Erste Liebe und Verhütung: "So lernte ich die Mutter seiner Freundin kennen"

Wenn der Sohn zum ersten Mal richtig verliebt ist, kommt die Mutter ins Schwitzen: Wie läuft das mit der Verhütung und wie spricht man es an, ohne dass es schräg wird?

Apr 7, 2025 - 18:07
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Erste Liebe und Verhütung: "So lernte ich die Mutter seiner Freundin kennen"

Wenn der Sohn zum ersten Mal richtig verliebt ist, kommt die Mutter ins Schwitzen: Wie läuft das mit der Verhütung und wie spricht man es an, ohne dass es schräg wird?

Schon klar, mein Sohn ist kein Kind mehr. Er trägt Bartschatten, Baggy-Pants, in denen locker noch drei seiner besten Freunde Platz hätten, und hält mir bei Hafermilch-Macchiato Vorträge über das Wesen des Kapitalismus. Aber wie groß er wirklich geworden ist, das wurde mir erst richtig klar, als eine Frau mich anrief, um mit mir über Verhütung zu sprechen. So lernte ich die Mutter seiner Freundin kennen.

Das Thema Verhütung im Wandel

Kurz wunderte ich mich: Das mit der Liebe war neu, die Frau und ich hatten uns noch nie gesehen, war das nicht ziemlich privat? Dann schämte ich mich für mich selbst. Verhütung als verklemmte Frauensache, das ist total 1987. Damals schickte mich meine Mutter zur Gynäkologin, Pille verschreiben lassen vor der Costa-Brava-Sause mit meinem ersten Freund. Der nahm das erfreut zur Kenntnis. Mehr Diskussion war nicht.

Aber diese diskrete Verfügbarkeit von Frauenkörpern passt nicht mehr in die Zeit. Mitverantwortung, das Wort sollte meinem Sohn geläufig sein. Schon vor ein paar Jahren haben wir ihn gegen Papillomaviren (HPV) impfen lassen, und dabei nicht nur an seine Gesundheit, sondern auch an eine spätere Liebespartnerin gedacht. Denn die Biester werden beim Sex übertragen und können Gebärmutterhalskrebs auslösen. Damals war die Vorstellung sehr abstrakt. Heute hat sie einen Namen.

Die gute Nachricht ist: Das Thema Verhütung hat sich gewandelt seit meinem Costa-Brava-Trip, ist individueller, selbstbestimmter, zugänglicher geworden. Mädchen und Frauen bis 22 werden gratis versorgt, die "Pille danach" für Notfälle gibt es für kleines Geld nach einem kurzen Beratungsgespräch in der Apotheke, rezeptfrei. Nur Kondome müssen nach wie vor selbst gezahlt werden. Dennoch haben sie laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Pille als meist verbreitete Methode abgelöst.

Von der Pille bis zur App

Denn Körperbewusstsein ist in, Hormone out, jedenfalls bei einem Teil der jungen Frauen und Mädchen. So erzählt es die Gynäkologin Dorothee Struck, die 20 Jahre lang eine Praxis in Kiel betrieben und ein Buch zum Thema Verhütung geschrieben hat. "Man kann zwei Teams unterscheiden: Hier diejenigen, die bei der Liebe nicht über Verhütung nachdenken wollen und eher pragmatisch sind, mit Pille, oder kupferbasiert, also Spirale, Kette oder Ball. Dort die, die sich gern intensiv mit dem eigenen Körper beschäftigen. Die setzen eher auf natürliche Methoden, oft kombiniert mit Kondom."

Beide Haltungen haben ihre Berechtigung, findet Struck, schwierig sei eher die Vehemenz, mit der sie sich zum Teil gegenüberstünden. Auf Social Media ist die Rede von "Pillenscham". Dagegen boomt die Femtech-Branche, Apps und Geräte versprechen, den eigenen Zyklus und die fruchtbaren Tage im Griff zu haben. Das funktioniert aber nur zuverlässig, wenn sie mehrere Merkmale kombinieren, etwa Zyklusdauer, Temperatur, Zervixschleim. Und wenn der Zyklus einen festen Rhythmus hat. Das wiederum ist bei jungen Mädchen nicht immer so, etwa, wenn sie erst spät ihre erste Periode hatten. Muss man aber wissen.

Aufklärung ist gut, Vertrauen ist besser 

Das Beispiel zeigt: Zwar sind Teenager heute insgesamt gut aufgeklärt, durch Elternhaus, Schule, oder TikTok-Kanäle wie @marieeejoann oder @doc.volker. Und Jungen halten das Thema auch von sich aus nicht für Gedöns, so hört man es von Gynäkolog:innen und aus der Beratung. Doch neben der medizinischen und fachlichen Begleitung braucht es für den Liebesstart auch vertrautere Sparringspartner:innen. Dorothee Struck rät: "Nicht übergriffig werden, aber immer wieder Gesprächsangebote machen, nachfragen: Fühlt ihr euch sicher, ausreichend informiert, könnt ihr bei dem Thema gut miteinander reden? Beim Thema Apps können Jungen bei der Recherche helfen: Welche Tools schneiden in Tests und Bewertungen gut ab, welche nicht?"

Die Rolle der Eltern: Wer spricht mit wem?

Merve Kessler, Ärztin im Hamburger Team von „"Pro Familia", rät zu Klarheit plus Zutrauen. "Selbstbestimmtheit ist zentral für Heranwachsende, und Eltern können vermitteln: Das Thema ist uns wichtig, wir können dich bei der Entscheidung unterstützen, aber wir vertrauen dir auch. Sie können Ihrem Sohn ein Angebot machen: Möchtest du mit mir darüber sprechen oder lieber mit einer neutralen Person, zum Beispiel in einer Beratungsstelle?" Wichtig sei auch, Ängste und mögliche Pannen vorwegzunehmen: "Geht doch etwas schief, suchen wir gemeinsam nach Lösungen."

Und der Vater – wäre so ein Gespräch nicht eigentlich ein Job von Mann zu Mann? Kessler findet: Nicht das Geschlecht ist entscheidend, eher die Beziehung. "Hilfreich ist, was sich richtig anfühlt. Aber wenn Sie als Mutter mit Ihrem Sohn sprechen, dann erweitert das auch seine Perspektive. Genauso wie Väter mit Töchtern ganz selbstverständlich über Themen wie Verhütung oder Menstruation reden sollten."

"Gute Aussichten für die Liebe"

Seitdem ich besser Bescheid weiß, fühle mich sicherer geschützt. Und das Gespräch? Einfacher als gedacht, und beruhigend. Mein Sohn und seine Freundin wissen sehr genau, was sie tun, sie moppeln doppelt. Das ist fair, und da geht noch mehr: Verschiedene Initiativen machen sich stark für geschlechtergerechtere Verhütung. Jana Pfenning und Rita Maglio starteten 2021 die Petition "betterbirthcontrol", für bessere Aufklärung, gratis Versorgung für alle und mehr Forschung. Insbesondere zu Methoden für Männer. "Frauen sind immer noch zu sehr in der Verantwortung, und tragen immer noch die höheren Kosten", sagt Jana Pfenning, "das wollen wir ändern." In kürzester Zeit sammelten sie über 100 000 Unterschriften und werden von den Jugendorganisationen aller demokratischen Parteien unterstützt, Forschungsgelder in Millionenhöhe sind bewilligt. Gute Aussichten für die Liebe. Ob die Mutter der Freundin meines Sohnes das schon gehört hat? Ich weiß ja, wie ich sie erreichen kann.

Vier gewinnt: Wie Teenager heute verhüten

Hormonell: Klassisch mit Pille (besser östrogenhaltig als Mini-pille), lokal mit Vaginalring.

Kupferbasiert: Kupfer tötet Spermien ab, als Spirale oder Kupferkette in der Gebärmutter.

Barrieremethoden: Richtig angewendet schützen Kondome zuverlässig, am besten in Kombi mit anderen Methoden. Diaphragma? Lieber nicht: schwieriger anzuwenden, passt oft nicht richtig.

Natürlich: Eisprung-Monitoring klappt, aber nur bei regelmäßigem Zyklus. Empfehlenswerte App: "Ovolution". An fruchtbaren Tagen braucht es Zusatzschutz.