Müttersterblichkeit: "Viele Fälle tauchen nicht in der Statistik auf"

Offiziell sterben in Deutschland jedes Jahr 25 bis 30 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. Nun hat eine Studie an der Berliner Charité ermittelt, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Wie ist das möglich?

Apr 9, 2025 - 11:56
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Müttersterblichkeit: "Viele Fälle tauchen nicht in der Statistik auf"

Offiziell sterben in Deutschland jedes Jahr 25 bis 30 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. Nun hat eine Studie an der Berliner Charité ermittelt, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Wie ist das möglich?

Dass es in Ländern mit schlechter medizinischer Versorgung ein Risiko ist, schwanger zu werden und Kinder zu gebären, ist traurige Gewissheit, auch wenn die weltweite Müttersterblichkeit in den letzten 25 Jahren gesunken ist. In Deutschland dagegen scheint sie konstant gering zu sein. Doch nun hat eine Studie der Oberärztin Josefine Königbauer an der Geburtsklinik der Berliner Charité herausgefunden, dass deutlich mehr Frauen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft sterben als offiziell bekannt. 

Warum werden nicht alle Fälle erfasst?

Weltweit verzeichnet die WHO rund 260.000 Fälle von Müttersterblichkeit pro Jahr, lediglich 25 bis 30 Fälle werden in Deutschland statistisch erfasst. Königbauer fand mit ihrem Team jedoch heraus, dass allein in Berlin im Untersuchungszeitraum mehr als doppelt so viele Mütter im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Geburt verstorben sind, wie im bisher bekannten bundesweiten Durchschnitt: Statt der offiziell erfassten 3,4 verstorbenen Frauen pro 100.000 Geburten kamen die Forschenden auf 9,1 verstorbene Frauen. "Wir haben die Vermutung, dass bundesweit mütterliche Sterbefälle im Verborgenen bleiben", so Königbauer im "Spiegel".

Zu ihrem Ergebnis kamen die Forschenden, nachdem sie 2.316 Totenscheine von Frauen im gebärfähigen Alter ausgewertet hatten, die zwischen 2019 und 2022 in Berlin verstorben sind. Dabei entdeckten sie Fälle von Müttersterblichkeit, die gar nicht als solche identifiziert worden waren, da fast zwei Drittel der Totenscheine unvollständig ausgefüllt waren.  Bei einem Todesfall während einer Hausgeburt etwa war die Schwangerschaft auf dem Totenschein nicht vermerkt, sodass er nicht in die Statistik zur Müttersterblichkeit einging. Ein weiteres Problem ist, dass jedes Bundesland die Dokumentation anders handhabt – so wird gar nicht überall abgefragt, ob ein Todesfall im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft stehen könnte oder nicht. 

Viele Todesfälle wären offenbar vermeidbar

Bitter: Etwa 40 Prozent der untersuchten Fälle sollen laut Studie vermeidbar gewesen sein. Die Autor:innen kamen zu dem Schluss, dass acht der 19 untersuchten Fälle wohl hätten verhindert werden können. Königbauer forderte deshalb im "Bayerischen Rundfunk" (BR):  "Jeder Einzelfall ist ein schweres Schicksal, das wir dokumentieren müssen, um daraus zu lernen". Oft fehle bei den Kolleg:innen das Bewusstsein dafür, wie wichtig es sei, die Müttersterblichkeit sauber zu dokumentieren. Schon länger fordern Expert:innen auch ein bundesweites Zentralregister. 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Müttersterblichkeit als den Tod einer Frau im Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder der Geburt bis zu 42 Tage nach der Entbindung. Dabei gehören Blutungen und Infektionen weltweit zu den häufigsten Todesursachen.