Evolution: Wohin die Wellen sie trieben: Wie Leguane den Sprung über den Pazifik schafften

Wie haben es die Leguane von Amerika nach Fidschi geschafft – 8.000 Kilometer über den Pazifik? Eine neue Genanalyse gibt nun Aufschluss

Mär 18, 2025 - 13:46
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Evolution: Wohin die Wellen sie trieben: Wie Leguane den Sprung über den Pazifik schafften

Wie haben es die Leguane von Amerika nach Fidschi geschafft – 8.000 Kilometer über den Pazifik? Eine neue Genanalyse gibt nun Aufschluss

Die Reise galt als wagemutig, ja wahnwitzig: Mit seinem Floß "Kon-Tiki" brach Thor Heyerdahl 1947 von der peruanischen Pazifikküste auf, Richtung Westen, hinaus aufs offene Meer, um die knapp 7.000 Kilometer bis Ozeanien zu überwinden. Nach 101 Tagen Reise erreichte der norwegische Forscher das Tuamotu-Archipel. Und zeigte damit, dass eine Besiedelung Polynesiens von Südamerika aus mit einfachen Mitteln schon Jahrhunderte zuvor im Prinzip möglich war.   

Tatsächlich aber hatten Leguane wohl bereits lange vor Hayerdahl bewiesen, dass die Überfahrt gelingen kann. Einer neuen Studie
zufolge könnten sie die Fidschi-Inseln
von Nordamerika aus vor Millionen von Jahren besiedelt haben. 8.000
Kilometer weit seien sie auf Treibgut über den Pazifik gereist – die mit Abstand längste Reise
terrestrischer Wirbeltiere auf dem Meer. Das
rekonstruieren US-Forschende in den
"Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS") anhand einer Indizienkette.

Fast alle 45 Arten der Leguane (Iguanidae) sind nur in Amerika
verbreitet. Lediglich die vier Arten der Fidschileguane (Brachylophus)
leben im Südpazifik vor allem auf dem entlegenen Fidschi-Archipel, zu
dem Hunderte von Inseln zählen. Seit langem rätseln Fachleute, wann
und vor allem wie die Vorfahren der bis zu einem Meter langen grünen
Echsen dorthin gelangt sind.

Bislang standen dazu vor allem zwei Vorschläge im Raum: Entweder gelangten die Ahnen der Tiere mit Treibgut von Süd- oder Nordamerika
aus über den Pazifik, oder aber sie überquerten den Ozean im Laufe
der Zeit nach und nach per Inselhopping, eventuell von Amerika aus
oder etwa über Eurasien, Australien oder die Antarktis. "Für keine
der beiden Hypothesen gibt es starke Belege", schreibt die Gruppe um
Simon Scarpetta von der University of San Francisco in "PNAS".



Monatelange Reise auf Treibgut: für Leguane kein Problem



Die Forschenden gingen das Rätsel nun systematisch an: Zunächst
verglichen sie die Genome der Fidschileguane mit denen von 14 anderen
Leguan-Arten. Der Abgleich ergab, dass die nächsten lebenden
Verwandten aus der Gattung der Wüstenleguane (Dipsosaurus) stammen,
deren heutige beiden Vertreter in Mexiko und im Südwesten der USA
heimisch sind.

Weitere Analysen der genetischen Unterschiede deuten darauf hin, dass
sich beide Gruppen vor etwa 34 bis 31 Millionen Jahren voneinander
trennten. Das passe zur Entstehungsgeschichte der vulkanischen
Fidschi-Inseln, die wohl nicht allzu lange vorher entstanden seien,
schreibt das Team.

Ein männliches Exemplar der Fidschileguane: Vier verschiedene Leguanarten bevölkern heute die Fidschi- und Tonga-Inseln
Ein männliches Exemplar der Fidschileguane: Vier verschiedene Leguanarten bevölkern heute die Fidschi- und Tonga-Inseln
© USGS

Am besten erklären lasse sich die Verwandtschaftsbeziehung dadurch,
dass die Tiere damals von Nordamerika aus über den Ozean getriebenseien. Simulationen ergaben demnach, dass eine Reise von Südamerika
nach Polynesien mit der Meeresströmung etwa 80 bis 120 Tage dauere.
Selbst eine längere Treibgut-Reise von Nordamerika aus wäre für
heutige Wüstenleguane, die während ihrer Winterstarre von Oktober bis
März fasten, wohl kein Problem. 



Seien die Pflanzenfresser auf treibender Vegetation unterwegs
gewesen, hätten sie unterwegs mitunter sogar eine Futterquelle
gehabt. "Man kann sich eine Art Wirbelsturm vorstellen, der Bäume
umstürzte, auf denen es eine Gruppe von Leguanen gab, eventuell mit
ihren Eiern", sagte Scarpetta. "Und die trieben mit den
Ozeanströmungen rüber."

Auf einem Floß aus Pflanzen in die Karibik



Dass Landwirbeltiere Meere gequert haben, wird für einige Arten
angenommen. So sollen etwa die Vorfahren der in Amerika heimischen
Meerschweinchenverwandten (Caviomorpha) und auch die Ahnen der
Neuweltaffen (Platyrrhini) vor Millionen von Jahren von Afrika aus
den Atlantik auf Treibgut-Inseln überwunden haben. Diese Reisen wären
aber nicht annähernd so weit wie die nun vermutete Fahrt der Leguane
über den Pazifik.

Bereits vorher galt als gesichert, dass Leguane vom amerikanischen
Festland aus die Galápagos-Inseln – immerhin etwa 1.000 Kilometer vom
Festland entfernt – und auch die Karibik besiedelt haben.

Ein weibliches Exemplar der Fidschileguane: Ihre Vorfahren überquerten innerhalb der vergangenen 34 Millionen Jahre die 8000 Kilometer von der Westküste Nordamerikas
Ein weibliches Exemplar der Fidschileguane: Ihre Vorfahren überquerten innerhalb der vergangenen 34 Millionen Jahre die 8000 Kilometer von der Westküste Nordamerikas
© Robert Fisher, USGS

In einem
Fall wurden sie sogar in flagranti ertappt, wie die Forscher
berichten: Demnach landete 1995 eine Vegetationsmatte mit mindestens
15 Grünen Leguanen (Iguana iguana) auf der Karibikinsel Anguilla an,
wo diese Art bis dahin nicht vorkam. Das Treibgut stammte wohl von
der 300 Kilometer entfernten Insel Guadeloupe. Dies habe die
Fähigkeit der Tiere zu weiten Reisen in Echtzeit demonstriert, heißt
es in der Studie. 



Extremdistanz selbst für Leguane ein "unglaublicher Sonderfall"

"Unsere Analyse stützt die ozeanische Verbreitung von Brachylophus
von Nordamerika nach Fidschi, was das größte bekannte ozeanische
Verbreitungsereignis in der Geschichte terrestrischer Wirbeltiere
ist", schreibt die Gruppe. Generell scheine diese Art der Ausbreitung
gerade bei Leguanen bemerkenswert gängig zu sein: Von den derzeit 45
Arten lebten lediglich elf nicht auf Inseln, 28 davon seien auf Inseln
endemisch. Viele, eventuell sogar die meisten dieser Inseln hätten
wahrscheinlich nie Landbrücken zum Festland gehabt – müssten also
über das Meer erreicht worden sein. Aber selbst für Leguane sei die
nun skizzierte Extremdistanz ein "unglaublicher Sonderfall", notiert
das Forschungsteam.



Auf den entlegenen Inseln im Pazifik haben die Tiere wohl Millionen
von Jahren überlebt. Inzwischen führt die Weltnaturschutzunion (IUCN)
drei der vier Arten von Fidschileguanen auf ihrer Roten Liste als
"stark gefährdet", die vierte Spezies ist "vom Aussterben bedroht".
Als Ursachen gelten die Zerstörung der Lebensräume, der
Wildtierhandel und vor allem die Einführung anderer Tiere durch den
Menschen, etwa Ratten und Katzen.