Merle Frohms: Von der Weltspitze aufs Abstellgleis

Schon wieder Nummer zwei: Nachdem Merle Frohms im vergangenen Sommer bei der Nationalelf zur Ersatzkeeperin degradiert wurde, ereilt sie nun das gleiche Schicksal beim VfL Wolfsburg. Ist ihre Karriere vorbei?

Mär 29, 2025 - 14:04
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Merle Frohms: Von der Weltspitze aufs Abstellgleis

Alexia Putellas tritt an: Die spanische Kapitänin nimmt Anlauf, schießt in die untere rechte Ecke, aber Ann-Kathrin Berger kann den Ball abwehren. Sekunden später erfolgt der Schlusspfiff! Die deutsche Nationalelf kann den 1:0-Sieg trotz des spanischen Elfmeters in der Nachspielzeit ins Ziel retten. Damit steht fest: Die DFB-Frauen schlagen die amtierenden Weltmeisterinnen aus Spanien und holen Bronze bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Nur eine Nebenrolle spielte dabei, wie auch das ganze Turnier über, Merle Frohms. Die Nationaltorhüterin war nach mehreren Jahren als klare Nummer eins nur der Ersatz für Berger und musste von der Bank aus mit ansehen, wie ihre Teamkollegin und Konkurrentin im Tor den Deutschen die Medaille sicherte. Während des Turniers hielt sich Frohms bedeckt, doch ihr Rücktritt aus der Nationalelf nur wenige Wochen später ließ viele Fragen offen.

Als Frohms im September 2024 ihren Rücktritt aus dem Nationalteam verkündete, waren nicht nur die Fans, sondern auch die Verantwortlichen beim DFB überrascht bis enttäuscht. „Ich hätte sehr gerne mit Merle gearbeitet und habe ihr das auch in einem persönlichen Gespräch deutlich gemacht“, zitiert die Mitteilung des Verbandes den Nationaltrainer Christian Wück. „Auf dem Platz werde ich mich künftig mit ganzer Kraft und vollem Fokus dem VfL Wolfsburg widmen“, wird die Torfrau in derselben Meldung zitiert.

Plötzlich auch in Wolfsburg nur noch Ersatz

Doch der Fokus auf den VfL Wolfsburg zahlte sich nicht aus. Ihr letztes Spiel für die Wölfinnen bestritt sie vor der Winterpause am 14. Dezember vergangenen Jahres gegen Werder Bremen. Seitdem ist sie hinter der 24-jährigen Anneke Borbe nur noch Ersatzfrau. „Anneke Borbe hat sich hier im letzten halben Jahr toll entwickelt“, begründete VfL-Trainer Tommy Stroot den Wechsel im Tor. Konkret nannte er die Strafraumbeherrschung als Argument für Borbe: „Aufgrund ihrer Körpergröße (Redaktion: Borbe ist 1,80 Meter und damit 5 Zentimeter größer als Frohms) und wie sie in die Bälle reingeht.“

Der Zeitpunkt der Degradierung Anfang Februar ließ Gerüchte aufkommen, die Entscheidung des Trainers sei nicht sportlich, sondern strategisch motiviert. Denn nur gut eine Woche vorher hatte der VfL Wolfsburg verkündet, dass die frühere Nationaltorhüterin ihren Vertrag auf eigenen Wunsch nicht verlängern werde. Diesen Spekulationen widersprach Wolfsburg-Trainer Stroot auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln, nur wenige Tage nach der Verkündung seiner Entscheidung. Er betonte, dass es diesbezüglich keinerlei Zusammenhang gebe: „Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht aus Emotionen heraus entscheide.“

Doch die Zweifel bleiben. Borbe war bis zu ihrer Beförderung lange Zeit hinter Lisa Schmitz nur die Nummer drei im Wolfsburger Tor. In der Bundesliga stand sie bis Dezember 2024 nur einmal im Spieltagskader. Völlig überraschend rief Trainer Stroot im Trainingslager in Portugal den Zweikampf um den Platz zwischen den Pfosten aus. Merle Frohms hatte ihm dazu allerdings keinen Grund gegeben. Ihre Leistungen in der laufenden Saison waren nicht überragend, aber solide. Stroot selbst sagte wenige Tage nach Frohms’ Degradierung: „Wir werfen ihr gar nichts vor.“

Wenn die Leistungen Frohms’ selbst nach Ansicht des Trainers keinen Anlass für Experimente gaben, wie kam es dann zu der Entscheidung gegen sie und für Borbe? Stroot geriet nach dem ersten Ligaeinsatz seiner neuen Nummer eins regelrecht ins Schwärmen: „Anneke hat eine souveräne Leistung gezeigt.“ Im Februar schien die Erzählung von Borbes positiver Entwicklung als Grund noch nachvollziehbar. Ihre Beförderung konnte als Teil eines langfristigen Plans verstanden werden, sie zur Nachfolgerin Frohms’ aufzubauen.

Stroot hat nichts zu gewinnen

Nur wenige Wochen später verkündete der VfL Wolfsburg jedoch die Verpflichtung der Frankfurter Torhüterin Stina Johannes. Die macht in der Pressemitteilung direkt klar, dass sie als Stammkeeperin kommen werde: „Für mich ist es deshalb gleichzeitig ein Privileg und eine Herausforderung, künftig Wolfsburgs Nummer eins zu sein.“ Borbe scheint im Sommer also wieder ins zweite Glied rücken zu müssen – ihre Zeit als Stammtorhüterin ist nur ein kurzes Intermezzo.

Umso mehr stellt sich die Frage, was sich Stroot von der Degradierung der bisherigen Stammkeeperin Frohms erhofft. In jedem Fall kann er nichts gewinnen, außer er hält Frohms für deutlich schlechter als Borbe. Doch würde ein Festhalten Frohms wirklich die Saisonziele gefährden? Lohnt sich die eigen verschuldete Unruhe? In jedem Fall steht fest: Sollte Borbe bis Saisonende überragende Leistungen zeigen, muss er erklären, warum im Sommer Johannes als neue Nummer eins kommt. Sollte Borbe im weiteren Saisonverlauf schwächeln, werden Wolfsburger Anhang und Umfeld zu Recht fragen, wieso er die etablierte Torfrau Frohms aus dem Kasten nahm.

Déjà-vu für Frohms

Für Merle Frohms ist die Situation einfach nur bitter. Denn es ist die zweite Degradierung innerhalb von gut sechs Monaten. Erst im Juli 2024 wurde sie vom damaligen Bundestrainer Horst Hrubesch vor den Olympischen Spielen durch Ann-Kathrin Berger ersetzt. Dabei war Frohms zuvor jahrelang unangefochtene Stammtorhüterin des DFB und glänzte unter anderem bei der EM 2022 in England. Auch dank ihr erreichte die DFB-Elf das Finale. Trotzdem rief Hrubesch vor Olympia in Paris einen offenen Zweikampf zwischen der bisherigen Stammtorhüterin und ihrer vier Jahre älteren Herausforderin Berger aus. In den letzten Spielen vor dem Turnier konnte Berger überzeugen, während Frohms patzte. Hrubeschs Entscheidung für Berger war umstritten, doch sportlich sollte sie sich auszahlen. Die neue deutsche Torhüterin beeindruckte sowohl im Spiel um Bronze als auch schon zuvor im Viertelfinale gegen Kanada.

Im Gespräch mit dem Kicker Ende 2024 betonte Frohms, sie könne in der Sache die Wahl des Trainers pro Berger verstehen. Auf der zwischenmenschlichen Ebene übte sie jedoch Kritik an Hrubeschs Kommunikation: „Da hätte ich mir einfach mehr Transparenz gewünscht, mehr Austausch.“ Frohms beteuerte in dem Gespräch, dass ihre Entscheidung, aus dem Nationalteam zurückzutreten, bereits vor dem Olympiaturnier und ihrer Degradierung gefallen war. Eine gewisse Kränkung über den Umgang des Nationaltrainers mit ihr, war ihr dennoch anzumerken. So antwortete sie auf die Frage, wann sie wusste, dass sie nicht spielen werde: „Ich hatte mich darauf eingestellt, dass ich Olympia nicht spielen werde. Definitiv war es nicht, weil es nicht kommuniziert wurde.“

Neuanfang in England?

Stichwort Kommunikation: Noch ist nichts offiziell, doch die Spatzen pfeifen bereits von den Dächern, dass Frohms im Sommer in die englische Women’s Super League wechseln wird. Die beiden Topklubs aus Manchester sollen Interesse zeigen. Dort könnte die 30-Jährige noch mal allen beweisen, dass sie noch lange nicht fertig hat. In England werden die Fans vor allem an ihre Paraden in Wembley denken – damals im EM-Finale 2022 – und nicht an ihre Degradierung in Wolfsburg.