Mit Baby zum Bewerbungsgespräch: "Wir können Kinder nicht immer bloß wegorganisieren"

Die eine kam mit Baby zum Bewerbungsgespräch, die andere stillte ihres im Bundestag – richtig so! Warum wir dringend mehr Sichtbarkeit von berufstätigen Müttern brauchen und aufhören sollten, Kinder im Jobkontext zu “kaschieren". 

Mär 27, 2025 - 15:00
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Mit Baby zum Bewerbungsgespräch: "Wir können Kinder nicht immer bloß wegorganisieren"

Die eine kam mit Baby zum Bewerbungsgespräch, die andere stillte ihres im Bundestag – richtig so! Warum wir dringend mehr Sichtbarkeit von berufstätigen Müttern brauchen und aufhören sollten, Kinder im Jobkontext zu “kaschieren". 

Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller (31) setzte diese Woche ein starkes Zeichen, als sie zur Abstimmung über das Billionen-Schuldenpaket ihr Baby mitbrachte. Parallel ging das TikTok-Video einer jungen Schweizerin viral, die ihr Baby ganz lässig zum Bewerbungsgespräch mitbrachte. Und alle berufstätigen Mütter nur so: Yeah! 

Wir können Kinder nicht immer bloß weg organisieren

Die Botschaft? Egal, ob Bewerbungsgespräch, Parlamentssitzung oder Dinnerparty: Wenn’s nicht anders geht, sollte ein Baby kein Hindernis sein, etwas Wichtiges wahrzunehmen. Unsere Kinder gehören zu uns. Wir können sie nicht immer nur weg organisieren, wenn sie unsere gewohnten Abläufe "stören". Schließlich sind sie unser wichtigstes To-Do auf der Liste. Das dürfen und müssen künftige Arbeitgebende gerne wissen. 

Mom-Shaming: "Da sind die Probleme vorprogrammiert“

Leider scheint das bei vielen nicht ganz angekommen zu sein. Denn statt die junge Genz-Z-Mom Laura (25) dafür zu feiern, dass sie es normalisiert, auch mit Baby alle beruflichen Chancen wahrzunehmen, hagelte es gehässige und vollkommen weltfremde Kommentare: "Absolutes No-Go", "Da sind die Probleme vorprogrammiert", "Wie soll das erst werden, wenn du mal arbeitest?“

Was hätte sie denn tun sollen? Absagen? Wenn der Vater nicht da ist und die Großeltern weit weg wohnen, bleibt oft niemand, bei dem man mal eben guten Gewissens einen Säugling parken kann. 

Unternehmen feiert selbstbewusste Mutter öffentlich 

Das musste sie auch gar nicht. Für das Unternehmen "Zeam", bei dem sie sich beworben hatte, war es völlig in Ordnung, dass sie ihr Baby mitbrachte. Co-Founder Yaël Meier auf viaLinked In: "Unser Team hatte ihr vorab gesagt: Bring dein Baby ruhig mit. Vor Ort haben sich Kolleg:innen ums Kind gekümmert – damit Laura sich voll auf das Interview konzentrieren konnte.“ Es solle selbstverständlich sein, Mütter beim Wiedereinstieg zu unterstützen. Man müsse verstehen, dass nicht alle dieselben Ressourcen haben und dass Eltern improvisieren müssen, wenn Pläne platzen. 

Es stimmt: Eine (alleinerziehende) Mutter ist nicht dafür verantwortlich, ihr Privatleben so zu organisieren, dass sie arbeiten kann. Vielmehr müssen Politik und Unternehmen daran mitwirken, dass gleiche Chancen für alle herrschen – durch familienfreundlichere Unternehmensstrukturen, Equal Pay und bessere (kostenlose) Ganztagsbetreuung. 
Aber: Damit sich was ändert, müssen Mütter sichtbarer im beruflichen Kontext werden. Deshalb war der Auftritt von Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller stillend im Bundestag auch so wichtig! 

Unsere Welt muss familienfreundlicher werden 

Bitte nicht falsch verstehen: Die meisten Eltern finden es nicht toll, wenn sie ihr Kind mit zur Arbeit bringen müssen. Aber: Wenn es nicht anders geht - warum nicht? Auch Hanna Steinmüller hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Mutterschutz so früh zu Ende sein würde und sie sich nach dem Ampelcrash im Eiltempo auf den Wahlkampf würde vorbereiten müssen.

Am Dienstag stillte sie ihren kleinen Sohn in den Pausen, weil Kinder im Sitzungssaal verboten sind. Sobald es im Plenum weiterging, musste Papa ran. Sogar der Büroleiter soll einmal eingesprungen sein. Na, bitte – geht doch! Ob die Politikerin auch in Zukunft alles haben kann und ihr Mann weiterhin seinen (Groß-)Anteil an Care-Arbeit leisten wird, bleibt abzuwarten. 

Nur sieben Prozent der Väter arbeiten in Teilzeit 

Meistens sind wir Frauen es, die ihre Karriere opfern. Aktuell arbeiten 60 Prozent der Mütter in Teilzeit, aber nur sieben Prozent der Väter. Die Folge: Mütter werden im Bewerbungsprozess oft aussortiert, weil sie "nur" in Teilzeit arbeiten können oder ihnen familienunfreundliche Arbeitgebende von vornherein unterstellen, sie würden weniger schaffen, weil ihr Kind ständig krank ist. 
Dabei ist wissenschaftlich längst bewiesen, dass Mütter nach ihrer Rückkehr in den Job oft überdurchschnittlich produktiv sind, weil sie ein hervorragendes Zeitmanagement habe und es gewohnt sind, täglich mit mehreren Aufgaben gleichzeitig zu jonglieren (was ich nur bestätigen kann). 

Mütter, hört auf eure Kinder zu verleugnen! 

Ich erinnere mich noch gut daran, als ich zum Vorstellungsgespräch für diesen Job eingeladen wurde – superkurzfristig. Ich war noch in Elternzeit, mein Mann arbeiten, die Großeltern verhindert. Nie im Leben hätte ich mir den Termin entgehen lassen, also überlegte auch ich, mein Baby mitzunehmen. Warum mein Kind verstecken und nicht lieber selbstbewusst und offen mit dem allgegenwärtigen Vereinbarkeitsstruggle umgehen? Gleichzeitig hatte auch ich ein bisschen Angst vor möglichen negativen Auswirkungen  – was übrigens völlig unbegründet war, wie mir meine Chefin später versicherte. Letztlich kam ich trotzdem ohne Kind. 

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es kein Aufreger oder Wow-Moment mehr ist, wenn eine Frau ihr Kind mal mit zum Bewerbungsgespräch oder zur Arbeit bringt, sondern Normalität. Denn: Jaaa, auch viele Mütter von kleinen Babys müssen oder wollen (viel) arbeiten.