BRIGITTE-Buch der Woche: "Mickey und Arlo": Zwei Schwestern. Sieben Therapiestunden. Ein Problem.

Jede Woche kürt die BRIGITTE-Redaktion aus den aktuellen Neuerscheinungen auf dem deutschen Markt ein Lieblingsbuch. Diesmal hat uns "Mickey und Arlo" von Morgan Dick überzeugt.

Apr 28, 2025 - 18:26
 0
BRIGITTE-Buch der Woche: "Mickey und Arlo": Zwei Schwestern. Sieben Therapiestunden. Ein Problem.

Jede Woche kürt die BRIGITTE-Redaktion aus den aktuellen Neuerscheinungen auf dem deutschen Markt ein Lieblingsbuch. Diesmal hat uns "Mickey und Arlo" von Morgan Dick überzeugt.

Worum geht’s?

Als Mickey – Vorschullehrerin, Mitte 30, pleite, einsam, hochfunktionale Alkoholikerin – vom Tod ihres Vaters erfährt, ist ihre erste Reaktion: nichts. Der Mann war ein Phantom, ein egoistischer Trinker, der die Familie verließ, als Mickey noch ein Kind war. Zurück ließ er Schulden, eine traumatisierte Mutter und ein Mädchen, das heute immer noch in ihrer kaputten Kindheit feststeckt. Umso überraschender, dass er ihr fünfeinhalb Millionen Dollar hinterlassen hat! Der Haken: Mickey muss sieben Therapiesitzungen absolvieren – ein letzter Kontrollgriff aus dem Jenseits.

Mickey landet bei der Therapeutin Arlo – reich, abgebrüht, beziehungsgestört – und ahnt nicht, dass Arlo ihre Halbschwester ist. Auch Arlo weiß nichts von Mickeys Identität. Mit jeder Sitzung nähern sich die beiden nicht nur einander an, sondern auch der gemeinsamen Vergangenheit, die tiefer, schmerzhafter und absurder ist, als sie sich vorstellen können. Bis zur letzten Seite fiebert man mit: Kommt es zum Happy End oder zur Katastrophe zwischen den beiden? 

Wer wird dieses Buch lieben? 

Mickey und Arlo ist voll von absurden Momenten (auf der Beerdigung laufen Ed Sheeran  und ABBA), skurrilen Nebenfiguren (der selbsthassende, misogyne Anwalt, die gebotoxte Mutter, die aggressiv datende Vorschuldirektorin), und Dialogen, die zugleich komisch und tieftraurig sind.

Wer Leïla Slimani, Dolly Alderton oder Sally Rooney mag, wird das Romandebüt von Morgan Dick lieben – denn auch hier treffen emotionale Schräglage, typische Leiden von Millenials und gesellschaftlicher Tiefgang aufeinander. Morgan Dicks Debütroman Mickey und Arlo ist eine rasante Mischung aus Familiendrama, Therapie-Satire und Gesellschaftskritik – abwechselnd erzählt aus beiden Perspektiven, mit einem Auge für Situationskomik, und mit messerscharfen, oft popkulturell angehauchten Beobachtungen über kaputte Eltern, systemrelevante Mütter und verlorene Töchter. 

Auch wenn Mickey und Arlo oft laut, wütend oder zerstört wirken, bleiben sie durchweg nahbar. Ihre Fehler sind menschlich, ihre Wunden nachvollziehbar. Das Buch zeigt, wie unterschiedlich Menschen mit Einsamkeit umgehen: Mickey bemitleidet sich selbst, Arlo therapiert andere, um sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen.

Warum ist es unser BRIGITTE-Buch der Woche? 

Was Mickey und Arlo besonders macht, ist der mühelose Mix aus tiefer psychologischer Ernsthaftigkeit und popkulturellem Witz. Die Beerdigung des Vaters ist ein absurdes Spektakel, Mickeys Therapie-Sessions absurd-kurioses Kammerspiel: Arlos Beziehungstipps klingen manchmal wie aus einem schlechten Ratgeber-Podcast – und genau das macht den Reiz aus.

Was man daraus mitnimmt? Dass Heilung nicht immer linear verläuft. Und dass selbst die schrägste Familiengeschichte eine zweite Chance verdient. Vielleicht ist das Buch deshalb so gut, weil die Autorin selbst aus einer "großen, chaotischen Familie" stammt, wie sie in einem Interview verriet. 

Favorite Daughter, so der englische Originaltitel, bringt es auf den Punkt: Wir stehen automatisch auf der Seite der verlassenen Tochter, hoffen mit ihr, bangen um sie – und wünschen uns, dass sie nicht nur das Geld bekommt, sondern vor allem eines: sich selbst.