Die Messenger-Debatte ist kaputt
Es ist fast schon ein Naturgesetz des Internets: Sobald man öffentlich über Messenger spricht – sei es über Sicherheit, Verschlüsselung, Dezentralität oder Datenschutz – dauert es keine fünf Minuten, bis sich die üblichen Verdächtigen melden. Trolle, Besserwisser, oberflächlich Informierte und Verschwörungstheoretiker kriechen aus ihren Ecken und verkünden mit größter Selbstgewissheit ihren Unsinn. Obwohl ich nun […]

Es ist fast schon ein Naturgesetz des Internets: Sobald man öffentlich über Messenger spricht – sei es über Sicherheit, Verschlüsselung, Dezentralität oder Datenschutz – dauert es keine fünf Minuten, bis sich die üblichen Verdächtigen melden. Trolle, Besserwisser, oberflächlich Informierte und Verschwörungstheoretiker kriechen aus ihren Ecken und verkünden mit größter Selbstgewissheit ihren Unsinn.
Obwohl ich nun seit Jahren blogge, lese, recherchiere und mich intensiv mit digitaler Kommunikation befasse, bin ich immer wieder aufs Neue fassungslos, wie absurd hitzig und faktenfrei dieses Thema diskutiert wird. Die Menge an Falschinformationen, Mythen und ideologischen Grabenkämpfen ist schlicht erschütternd.
Besonders auffällig ist das Schwarz-Weiß-Denken. Differenzierte Bewertungen? Fehlanzeige. Entweder ein Messenger ist das einzig Wahre – oder komplett unbrauchbar. Wer versucht, Vor- und Nachteile nüchtern abzuwägen, wird wahlweise als naiv, gekauft oder Teil einer dunklen Verschwörung abgestempelt.
Da gibt es auf der einen Seite die technisch Unbedarften, die WhatsApp mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gleichsetzen und glauben, Metadaten seien ein esoterisches Randthema. Auf der anderen Seite stehen die Digital-Heiligen, für die nur vollständig dezentrale, möglichst obskure Lösungen moralisch akzeptabel sind – und alles andere ist automatisch »böse« oder »Mainstream-Verrat«.
Diese Menschen erheben ihre Vorlieben zu Dogmen und erklären jede Abweichung zur Sünde. Sie leben in einem Paralleluniversum, in dem UX, Reichweite oder tatsächliche Alltagstauglichkeit keine Rolle spielen. Wer dann noch wagt, realistische Einschätzungen zu treffen oder Kompromisse abzuwägen, wird direkt zur feindlichen Fraktion gezählt.
Und dazwischen? Ein weites Feld an Menschen, die Orientierung suchen – aber stattdessen auf Shitstorms, Halbwissen und Arroganz stoßen. Wer heute ernsthaft wissen will, welcher Messenger geeignet ist, muss sich durch ein Minenfeld aus Ideologien und Fehlinformationen bewegen. Die Diskussionen unter entsprechenden Blogposts, Videos oder in sozialen Netzwerken sind oft das Gegenteil von hilfreich – sie sind abschreckend.
Dabei ist die Realität doch simpel – aber eben nicht einfach: Es gibt nicht den einen wahren Messenger. Aus gutem Grund empfehle ich unterschiedliche Tools für unterschiedliche Bedürfnisse: Signal und Threema für normale Nutzer, Matrix und XMPP für Menschen mit starkem Autonomiebedürfnis, und Briar für Aktivistinnen und politisch Verfolgte.
Diese Einordnung ist keine finale Wahrheit, sondern eine pragmatische Orientierung. Aber wehe, man schreibt öffentlich z.B. etwas Positives über Signal – dann tauchen sie wieder auf, die üblichen Verdächtigen. Mit ihrem Halbwissen, ihren Lieblingsmythen und dem tiefen Bedürfnis, sich überlegen zu fühlen.
Und sie schrecken nicht davor zurück, persönlich zu werden. Wer sich nicht ihrem Weltbild anschließt, ist Teil des Problems. Die Kommunikation über Kommunikation ist zu einem Schlachtfeld geworden, in dem es längst nicht mehr um Inhalte, sondern um Egos geht.
Technik alleine macht noch keinen guten Messenger. Genauso wenig wie Ideologie. Es braucht auch Kontextverständnis, realistische Einschätzung der Bedrohungslage, Zielgruppenverständnis – und manchmal schlicht: Pragmatismus. Genau das aber ist in den üblichen Debatten unerwünscht. Alles muss entweder perfekt sein oder kann weg.
Es ist ein toxisches Klima aus technischer Ignoranz, ideologischer Verbohrtheit und missionarischem Eifer. Dabei wäre eine offene, sachliche Debatte über sichere digitale Kommunikation wichtiger denn je. Aber das scheint im Social-Media-Zeitalter zu viel verlangt.
Vielleicht ist der eigentliche Skandal gar nicht die Unsicherheit vieler Messenger – sondern wie unfähig wir geworden sind, überhaupt noch differenziert über sie zu sprechen. Und manchmal denke ich mir: Vielleicht sollte man das alles einfach nur sammeln, dokumentieren – als Mahnmal. Damit künftige Generationen sehen, wie man es nicht macht.
So oder so – bis zum nächsten Messenger-Drama. Denn der nächste Beitrag kommt bestimmt. Und mit ihm die nächste Welle selbsternannter Experten.
Hinweis
Finde den passenden Messenger: Der Schnell-Check zu Sicherheit, Datenschutz und Bedienung zeigt, welche Messenger überzeugen und welche nicht.Aufgeben ist jedoch keine Option. Ich bleibe meiner Linie treu: fundiert, differenziert, praxisnah. Ich werde weiterhin über Messenger schreiben, einordnen, aufklären – trotz der Trollwellen, trotz der Schwarz-Weiß-Denker, trotz der Dauerempörten. Denn gerade in der digitalen Kommunikation braucht es mehr Verstand – nicht weniger.