Zum Tod von Sportjournalist Claus Vetter: „Wir treffen uns bei Dir ums Eck!“

Gedanken zum Tod von Claus Vetter (1965 – 2025), 11FREUNDE-Autor und langjähriger Redakteur und Sportressortleiter beim Berliner „Tagesspiegel“.

Apr 28, 2025 - 16:14
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Zum Tod von Sportjournalist Claus Vetter: „Wir treffen uns bei Dir ums Eck!“

„Danke für die Scheibe, endlich mal wieder Vinyl. Höre ich mir die Tage an und wir treffen uns dann gern bei Dir ums Eck!“ Die letzte Nachricht von Claus Vetter klang nicht nach Abschied. Im Gegenteil, da schwang so ziemlich alles mit, was ihn in Bewegung hielt. Neugierde. Musik. Unter Leuten sein. Ein Mensch aus dem analogen Zeitalter, zweifellos.

Ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme, ihn so zu bewerten. Schließlich haben wir uns nur zwei Mal im Leben persönlich getroffen. Das letzte Mal an seinem 60. Geburtstag im Berliner „Schleusenkrug“, als ihm seine Kolleginnen und Kollegen einen Eishockeyschläger mit allen Autogrammen der „Eisbären“ schenkten, was Claus derart rührte, dass ihm fast die Tränen kamen. Wir kannten uns zwei Jahrzehnte lang nur vom Telefon. Seit der WM 2006 kooperierten 11FREUNDE und der „Tagesspiegel“ bei jedem großen Turnier miteinander. Claus koordinierte mit Kollegen die gemeinsame Beilage, die unsere Redaktionen produzierten, aufseiten der Berliner Zeitung. Ich lieferte viele Beträge zu und hatte ihn deshalb oft am Rohr. Anfangs erlebte ich ihn häufig als den latent gestressten Redakteur, der stetig mit Karacho auf den Abgabetermin zuschliddert. Doch nach einiger Zeit stellte ich fest, dass das leicht Hochtourige zum Habitus gehörte – und keineswegs negativ auszulegen war.

Ein warmherziger Charakter unter dem flachen Panzer norddeutscher Robustheit

In einer ruhigen Minute stellten wir fest, dass wir beide Oldenburger waren. Wenn es nicht um Fußball ging, redeten wir bald ausschließlich über Musik. Er kannte noch viele Clubs aus der alten Heimat, die „Alhambra“ in Oldenburg, den „Circus Musicus“ und das „Pil-Huhn“ in Lohne, die „Neue Heimat“ in Thülsfeld, das „Pogo“ in Cloppenburg. Vor seiner Zeit als Sportreporter beim „Tagesspiegel“, die 1996 mit dem ersten Text begann und für den er ab 2020 das Ressort leitete, war er mit Bands unterwegs gewesen. Nach seinem Umzug nach Berlin 1986 hatte er das verdienstvolle Fanzine „Niagara“ mitgegründet.

Es ging ihm, wie so vielen. Nach der verlängerten Jugend im Hedonismustempel der Wendezeit, der Mauerstadt Berlin, hatte irgendwann still und leise das richtige Leben begonnen. Olympische Spiele, Fußballturniere und sein geliebtes Eishockey waren nicht die schlechtesten aller Möglichkeiten, um sich ein bürgerliches Leben aufzubauen und gleichzeitig weiter unterwegs zu sein. Und da wir uns nun vermeintlich lange kannten, kamen wir nach dem Geschäftlichen schnell auf die wirklich wichtigen Dinge: die alten Musikergeschichten, die Besuche in Norddeutschland, die Malaisen mit der buckligen Verwandtschaft. Unter dem flachen Panzer norddeutscher Robustheit schlummerte ein warmherziger Charakter, der den wachsenden Herausforderungen des Mediengeschäfts mit einem fein austarierten Mix aus Ehrgeiz, Effizienz und Gelassenheit begegnete. Ganz klar, da war einer am Apparat, der kam von derselben Scholle.

Einer dieser Berliner Abende

Nach der WM in Katar 2022, die ich als Reporter vor Ort begleitete und bei der Claus in der Redaktion mein Ansprechpartner für die Beilage „11FREUNDE täglich“ war, vereinbarten wir, dass es nach 16 Jahren an der Zeit sei, sich persönlich zu treffen. Immer wieder musste einer von uns beiden verschieben, weil Termine dazwischenkamen. Aber Claus ließ nicht locker. Irgendwann trafen wir uns in Friedrichshain in einer Raucherbar mit großer Zapfbierauswahl (WhatsApp: „Klingt gut! Leider rauche ich ja auch ab und an. Also stört es mich nicht!“). Und es wurde einer dieser Berliner Abende, die wir beide inzwischen nur noch aus einer lang entfernten Vergangenheit kannten, als nicht der Gedanke an die Pflicht des nächsten Tages das Handeln bestimmte, sondern die Überzeugung, dass dieses Gespräch noch eine Verlängerung verdient – und damit noch ein weiteres Getränk.

Als uns der Wirt zu später Stunde hinauskomplimentierte, lud mich Claus spontan zu seiner Geburtstagsfeier ein. „Sollten wir öfter mal machen, gute Kneipe übrigens.“

Nie hätte ich geahnt, dass unser Treffen nach so vielen Jahren gleichzeitig das erste und vorletzte sein würde. Auf seiner Feier anlässlich des 60. Geburtstags sprachen wir im Trubel am Tresen kurz darüber, dass beim nächsten runden Geburtstag einige der Anwesenden nicht mehr dabei sein würden. Da sei Biologie leider ja sehr verlässlich. Seine Eltern waren vor nicht allzu langer Zeit gestorben. An einen von uns beiden dachten wir bei dem galgenhumorigen Flachs freilich nicht.

Nun ist Claus Vetter nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von nur 60 Jahren gestorben. Unsere Gedanken und unser tiefstes Mitgefühl gilt in diesen schmerzvollen Stunden seiner Familie, seinen Freunden und den Kolleginnen und Kollegen beim „Tagesspiegel“. Wir sollten uns alle viel öfter mal wieder ums Eck treffen!