Doge: "Er glaubt, er sollte die Welt beherrschen": Das steckt hinter Musks Radikalkurs
Mit seiner Spar-Behörde Doge legt Elon Musk an der US-Regierung die Axt an. Vertraute sind darüber nicht verwundert: Musk sieht sich als Weltenretter.

Mit seiner Spar-Behörde Doge legt Elon Musk an der US-Regierung die Axt an. Vertraute sind darüber nicht verwundert: Musk sieht sich als Weltenretter.
Keine ist vor ihm sicher: Seit Donald Trumps Amtsantritt fährt sein Berater Elon Musk quasi mit dem Bulldozer durch die US-Behörden – vorbei an Gesetzen, Vorgaben und der Legislative. Das Vorgehen erinnert dabei wohl nicht zufällig an den Umgang des Milliardärs mit Twitter. Und sagt nebenbei viel über Musks Sicht auf sich selbst und seinen Platz in der Welt aus.
"Elon glaubt, er sollte Weltherrscher sein und das ist seine Art, den Leuten zu beweisen, dass er das könnte", zitiert "Vanity Fair" einen anonymen langjährigen Vertrauten Musks. "Er ist wirklich davon überzeugt, dass seine Art, mit der Welt umzugehen, die für alle beste Lösung ist." Die Erfolge seiner Firmen im Bereich der Elektroautos, der Raumfahrt, aber auch bei Twitter sehe Musk als Beleg dafür.
Interview Bobby Kogan - Wie will Musk sparen. 8.30
Elon Musk: Immer nach vorne
Diese Hybris war lange Zeit eine von Musks großen Stärken. Ob bei der Elektromobilität oder der Raumfahrt: Musk ließ sich nicht von Dogmen oder Zweifeln an der Machbarkeit aufhalten und machte einfach erstmal. Der Erfolg gab ihm hier tatsächlich oft recht: Tesla brachte maßgeblich die Trendwende weg vom Verbrennermotor in Schwung, SpaceX veränderte mit seinen wieder landenden Raketen den Blick auf Ressourcenverschwendung im All. Möglich wurde das nur, weil sich Musk selbst durch oft berechtigte Zweifel nicht von seiner Vision abbringen ließ. Und einfach weitermachte.
Dieses Mindset lässt sich nun auch bei seinem Umgang mit der US-Bürokratie beobachten. Musk ist überzeugt davon, dass sich der Verwaltungsapparat vor allem um sich selbst dreht und dabei Unmengen an Geld verschwendet. Zwei Billionen Dollar will er mit Doge im Jahr einsparen – auch wenn ihm die Experten davon abraten (hier erfahren Sie mehr). Also prescht er wie gewohnt an ihnen vorbei und geht direkt, schnell und radikal an die Arbeit. Auch wenn das Risiko eines kollabierenden Verwaltungsapparates ungleich höher ist, als etwa bei SpaceX den Crash einer einzelnen Rakete zu riskieren.
Twitter als Vorbild – oder als Warnung
Das Vorgehen in den Behörden erinnert stark an das bei der Übernahme von Twitter. Musk zieht mit einem kleinen Team in den Behörden ein, will die Mitarbeiterzahl und die Regulierungen radikal eindampfen. Wie bei Twitter müssen sich auch die Angestellten der betroffenen US-Behörden für ihre Arbeit rechtfertigen – oder es droht der Rauswurf. Und wie bei Twitter legt Musk ganz eigene Maßstäbe an bei der Bewertung dessen, was wichtig ist. Oder was eben auch wegkann.
Das Problem dabei: Während Musk die Übernahme von Twitter, das heute X heißt, als Erfolg feiert, gilt sie vielen anderen als Sinnbild des Scheiterns. Das hängt mit den unterschiedlichen Blickwinkeln zusammen. Für Effizienzfanatiker Musk sind die 90 Prozent entlassenen Mitarbeiter der Beweis, dass die Plattform auch mit weniger Angestellten funktioniert. Die quasi nicht mehr vorhandene Moderation sieht er als Sieg der Meinungsfreiheit gegen die vermeintliche Zensur unter der früheren Führung.
Aus einem anderen Blickwinkel sieht das sehr anders aus. X läuft technisch weniger stabil als vor einigen Jahren, die fehlende Moderation hat für eine Flut an rechtsextremistischen, antisemitischen und verbal ausfälligen Posts geführt. Viele Nutzer und – finanziell noch deutlich gewichtiger – auch viele Werbepartner haben dem Netzwerk den Rücken gekehrt. Dass Xs Wert auf nur noch ein knappes Zehntel des Kaufpreises geschätzt wird, ist ein klares Zeichen. Egal, wie sehr Musk es sich zum Erfolg reden möchte.
Behörden funktionieren anders
Diese Mischung aus Musks teils extrem vereinfachenden Ansichten und seiner Hybris könnte für die US-Verwaltung eine Katastrophe bedeuten. Musk scheint überzeugt zu sein, dass die Verwaltungsapparate Abermilliarden Dollar verschwenden – ohne Interesse daran zu haben, was hinter den einzelnen Maßnahmen und teils hochkomplexen Verwaltungsapparaten steckt.
Ein großer Teil der vermeintlichen Ineffizienzen ist etwa eine bewusste Entscheidung. Die Software, mit der die Finanzbehörde knapp sechs Billionen Dollar im Jahr verwaltet, ist aus IT-Sicht völlig verwaltet. Sie jetzt im Hauruck-Verfahren durch moderne Software zu ersetzen, wurde aber bewusst vermieden – weil ein Ausfall des Systems für den Staat, die Bevölkerung und auch sicherheitsrelevante Bereiche wie das Militär nicht abschätzbare Folgen hätte. Die von Musk beklagte Ineffizienz wird deshalb in Kauf genommen – weil die Stabilität und Zuverlässigkeit der Systeme als wichtiger gesehen wird.
Wo sind die Experten?
Auch eine Rolle dürfte spielen, dass Musk bei den Behörden einen wichtigen Teil seines Erfolgsrezeptes für Tesla und SpaceX vergisst: Während er in den beiden Zukunftsfirmen die Besten der Besten anheuern konnte, um die Zukunft zu prägen, setzt er bei Doge auf Freiwillige, die vor allem aus der Softwareentwicklung stammen. Das noch sehr junge Team mag in seinem Bereich erfolgreich sein – dem erst 24-jährigen Luke Farritor gelang etwa letztes Jahr ein Durchbruch bei der Entschlüsselung der sogenannten Herculaneum-Rollen (hier erfahren Sie mehr) –, Erfahrung oder Fachwissen im Verwaltungsbereich haben sie aber nicht.
Auch wichtige Sicherheitsvorgaben missachtet Musk. Obwohl sie auf die sensibelsten Staatsdaten Zugriff haben, sollen die Doge-Mitarbeiter nicht ausreichend für Sicherheitsfreigaben geprüft worden sein. Einer der Mitarbeiter wurde bei einem früheren Arbeitgeber gar gefeuert – weil er Firmengeheimnisse weiterverkauft hatte.
"Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Individuen die Expertise haben, die rechtlichen und administrativen Notwendigkeiten dieser Behörden zu verstehen", klagt deshalb Rechtsprofessor Nick Bednar gegenüber "Wired" über Musks teils blutjunge Truppe an Ingenieuren, die nun über die Zukunft der Behörden entscheiden sollen. "Ich mache mir Sorgen, dass ihre Interessen nicht mit denen der amerikanischen Öffentlichkeit oder der Bundesregierung in Einklang stehen könnten."
Musks eigene Interessen
Das kann man allerdings auch Musk unterstellen. Wegen seines teils rücksichtslosen Vorgehens rasselte er immer wieder mit den Behörden zusammen. Sei es wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen für Arbeiter in seinen Fabriken, Verstößen gegen Umweltauflagen oder Problemen mit der Sicherheit des Selbstfahr-Modus seiner Teslas: Immer wieder untersuchten Behörden Verstöße von Musks Firmen gegen Auflagen und Vorschriften.
Dass Musk sich vermehrt für einen schlankeren Staat einsetzt, klingt aus diesem Blickwinkel plötzlich deutlich eigennütziger. "Vorschriften sollten standardmäßig nicht existieren", verkündete er etwa letztes Jahr. Zwei Probleme weniger hat er durch sein Vorpreschen bereits. Die Verkehrssicherheitsbehörde FAA untersucht seit Jahren einen mysteriösen Fehler, durch den Dutzende selbstfahrende Teslas ungebremst in geparkte Rettungswagen krachten (hier erfahren Sie mehr). Die Entwicklungsbehörde USAID untersuchte den Einsatz von Starlink-Satellitensystemen im Ukraine-Krieg. Beide Behörden wurden von Musks Team gerade abgewickelt.
Quellen:Variety, Salon, Wired, New York Times