Künstliche Intelligenz: Aktie steigt um fast 400 Prozent – wird Palantir das neue Nvidia?
Die Aktie des Datenanalyse-Spezialisten eilt von einem Rekordhoch zum nächsten. Besonders die Nähe von Palantir zur US-Regierung euphorisiert Anleger. Doch Analysten warnen eindringlich

Die Aktie des Datenanalyse-Spezialisten eilt von einem Rekordhoch zum nächsten. Besonders die Nähe von Palantir zur US-Regierung euphorisiert Anleger. Doch Analysten warnen eindringlich
Gäbe es eine Weltmeisterschaft der Trump-Trades – Palantir würde sie wohl problemlos gewinnen. Kaum eine Aktie hat seit der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump so massiv vom wirtschaftspolitischen Momentum profitiert. Der Kurs des Datenanalyse-Spezialisten hat sich seit November mehr als verdoppelt, auf 1-Jahressicht schauen Anleger auf ein Plus von fast 400 Prozent zurück.
Zur Einordnung: Nicht einmal der Chiphersteller Nvidia, der angetrieben vom KI-Boom zeitweise Apple und Microsoft als wertvollstes Unternehmen der Welt überholt hatte, verzeichnete einen derart starken Wertzuwachs. Momentan wird die Palantir-Aktie mit dem 340-fachen des für 2025 erwarteten Gewinns bewertet. Das entspricht rund 250 Mrd. Dollar, also mehr als Siemens und doppelt so hoch wie die Allianz. Nicht wenige Beobachter fragen sich: wird Palantir das neue Nvidia? Oder droht der Hype bald zu zerplatzen?
Irrwitzig hohe Bewertung
Für die Euphorie unter Anlegern gibt es im Wesentlichen drei Gründe. Erstens konnte Palantir zuletzt wiederholt mit starken Zahlen glänzen. Im abgelaufenen vierten Quartal verzeichnete das Unternehmen einen Kundenzuwachs von 43 Prozent, in diesem Zeitraum habe der Umsatz 827,5 Mio. Dollar betragen – ein Drittel mehr als im Vorjahresquartal, teilte das Unternehmen vergangene Woche mit.
Zwar ging der Gewinn mit 79 Mio. Dollar im Vergleich zum Vorjahr leicht zurück. Analysten hatten jedoch mit deutlich weniger Gewinn gerechnet. Wichtig ist allerdings, dass dieser Gewinn vor allem durch Zinseinnahmen getrieben ist. Das operative Ergebnis betrug gerade einmal 11 Mio. Dollar. Weil Palantir aber auf enorm hohen Cash-Reserven sitzt, erhält es daraus allein 59 Mio. Dollar.
In einer negativen Lesart zahlen Anleger also eine 340-fache Bewertung auf Palantirs Bankkonto. Auch operativ machte das Unternehmen zuletzt wenig Fortschritte. Der operative Hebel, also die Frage, ob die Kosten langsamer wachsen als der Ertrag, war im vergangenen Quartal negativ. Die operativen Ausgaben stiegen im Schnitt um 35 Prozent, während der Rohertrag nur um 26 Prozent gewachsen ist.
Gold glänzt, während das Unvorstellbare vorstellbar wird
Überzeugt hat vor allem der Ausblick: für das erste Quartal erwartet Palantir einen Umsatz zwischen 858 und 862 Millionen Dollar, also mindestens 35 Prozent mehr. Für das Geschäftsjahr 2025 gehen die Buchhalter indes von einem Umsatz bis zu 3,76 Mrd. Dollar aus. Auch das wäre im Jahresvergleich ein enormer Wachstumssprung.
„Ungebremste KI-Nachfrage“
Das Geschäftsmodell von Palantir liegt darin, große Datenmengen für Unternehmen und Regierungen auszuwerten und ihnen so zu helfen, daraus nützliche Erkenntnisse zu gewinnen – zum Beispiel, um Betrug aufzudecken oder Lieferketten zu optimieren. Künstliche Intelligenz spielt dabei nach Firmenangaben eine immer wichtigere Rolle, und ist der zweite Grund für die Kauflaune unter Anlegern: „Wir haben einen absoluten Volltreffer gelandet, angetrieben von einer ungebremsten KI-Nachfrage, die nicht nachlassen wird“, stellte Firmenchef Alex Karp bereits bei der vorherigen Telefonkonferenz im November fest.
Die kürzlich von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle könnten das Geschäft von Palantir mit Firmenkunden zusätzlich ankurbeln. Es wird erwartet, dass Unternehmen nun vermehrt auf Datenanalysen setzen, um ihre Lieferketten zu optimieren und Einfuhrkosten zu senken. Sollten darüber hinaus auch Europa und China weitere Zollmaßnahmen ergreifen, könnte Palantir dies ebenfalls helfen.
Drittens scheint auch die Nähe zur US-Regierung dem Unternehmen inzwischen eher als Vorteil ausgelegt zu werden. Kritiker hatten Palantir lange vorgeworfen, zu abhängig von Regierungsaufträgen – etwa für die Kriminalitätsbekämpfung – zu sein. Die Wiederwahl von Trump hat die Lesart aber offenbar verändert: „Palantir pflegt enge Beziehungen zur US-Führung, insbesondere über den Firmengründer Peter Thiel“, sagt Investor und KI-Experte Fabian Westerheide. Dadurch könne das Unternehmen bei Aufträgen bevorzugt werden. „Das erinnert sehr an die Bush-Jahre, als wirtschaftliche und politische Interessen auch eng verflochten waren“.
Baut Palantir den Musk-Chatbot?
Der große Trump-Push könnte für das Unternehmen indes erst noch folgen. Die Marktbeobachter von Morningstar etwa gehen in einer aktuellen Analyse von „potenziellem Rückenwind in der zweiten Jahreshälfte 2025“ aus und verweisen dazu auf das neue Department of Government Efficiency (DOGE), das den US-Regierungsapparat radikal verschlanken soll. Der vermehrte Einsatz von Software und künstlicher Intelligenz wäre dabei ganz im Sinne von DOGE-Chef Elon Musk.
Medienberichten zufolge plant ein Team um Musk bereits einen speziellen KI-Chatbot für Regierungsbeamte zu entwickeln. Diese sollen damit nicht nur Dokumente bearbeiten, sondern auch Kostenfallen etwa bei Regierungsverträgen schneller ausfindig machen können. Namen für langfristige Entwicklungspartner sind bislang zwar nicht öffentlich. Bei Palantir gibt man sich aber bereits hoffnungsvoll: Das DOGE sei eine „Revolution, die sich auf Dauer für Palantir auszahlen werde“, sagte Firmenchef Alex Karp in der Vorwoche gegenüber Analysten.
Bei Morningstar sieht man Palantir jedenfalls schon auf dem Weg zum Billionen-Unternehmen: Die jüngsten Quartalzahlen und die gute Position im Wettlauf mit künstlicher Intelligenz „untermauern unsere Erwartung, dass dieses Unternehmen der nächste Software-Magnat werden kann“, hieß es.
„In Europa wird es Palantir schwer haben“
Branchenexperte Fabian Westerheide teilt diese Analyse derweil nicht. „Palantir ist ein solide aufgestelltes Unternehmen, aber nicht vergleichbar mit den Möglichkeiten von KI-Überfliegern wie OpenAI“, sagt Westerheide. Den Grund sieht der Investor im Geschäftsmodell: Palantir müsse seine Software speziell an die Bedürfnisse von Behörden und Unternehmen anpassen. Es dauere oft Monate, bis ein neuer Kunde integriert sei. „Das Produkt lässt sich deshalb nicht so einfach auf Knopfdruck skalieren“.
Dazu sei fraglich, wie groß das Marktpotenzial vor allem im Ausland ist. „In Europa wird es Palantir schwer haben“, betont Westerheide mit Verweis auf Datenschutzbedenken: „Welche Behörde möchte schon eine US-Software einsetzen?“