Die Berliner Zeitung schreibt Energiewende-Bashing & übernimmt naiv alle Fehler

Das Wall Street Journal und die Berliner Zeitung, die das von ihr abschreibt, verbreiten die Behauptung, die deutsche Energiewende sei gescheitert – ein rein ideologisches Argument, das nicht nur die Fakten ignoriert, sondern auch die globalen Trends der Erneuerbaren Energien. In ihrem Eifer, die deutsche Energiewende zu kritisieren, setzen diese Medien auf selektive Argumente und […] The post Die Berliner Zeitung schreibt Energiewende-Bashing & übernimmt naiv alle Fehler appeared first on Volksverpetzer.

Mai 3, 2025 - 08:01
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Die Berliner Zeitung schreibt Energiewende-Bashing & übernimmt naiv alle Fehler

Das Wall Street Journal und die Berliner Zeitung, die das von ihr abschreibt, verbreiten die Behauptung, die deutsche Energiewende sei gescheitert – ein rein ideologisches Argument, das nicht nur die Fakten ignoriert, sondern auch die globalen Trends der Erneuerbaren Energien. In ihrem Eifer, die deutsche Energiewende zu kritisieren, setzen diese Medien auf selektive Argumente und ideologische Verzerrung, die die wahren Fortschritte in der Wind- und Solarenergie ausblenden. Doch die Realität zeigt: Schwankungen in der Stromerzeugung sind normal und kein Zeichen des Versagens. Dieser Faktencheck entlarvt die falschen Narrative und zeigt, warum die Kritik an der Energiewende mehr mit Ideologie als mit einer fundierten Analyse zu tun hat.

Gemessen daran, wie unglaublich effektiv Windkraft, Solarkraft und Batterietechnik bereits geworden sind und wie vorteilhaft sie für ein Land sind, das selbst kaum über Öl- und Gasvorkommen verfügt, wird unplausible Kritik daran irritierend gern verbreitet.

In diesem Fall schmiss sich die Berliner Zeitung für die Fossillobby in die Bresche, deren Führung Windkraft mutmaßlich schon allein durch ihre leider schon seit Jahren gepflegte Russland-Nähe blöd finden wird, denn die Erpressung durch ausbleibende russische Energielieferungen funktioniert durch sie naheliegenderweise immer schlechter.

Dass solch befangene Typen was gegen die Energiewende haben, liegt nahe, dennoch ist es irgendwie lustig, dass sie das nicht einfach selbst ausformulieren, sondern sich dazu an einen ziemlich kruden Kommentar aus dem Wall Street Journal dranhängen. Sollte eine deutsche Zeitung nicht besser einordnen können, wie es um die deutsche Energiewende bestellt ist als eine amerikanische?

„Experten aus dem Ausland“

Klar, hier soll sich mit „Experten aus dem Ausland“ geschmückt werden. Es wirkt leider dennoch so, als würde ein ohnehin schon mieser Sänger beim Karaoke kneifen und stattdessen seinen komplett erkälteten Cousin vorschicken, der zum Leidwesen aller Beteiligten eine grässliche, zur Unkenntlichkeit verzerrte Interpretation von Wonderwall ins Mikro krächzt:

Zunächst mal ist das halt nur EIN Kommentar in EINER Zeitung, die selbst in FAZ-Kreisen vielen eher konservativ erscheinen könnte. Laut dieser Studie ist das Wall Street Journal unter den bedeutenden US-Zeitungen die Zeitung, die am wenigsten über die Auswirkungen globaler Erwärmung berichtet und Klimaschutzmaßnahmen am negativsten bewertet.

Dass diese Zeitung an der deutschen Energiewende kein gutes Haar lässt, ist also ähnlich erwartbar, wie wenn Markus Söder angesichts eines veganen Burgers einen emotionalen Zusammenbruch durchlebt. Energieversorgung durch Windkraft mag vielen Angestellten in den New Yorker Redaktionsräumen genauso verrückt anmuten wie dieses neumodische Frauenwahlrecht und dass Siam jetzt auf einmal Thailand heißt, aber für ein Stimmungsbild „der Amerikaner“ ist das schon hartes Cherrypicking.

Zu den einzelnen Punkten:

1. Energiewende als angeblich „deutsches Problem“ – wirklich?

Der Subtext des Artikels suggeriert, dass der Ausbau der Erneuerbaren – insbesondere der Windkraft – eine deutsche Obsession sei. Doch das ist sachlich grob falsch: Der GLOBALE Kraftwerkszubau bestand laut Bloomberg NEF im Jahr 2023 bereits zu 91 Prozent aus Wind- und Solarkraft. Angesichts solcher Zahlen ist es befremdlich, dass ausgerechnet eine Wirtschaftszeitung diesen globalen Trend ignoriert und ihre Perspektive stattdessen allein auf Deutschland eingrenzt. Das wirkt weniger wie Analyse, mehr wie Ideologie.

Deutschland habe in den letzten 12 Monaten seit dem April 2024 noch mal 4,3 Gigawatt Windkraft installiert, wird dort extra hervorgehoben, so als sei das eine erstaunliche Besonderheit. Tatsächlich wurde weltweit das knapp 30-fache des deutschen Ausbaus installiert und das etwa 25-fache des Solarkraft-Zubaus.

So weit hätte das Wall Street Journal aber gar nicht denken müssen, ein Blick ins eigene Land hätte ihnen gezeigt, dass Windkraft weder was typisch deutsches, noch sonderlich ideologisch ist. So hat der US-Bundesstaat Iowa sich mit 56 Prozent der Stimmen für Donald Trump entschieden, während gewaltige 59 Prozent des Strommix in Iowa aus Windstrom stammen.

Es gab sicher auch Tage, an denen der Wind in Iowa schwächelte und stattdessen Kohle- und Gaskraftwerke hochfuhren. Dass hier dennoch niemand ein Problem damit hat, wird daran liegen, dass es sich schlicht lohnt.

2. Rückgang trotz Zubau: Warum schwankende Erträge nichts Ungewöhnliches sind

Der Artikel macht sich lustig über die Tatsache, dass trotz starkem Windkraft-Zubau die Stromerzeugung durch Wind im Quartalsvergleich gesunken ist. Nun schwanken die Erträge aus Wind- und Solarkraft von Jahr zu Jahr nun einmal. Es kann passieren, dass in einem Jahr trotz Zubau einen Rückgang des Ertrags gibt (wie auch 2021), oder aber auch den Fall wie im Jahr 2023, in dem es kaum Zubau gab, aber der Ertrag stark wuchs, schlicht, weil 2023 ein recht windiges Jahr war.

Die Schlussfolgerung, der Ausbau sei wegen weniger Windstrom Unsinn, ist so absurd, als würde eine Bäuerin in einem Jahr 10 Hektar mehr Weizen anbauen, dann ein Dürrejahr mit schlechter Ernte erleben und ich würde sagen „haha, voll dumm, die 10 Extra-Hektar Weizen-Feld!“. Dabei hätten wir ohne diese 10 Hektar noch weniger Getreide gehabt.

Wir reden hier außerdem nur von einem Quartal. Ob 2025 insgesamt ein windschwaches Jahr sein wird oder nicht, können wir am 01.01.2026 beurteilen.

3. Die Mär von der allgegenwärtigen Dunkelflaute

Die Behauptung, im gesamten ersten Quartal 2025 habe eine sogenannte „Dunkelflaute“ geherrscht, ist sachlich nicht haltbar. Es gibt für den Begriff ja nicht mal eine einheitliche Definition, aber selbst wenn: Es gab selbstverständlich auch im ersten Quartal 2025 Phasen mit niedriger Residuallast, in denen Wind und Sonne den Großteil der Stromnachfrage deckten.

Hinzu kommt: Das Wall Street Journal übersetzt Dunkelflaute mit „dark stillness“ – was eher nach der kreativen Wirkkraft Dieter Nuhrs klingt als nach einem meteorologischen Fachbegriff, bei dem Dunkelheit mit einer Windflaute zusammentrifft.

4. Erneuerbare allein? Niemand hat das je behauptet

Das Wall Street Journal verbreitet die These, dass „Erneuerbare alleine kein Industrieland versorgen können“. Das ist ein klassisches Strohmannargument. Kein ernst zu nehmender Akteur behauptet, dass man Windräder und Solarmodule einfach ohne Speicher oder Backup-Kapazitäten betreiben könne. Es gibt weltweit kein Land – und nicht einmal einen Landkreis – der so plant. Die Aussage ist daher irreführend und rein rhetorisch.

5. Subventionen: Wer im Glashaus sitzt …

Das Wall Street Journal warnt vor „mehr Subventionen“ für Erneuerbare. Interessant dabei: Als mögliche Alternative wird Atomkraft genannt – ohne Hinweis darauf, dass diese Technologie weltweit nirgends ohne staatliche Subventionen funktioniert. Allein die Versicherungsfrage macht private Investitionen nahezu unmöglich. Wer Subventionen kritisiert, aber Atomkraft als Lösung anbietet, argumentiert selektiv.

6. Wasserkraft und Dürren: kein starkes Argument

Der Verweis auf die unterdurchschnittliche Leistung der Wasserkraft aufgrund von Dürren ist ebenfalls schwach: Der Anteil der Wasserkraft am deutschen Strommix ist ziemlich gering, zudem bekommen gerade thermische Kraftwerke – also die angebliche Alternative – große Probleme, wenn ihnen das Wasser für ihre Kühlung fehlt bzw. Flüsse so wenig Wasser führen, dass der Nachschub mit Brennstoff stockt.

7. Keine Alternativen aufgezeigt

Der größte inhaltliche Mangel des Artikels: Er sagt nicht, was denn stattdessen geschehen soll. Ja, auch die Erneuerbaren haben ihre Schwächen und wir müssen die damit verbundenen Probleme lösen, aber wer so großspurig auf eine Technologie eindrischt, ohne auch nur den Hauch einer Alternative bietet, ist unglaubwürdig.

Welche Kraftwerke sollen denn die 1.000 bis 1.500 Terawattstunden im Jahr liefern, die Deutschland 2050 benötigt? Kohlekraft? Gaskraft? Subventionierte Atomkraft? Der Artikel bleibt dieser zentralen Antwort schuldig, damit wirkt die Kritik schal.

Fazit: Ideologische Polemik statt energiewirtschaftlicher Analyse

Der Beitrag des Wall Street Journal offenbart weniger eine Analyse der deutschen Energiewende als ein Misstrauen gegenüber allem, was nicht fossil oder atomar ist. Statt sachlicher Auseinandersetzung gibt es rhetorische Spitzen, Halbwahrheiten und suggestive Sprachbilder – aber keine konstruktive Alternative.

Bleibt nur die Frage: Wieso schreibt die Berliner Zeitung so einen kruden Text auch noch ab? Für ein bisschen „höhöhö, voll wenig Windkraft dieses Quartal“ reicht es, sich regelmäßig den deutschen Strommix anzusehen. Die genannten Talking Points sind gute Bekannte mittelmäßig kreativer Windkraft-Phobiker wie NZZ, WELT oder anderen im energiepolitischen Mittelalter gefangener Akteure. Ein von ChatGPT verfasster Text wäre unterhaltsamer und enthielte mutmaßlich auch weniger Fehler.

Wieso schreibt die Berliner Zeitung so einen kruden Text auch noch ab?

Sollte eine renommierte Tageszeitung einen so einfachen Zusammenhang nicht mit weniger Fehlern hinbekommen? Auch wenn es sich um eine Meinung handelt, sollten Zeitungen in einem Meinungsbeitrag nicht einfach Falschbehauptungen aufstellen. „Ich finde den Rhein ist hässlich, weil er durch Kiel fließt“ ist auch als Meinungsbeitrag schlechter Journalismus.

Und als wäre das noch nicht schlecht genug, schreibt die Berliner Zeitung das nicht mal richtig ab. Der deutsche Ökostrom-Anteil sei im ersten Quartal 2024 (!) drastisch eingebrochen. Kann irgendwer den Küchenkalender in der Redaktion auf das korrekte Jahr umblättern?

Aber viel wichtiger: Beide Zeitungen schaffen es nicht im Ansatz, eine Alternative zur Energiewende zu benennen. Das Wall Street Journal streut recht verschämt gegen Ende des Artikels das Wort Atomkraft ein, angesichts der eigenen Warnungen vor Dürren, wie gesagt, ein unglaubwürdiger Rat. Die USA sind das Land mit den mit Abstand meisten laufenden Kernreaktoren, die CO₂-Bilanz einer US-Kilowattstunde ist aber auf sehr ähnlichem Niveau wie eine Deutsche.

FAZIT: Wenig Kenntnisse von der Materie, aber viel Meinung bei der Berliner Zeitung

Die Berliner Zeitung hingegen wagt nicht mal das, sie hat sich komplett in der verbitterter-Typ-am-offenen-Fenster-Mentalität eingerichtet und findet einfach alles doof, was es nicht schon 1985 gab.

Gerade aus deutscher Sicht ist es doch reichlich naiv, einem den Republikanern nahestehendem Medium nach dem Mund zu reden, das an europäischer Energie-Autarkie nun wirklich kein Interesse haben dürfte. Aus deren Sicht ist es schon besser, wenn sich ausreichend Käufer für das ganze US-Fracking-Gas finden, sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks.

Das herbei geschriebene „Debakel“ ist schlicht wechselhaftes Wetter, das sowohl deutsche als auch US-amerikanische als auch vietnamesische oder kanadische Stromerträge beeinflusst. Windkraft war, ist und bleibt aber laut aktuellen Zahlen ein zentraler Pfeiler in der Energiepolitik dieser Länder und wird weiter ausgebaut.

Dass sich das Wall Street Journal angesichts der Zahlen die Finger in die Ohren steckt und laut vor sich hin singt, ändert daran nichts. Dass die Berliner Zeitung das alles treudoof übernimmt, ändert daran noch weniger.

Dieser Artikel erschien zuerst bei graslutscher.de. Artikelbild: canva.com, Screenshot

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