Klimakrise: Extremwetter kosten 4,2 Billionen Dollar in 30 Jahren
Der Klimawandel kostet Geld und Menschenleben, unterstreicht eine neue Studie. Gleichzeitig wenden sich auch noch die USA vom Klimaschutz ab. Gibt es noch Hoffnung?

Der Klimawandel kostet Geld und Menschenleben, unterstreicht eine neue Studie. Gleichzeitig wenden sich auch noch die USA vom Klimaschutz ab. Gibt es noch Hoffnung?
Stürme, Hitzewellen, Hochwasser – Extremwetterereignisse, die durch den Klimawandel wahrscheinlicher werden, haben in den Jahren von 1993 bis 2022 weltweit inflationsbereinigt rund 4,2 Billionen US-Dollar an Schäden verursacht und fast 800.000 Menschen das Leben gekostet. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Klima-Risiko-Index“ der Umweltorganisation Germanwatch. Die Ergebnisse fallen in eine Zeit, in dem der Klimaschutz in den USA unter Beschuss steht und im deutschen Wahlkampf kaum eine Rolle spielt.
„Die Zerstörung von Lebensgrundlagen und Entwicklung wird zu einer Realität, in der diese extremen Wetterereignisse oft so schnell aufeinander folgen, dass sich die Menschen nicht mehr davon erholen können“, sagte Laura Schäfer, Leiterin des Bereichs Klimapolitik bei Germanwatch und eine der Autorinnen der Studie bei der Vorstellung am Mittwoch. „Die Länder müssen ihre Emissionen drastisch senken. Die Länder müssen dringend aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe aussteigen.“
Deutschland gehörte 2022 zu den 20 am stärksten betroffenen Ländern
Laut Studie war der Inselstaat Dominica im beobachteten Zeitraum am stärksten betroffen: Allein der Hurrikane Maria im Jahr 2017 habe Schäden in Höhe von 180 Mrd. US-Dollar angerichtet – fast das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts der Insel. Dahinter folgt China mit Verlusten um 706 Mrd. Dollar und mindestens 42.000 Todesopfern. Mit Spanien, Italien und Griechenland liegen auch drei EU-Staaten unter den am stärksten betroffenen Ländern.
Für Deutschland berechnet Germanwatch mehr als 18.000 Todesopfer in den Jahren von 1993 bis 2022, im Jahr 2022 gehörte die Bundesrepublik zu den 20 am stärksten betroffenen Ländern. Insgesamt seien in den 30 Jahren Schäden in Höhe von 127 Mrd. Dollar durch Extremwetterereignisse entstanden. Frühere Studien waren sogar auf noch höhere Kosten gekommen. Mehr als 570.000 Menschen waren laut Germanwatch betroffen, zum Beispiel weil sie in Stürmen oder Überschwemmungen Eigentum verloren oder Gesundheitsschäden davongetragen hätten.
Die Nichtregierungsorganisation berechnet den Index seit dem Jahr 2006 und fokussiert sich dabei auf die Todeszahlen und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Klimakrise. Gefördert wird die Studie unter anderem vom Außenministerium und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Die Datenbasis bilden die „International Disaster Database“ über Extremwetter und Daten des Internationalen Währungsfonds sowie der Weltbank. Allerdings müsse man die Ergebnisse in Relation setzen: Während es in Europa und der USA 636 Wetterstationen gäbe, seien es in Afrika nur 37 – die Region könnte also unterrepräsentiert sein.
„Die Daten für Deutschland unterstreichen, wie wichtig Maßnahmen auch hier sind“, sagte Schäfer, „Insbesondere die hohe Zahl von Todesopfern in Folge massiver Hitzewellen, aber auch die Folgen verheerender Hochwasserereignisse sind alarmierend.“
BIP könnte um bis zu 900 Mrd. Euro sinken
Dass die Klimakrise mehr Folgen als das Wetter hat, beschäftigt die Bundesregierung bereits seit einiger Zeit. Ebenfalls am Mittwoch stellten Außenministerium und Bundesnachrichtendienst (BND) die erste nationale interdisziplinäre Klima-Risikoeinschätzung vor. „Wer Klimaschutz schleifen lässt, bedroht die Existenzgrundlage von Menschen, ihren Wohlstand, unsere innere Stabilität in Deutschland und Europa und setzt die globale Sicherheit aufs Spiel“, sagt dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Kurz: Klimaschutz ist harte Sicherheits- und Geopolitik.“ Der BND zähle die Folgen der Klimakrise zu den fünf größten externen Bedrohungen der Bundesrepublik.
Und auch die ökonomischen Auswirkungen waren bereits Thema in den Ministerien. Allein die Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 hatte rund 40,5 Mrd. Euro an Schäden verursacht. Vor drei Jahren beauftragte das Wirtschaftsministerium eine Studie, um die zu erwartenden Folgekosten des Klimawandels für die Zukunft zu berechnen. Das Ergebnis: Je nachdem, wie schlimm die Extremwetterereignisse ausfallen, könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt bis 2050 zwischen 2080 um 910 Mrd. Euro sinken.
Der neuen Zahlen des Klima-Risiko-Index bestätigten diese Entwicklung, sagt Claudia Kemfert im Gespräch mit Capital. Die Wirtschaftswissenschaftlerin leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die volkswirtschaftlichen Schäden sind gigantisch und werden immer weiter zunehmen. Hinzu kommen aber noch viele weitere Aspekte, zum Beispiel, dass die Migration wegen der Klimakrise zunimmt“, sagt Kemfert. „Die Überschwemmungen in Spanien oder Italien, Dürren und Feuer in Los Angeles und auch die Hitzewellen und Trockenheit in Deutschland: Die Liste an Extremwetterereignissen wird immer länger und die neuen Zahlen reflektieren, dass wir in eine Hochrisikowelt hineinschlittern.“
Klimawandel im deutschen Wahlkampf
Dabei gab es lange die Hoffnung auf nachhaltiges, grünes Wachstum: Gerade in den USA sorgte der Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden dafür, dass sich bei den Erneuerbaren Energien und Elektroautos eine enorme Dynamik entfaltete. Nun gibt es aber die Kehrtwende: Unter Donald Trump herrscht die Devise „Drill, Baby, Drill“, Energie soll wieder aus fossilen Energien kommen. „Die USA sind eines der emissionsintensivsten Länder und ihr Weg, auf fossile Energien zu setzen wird den Klimawandel weiter anheizen“, sagt Kemfert. Weltweit werde das zu schwerwiegenden Klimaereignissen führen. „Wir werden schon jetzt das 1,5-Grad-Ziel voraussichtlich nicht einhalten können – das macht wirklich Sorge.“

© Janine Schmitz/
Die Abkehr vom Klimaschutz unter Donald Trump spielte auch bei der Pressekonferenz von Germanwatch eine Rolle. „Die Klimakrise ist nicht vorbei, nur weil jetzt ein Klimaleugner im Weißen Haus sitzt“, sagte Laura Schäfer mit Verweis auf den US-Präsidenten. „Die Staats- und Regierungschefs auf der Münchner Sicherheitskonferenz müssen daher Strategien entwickeln, wie diese von den USA hinterlassene Lücke so schnell wie möglich gefüllt werden kann.“ In der bayerischen Landeshauptstadt treffen sich am Wochenende zahlreiche Politiker und Staatschefs zur alljährlichen Konferenz.
Doch gerade die deutschen Politiker befinden sich im Wahlkampf und der Klimawandel kommt darin bisher kaum vor. Claudia Kemfert kritisiert das: „Es ist alarmierend, dass der Klimawandel im deutschen Wahlkampf so gut wie keine Rolle spielt. Wir sehen, dass auch Unternehmen im Klima große Risiken sehen. Dass das nicht angegangen wird, ist hochproblematisch.“ Dabei müsse die Politik schnellstens handeln, zu diesem Schluss kommen die Studienautoren von Germanwatch: Die nächste Bundesregierung müsse das Klimaanpassungsgesetz und die Klimaziele umsetzen, sowie gemeinsam mit den Ländern die Finanzierung sichern. „Dabei muss sich Deutschland sehr bewusst sein, dass seine Vorreiterrolle sichtbar ist und dass es in der Lage ist, auch weltweit politische und technologische Innovationen zu inspirieren“, sagte Schäfer.
Trotz der Entwicklungen in den USA und pessimistischen Zahlen in neuen Studien: Ganz aufgeben dürfe man die Hoffnung auf eine nachhaltige Wirtschaft nicht. „Der Klimaschutz bietet bei den erneuerbaren Energien, Elektromobilität oder Wasserstoff auch enorme wirtschaftliche Chancen“, sagt Kemfert. „Das sind Zukunftsbranchen, wo auch Arbeitsplätze entstehen.“ Aus den USA dürfe man zunächst nicht mehr viel erwarten – aber für Europa sei noch etwas drin.