Shabana Basij-Rasikh lehrt trotz Lebensgefahr: "Unsere Vision ist eine Generation von selbstbewussten jungen Frauen"

Was sie will: Bildung für afghanische Mädchen Wo sie das organisiert: In Ruanda Woran sie glaubt: An Freiheit für ihr Land

Mär 26, 2025 - 19:01
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Shabana Basij-Rasikh lehrt trotz Lebensgefahr: "Unsere Vision ist eine Generation von selbstbewussten jungen Frauen"

Was sie will: Bildung für afghanische Mädchen

Wo sie das organisiert: In Ruanda

Woran sie glaubt: An Freiheit für ihr Land

Keine Bildung für Mädchen 

Am 15. August 2021, dem Tag, als die Taliban nach Kabul zurückkehren, verbrennt Shabana Basij-Rasikh alle Unterlagen ihrer Schülerinnen. Es darf keine Spur mehr von "SOLA" geben, so heißt das von ihr 2008 gegründete, einzige Mädcheninternat Afghanistans. Denn das radikal-islamische Regime erlaubt keine weiterführenden Schulen für Mädchen – alle Beteiligten sind von nun an in Lebensgefahr.

Zehn Tage später nimmt "SOLA" den Schulbetrieb wieder auf, in einer verwaisten Hotelanlage in Ruanda. Dorthin hat Shabana Basij-Rasikh das gesamte Internat mit allen Schülerinnen, Lehrerinnen und Angehörigen evakuiert. Monatelang hatte die studierte Politologin die Flucht geplant. Sie hatte Kontakte zu einflussreichen Menschen im In- und Ausland aufgebaut und vor allem Staaten in der Region um Aufnahme gebeten. Doch am offens-ten zeigte sich Ruanda, vielleicht weil die Menschen dort nach dem Völkermord in den 90er-Jahren selbst einschneidende Fluchterfahrungen haben. "Für mich war seit Langem nicht die Frage, ob, sondern wann die Taliban zurückkommen", sagt Shabana Basij-Rasikh, wenn man sie über ihre Website (sola-afghanistan.org) erreicht. Die Flucht verläuft dennoch dramatisch und überstürzt: Tagelang wartet die 34-Jährige im Chaos des Kabuler Flughafen auf Schülerinnen, obwohl sie selbst auf der Todesliste der Taliban steht.

Lernen für den Frieden 

"SOLA" bedeutet in der Landessprache Pashto "Frieden". Und den soll das Schulprojekt irgendwann nach Afghanistan bringen. "Unsere Vision ist eine Generation von selbstbewussten jungen Frauen, die ihr Heimatland in eine bessere Zukunft führen", erklärt Basij-Rasikh auf Konferenzen und bei TED-Talks, in afghanischer Tracht und mit zuversichtlichem Lächeln. Für ihre Tatkraft ist sie oft ausgezeichnet worden, zum Beispiel 2018 mit der renommierten Malalai-Medaille.

Damit aus ihrer Vision Realität wird, büffeln Mädchen nun nach ihrer Grundschulzeit, die sie oft noch in Afghanistan absolvieren, von der siebten Klasse an in Ruanda Englisch, Mathe, Naturwissenschaften, den Koran. Ihr Ziel: die Hochschulreife. Ihr Lehrplan: anspruchsvoll. Gefördert wird dabei auch ihre soziale Verantwortung: Jede neue Schülerin bekommt eine ältere zur Seite gestellt. "SOLA" steht auch für "School of Leadership, Afghanistan".

Ein Schulweg voller Gefahren 

Wie wichtig Solidarität und Ausbildung sind, hat Shabana Basij-Rasikh selbst erlebt. Sie ist sechs Jahre alt, als die Taliban 1996 zum ersten Mal die Macht übernehmen und Mädchen aus allen Schulen verbannen. Geheime Klassenräume entstehen in Küchen und Kellern. Hausfrauen werden zu Lehrerinnen. Shabana besucht heimlich mit ihrer Schwester eine dieser Schulen in Kabul.

Auch als das erste Taliban-Regime 2001 fällt und den Mädchen wieder offizieller Unterricht zusteht, bleibt dieser gefährlich. Mädchen riskieren auf dem Schulweg Übergriffe und Säureattacken.

Shabana ist ehrgeizig, wird zum Austausch in die USA eingeladen. Noch während sie in den Nullerjahren auf dem College in Vermont "International Studies and Women & Gender Studies" studiert, gründet sie "SOLA" und knüpft erste Netzwerke. Im März 2016, sie macht in Oxford gerade ihren Master in "Public Policy", beziehen die ersten 24 Siebtklässlerinnen in Kabul ihre Internatszimmer.

Die Nachfrage ist hoch 

Heute hat "SOLA" rund 100 Schülerinnen und wird als gemeinnützige Organisation komplett über Spenden finanziert, die Mädchen zahlen nichts. 2023 allein kamen fast 2000 Bewerbungen auf die 31 Plätze des nächsten Jahrgangs. Denn viele afghanische Familien suchen nach Bildungsmöglichkeiten für ihre Töchter. Die nehmen es auf sich, dafür schon in jungen Jahren von ihren Familien getrennt zu leben. Für alle, die keinen Schulplatz bekommen, hat Shabana 2024 "SOLA" gegründet, eine Online-Schule, die mit Smartphone und WhatsApp funktioniert. Aus den 14 000 afghanisch-stämmigen Online-Schülerinnen, die schon heute aus der Ferne lernen, soll in naher Zukunft eine halbe Million werden.

"SOLA" werde nie aufgeben, für afghanische Mädchen zu kämpfen, sagt Shabana Basij-Rasikh, aber die Welt dürfe nicht wegsehen, wie ihre Rechte beschnitten würden. Wenn sie dann erzählt, wie sie im August 2021 alle Papiere in Kabul verbrannt und die Schultür abgeschlossen hat, macht sie eine Pause, bevor sie sagt: "Wir haben das Licht angelassen, um unseren Weg zurück nach Hause zu finden."