Gender-Hobby-Gap : Warum werden typisch weibliche Hobbys oft abgewertet?
Yoga ist kein Sport. Häkeln kein Hobby. Und Fantasy Romane Zeitverschwendung. Unsere Autorin fragt sich, warum typisch weibliche Hobbys gesellschaftlich oft als weniger wertvoll angesehen werden.

Yoga ist kein Sport. Häkeln kein Hobby. Und Fantasy Romane Zeitverschwendung. Unsere Autorin fragt sich, warum typisch weibliche Hobbys gesellschaftlich oft als weniger wertvoll angesehen werden.
Ich beschäftige mich mit Mode, sagte meine Freundin zu dem Herrn Mitte 60 auf einem Event, wo sich die Leute mit Sekt und Vitaminwasser zuprosteten. Eine simple Antwort auf die Frage, was sie denn in ihrer Freizeit mache. Ich, direkt neben ihr, hielt unterbewusst die Luft an, weil ich auf einen abwertenden Kommentar oder zumindest ein Belächeln des besagten Hobbys wartete. Er tat – natürlich – genau, was ich vermutete.
Gibt es eine Gender-Hobby-Gap?
Dieses Gespräch hat mich zugegebenermaßen noch lange verfolgt. Dass der Mann negativ auf das Hobby Mode reagieren würde, hatte ich vermutet. Aber warum schämte ICH mich insgeheim dafür, in diesem Moment sogar für meine Freundin? Warum soll Mode kein valides Hobby sein, elf Menschen, die auf Kunstrasen einem Ball hinterherrennen, aber schon? Oder, noch besser: Menschen, die auf dem Sofa sitzend, mit einem kalten Bier in der Hand, diese anderen elf Menschen gebannt verfolgen? Wie hätte der Mann auf dem Event reagiert, wenn meine Freundin auf seine Frage mit "Fußball gucken" geantwortet hätte?
Fußball ist wohl DAS "Männer-Hobby" schlechthin (und ja: Es gibt auch Männer, die Fußball nichts abgewinnen können). Dennoch stelle ich mal die steile These auf, dass kein Mann sich für diese Art von Freizeitvergnügung schämen würde. Das bringt mich zur Frage: Werden Hobbys, die eher weiblich konnotiert sind – wie Mode, Handarbeit, Yoga oder Lesen – in unserer Gesellschaft als weniger wertvoll angesehen?
Das Hobby als Zugehörigkeit
Für viele Menschen ist ein Hobby etwas, über das sie sich definieren, manchmal auch profilieren. Denn wenn eine Person uns erzählt, dass sie in ihrer Freizeit für einen Triathlon trainiert, zeichnet das vermutlich ein anderes Bild, als wenn sie sagt, dass sie gerne Socken strickt. Ich benenne das mit Absicht so plakativ, weil letzteres vermutlich viele Menschen als "Frauen-Ding" bezeichnen würden. Im Vergleich zum Triathlon schneidet Socken stricken auf der Hobby-Coolness-Skala nicht so gut ab – zumindest wenn eine Frau dem nachgeht. Ein Mann, der Socken strickt, hätte vermutlich eine größere Chance auf Applaus, weil er dann ja ein ganz besonderes Exemplar wäre.
So ähnlich verläuft es sich auch mit dem Kochen, einer Aufgabe, die nach traditioneller Rollenverteilung immer noch eher den Frauen zufällt. Wenn Frauen kochen, dann oft, weil ihre Sozialisation ihnen eingebläut hat: Du kümmerst dich um Familie und Haushalt. Wenn der Mann in der Küche steht, den Herd zu bedienen weiß und neue Variationen ausprobiert, dann ist er der KOCH – und absolute Star im Haus! Ich kenne zumindest sehr wenige Frauen, die dafür gefeiert werden – oder sich gar selbst feiern, gut zu kochen.
Wir lernen also: Um wirklich herauszustechen, sollte sich Frau möglichst ein angesehenes Hobby, sprich, ein typisches "Männer-Hobby" suchen.
Mein Leben lang gehe ich Freizeitbeschäftigungen nach, die keinen Coolness-Faktor mitbringen. Ich lese viel, zeichne, häkle. Sport treibe ich zwar auch, vor allem Yoga und Laufen, aber eher, um fit zu bleiben und die Rückenschmerzen im Zaum zu halten. Mich als passionierte Läuferin darzustellen, würde mir nicht einfallen, obwohl ich es gern mache.
Hier schließt dich der Kreis. Da klassische "Frauen-Hobbys" gesellschaftlich eher abgewertet werden, sprechen folglich Frauen und Mädchen weniger über ihre Hobbys, insbesondere gegenüber Männern und älteren Menschen. Internalisierte Misogynie zeigt auch in diesem Bereich deutlich ihre Wirkung, was wiederum dazu führt, dass Frauen dazu neigen, ihre Hobbys entweder kleinzureden oder gar nicht als Hobby anzusehen.
Kreislaufwirtschaft Frauen-Hobbys
Laut einer Studie von "Freizeit-Monitor" haben Frauen außerdem weniger Zeit für Hobbys zur Verfügung als Männer, pro Tag sogar ganze 22 Minuten. Das könnte auf die traditionelle Rollenverteilung zurückzuführen sein, dass Frauen sich immer noch mehr um den Haushalt, die Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmern. Aus diesem Grund fehlt ihnen Zeit und auch die Energie für zeitaufwendige Freizeitaktivitäten, was wiederum ebenfalls zum Gender-Hobby-Gap beitragen könnte.
Hinzu kommt, dass solche codierten "Frauen-Hobbys", wie eben Handarbeit, Malerei oder Töpfern, nicht selten als Quellen unbezahlter Arbeit für Freund:innen und Familie herangezogen werden. Mal eben kostenlos fünf Hosen kürzen für den Kollegen oder ein Kostüm nähen für die Tochter der Freundin sind Dinge, die man bis zu einem gewissen Grad vielleicht gerne macht, aber wenn der ungemeine Aufwand und auch die monetären Kosten gar nicht gedankt werden, beginnt es doch, an eben dieser Großzügigkeit zu nagen. Das Phänomen ist derart weit verbreitet, dass sich Frauen auf Social Media zusammentun und anonymisierte Screenshots solcher Anfragen teilen, um Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.
Im Grunde sollte ein Hobby – egal ob männlich oder weiblich codiert – eine Beschäftigung sein, der Menschen als Ausgleich zum Alltag gerne nachgehen. Ein Hobby muss keinen Mehrwert haben oder möglichst produktiv sein. Vielmehr laden Hobbys doch dazu ein, den Optimierungs- und Produktivitätsgedanken, der in uns allen schlummert, einfach mal hinter uns zu lassen. Egal ob du Briefmarken sammelst, alle Taylor-Swift-Songtexte auswendig mitsingen kannst oder zu Hause Edelsteine züchtest, solange DU daran Spaß hast, ist das die Hauptsache. Deswegen lassen wir Hobby-Shaming auch ab sofort bitte bleiben!