten. Und sie boten eine Plattform zur Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion und medizinischen Fragen. Denn oft bringt das Downsyndrom Herz- und Stoffwechselprobleme mit sich.
"Inkluencerin"
Doch als Sonea älter wurde, dachte ihre Mutter immer häufiger: Ganz schön persönlich, was du über dein Kind schreibst, sollte es da nicht mehr mitgestalten können? So entstand die Idee des eigenen Instagram-Kanals. Anfangs hätten sie mangels Vorbildern rumprobiert, was geht, sagt Weides, die als Social-Media-Managerin im Online-Marketing arbeitet. Heute sind sie ein eingespieltes Team: Für kompliziertere Inhalte gibt es Untertitel oder Erklärtexte. Und für mehr Augenzwinkern Statement-Shirts mit der Aufschrift: "Inkluencerin!"
Manchmal sagt Sonea auch nur drei Sätze: "Natürlich kann dir Inklusion egal sein. Für dich ändert sich nichts. Aber für mich ändert sich alles." Um Bilder und Optik kümmert sich oft Vater René. Und manchmal ist auch Soneas zwölfjähriger Bruder Vincent Teil ihrer Tanz-Choreos.
Nach Themen suchen alle gemeinsam. "Unsere Tochter hat dabei oft Ideen, auf die ich gar nicht komme", sagt Katharina Weides. Und im Videocall mit den beiden merkt man: Sonea weiß, was sie will – geliked werden, weil sie Sonea ist, nicht weil sie das Downsyndrom hat. Und was sie nicht will: angestarrt werden und auf ihre Trisomie reduziert. "Das finde ich diskriminierend!" In ihren Reels auf Instagram zeigt sie, was sie sonst noch macht: den grünen Gürtel im Taekwondo, das Praktikum in der Kita, auf dem Sportplatz einen ehrenamtlichen Helfer interviewen. Ihre Botschaft: Ich schaffe mehr, als ihr da draußen mir zutraut.
So ermutigt sie andere Kinder. Und deren Familien. "Es gibt Follower, die schreiben, dass sie ihr Kind auch Sonea genannt haben", sagt Katharina Weides. "Oder dass sie vor allem deshalb Sozialpädagogik studieren, weil sie uns aus dem Netz kennen – und die Perspektiven für Kinder mit Downsyndrom verbessern möchten." Nach wie vor arbeitet die große Mehrheit später in betreuten Werkstätten, auf dem ersten Arbeitsmarkt sind es nicht mal zehn Prozent.
So soll's weitergehen
Sonea geht in die 9. Klasse einer inklusiven Gesamtschule. Bald wird sie ihren Förderschulabschluss machen. Danach? Am liebsten Schauspielerin werden! Als eine Lebensmittelkette kürzlich Kinder für einen Weihnachtswerbefilm suchte, bewarb sie sich – und wurde zum Casting eingeladen. Zwar klappte es nicht mit einer Rolle, aber so schnell lässt sich Sonea nicht entmutigen. Denn auch das hat sie gelernt: Sich selbst zu beruhigen, wenn’s schwierig wird. "Man muss tief atmen", sagt sie. "Und weitertanzen."