Verhaltensforschung: Schimpansen nutzen Heilpflanzen gezielt zur Wundversorgung und pflegen Artgenossen
Immer wieder gibt es Berichte, dass Tiere Wunden gezielt versorgen. Nun listet eine Studie bei Schimpansen verschiedene Behandlungen auf – mit Parallelen zum Menschen

Immer wieder gibt es Berichte, dass Tiere Wunden gezielt versorgen. Nun listet eine Studie bei Schimpansen verschiedene Behandlungen auf – mit Parallelen zum Menschen
Schimpansen versorgen ihre Wunden zumindest teilweise mit Heilpflanzen. Dabei wenden sie deren Blätter nicht nur bei eigenen Blessuren an, sondern auch bei denen von anderen Schimpansen - und zwar auch von nicht verwandten Artgenossen. Zusätzlich nutzen die Menschenaffen anscheinend noch weitere Maßnahmen zur Bewahrung ihrer Gesundheit, wie ein internationales Forschungsteam im Fachblatt "Frontiers in Ecology and Evolution" berichtet.
Von Schimpansen gab es bereits Berichte, dass sie Wunden mit Pflanzen versorgten. Und vor einem Jahr sorgte ein deutsches Forschungsteam mit einer Studie aus Sumatra für Aufmerksamkeit, der zufolge ein Orang-Utan eine Wunde in seinem Gesicht aktiv mit einer Heilpflanze behandelt hat. Berichte zu Selbstbehandlungen gebe es auch von Großen Tümmlern, Zibetkatzen, Stachelschweinen und Braunbären, schreibt die Gruppe um Elodie Freymann von der Universität Oxford.
Die evolutionären Wurzeln von Medizin
Nun dokumentiert das Team, darunter auch Forschende aus Deutschland, nach eigenen Angaben erstmals umfassend, wie zwei Schimpansen-Gruppen im Budongo-Wald von Uganda Wunden behandeln und Körperpflege betreiben. "Unsere Forschung trägt dazu bei, die evolutionären Wurzeln von Medizin und Gesundheitsfürsorge bei Menschen zu beleuchten", wird Freymann in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. "Indem wir dokumentieren, wie Schimpansen Medizinpflanzen identifizieren und nutzen und Artgenossen pflegen, geben wir Einblick in die kognitiven und sozialen Grundlagen menschlicher Fürsorge."
Im Budongo-Schutzgebiet ging es vor allem um Wunden, die die Tiere aus Kämpfen entwickelt hatten und durch menschliche Fallen. Zur Wundversorgung beobachtete das Team
- das Ablecken von Wunden, möglicherweise um Splitter zu entfernen und Bakterien durch antimikrobielle Bestandteile im Speichel abzutöten
- Ablecken der Finger und dann Aufdrücken auf Wunde, möglicherweise zum Reinigen oder Sterilisieren
- Abtupfen von Wunden mit Blättern, möglicherweise um Schmutz zu entfernen
- Aufbringen von zerkautem Pflanzenmaterial auf Wunden
41 Fälle von Wundversorgung beobachtet
"Alle Schimpansen erholten sich von den Wunden", erläutert Freymann. "Aber wir wissen natürlich nicht, wie das Ergebnis ohne die Behandlung der Verletzungen gewesen wäre." Allerdings betont die Gruppe, dass zumindest einige der verwendeten Pflanzen antibakterielle, antifungale, schmerzlindernde oder entzündungshemmende Eigenschaften aufweisen. Dazu zählen etwa die Gattung Nesselblatt (Acalypha) und die Arten Pseudospondias microcarpa und Senna spectabilis, letztere werde auch von Menschen in der Region verwendet, um Wunden zu versorgen, heißt es.
Insgesamt beobachtete die Gruppe 41 Fälle von Wundversorgung - bei 34 davon behandelten die Betroffenen ihre Wunden selbst, bei den 7 übrigen wurden überwiegend Wunden anderer Tiere versorgt, die oft nicht verwandt waren.
Zerkaute Insekten auf Wunden
"Diese Verhaltensweisen unterstützen zusammen mit Belegen von anderen Orten, dass Schimpansen anscheinend das Bedürfnis oder Leiden bei anderen erkennen und bewusst Maßnahmen ergreifen, um dies zu lindern, selbst wenn sie davon keinen direkten genetischen Vorteil haben", erläuterte Freymann.
Das Team verweist noch auf eine weitere Behandlungsvariante, die bei anderen Schimpansengruppen beobachtet wurden. So werden etwa in Gabun zerkaute Insekten auf Wunden aufgebracht. Und ebenfalls gut dokumentiert sei bei Schimpansen in der Wildnis das Zerkauen und Essen von Blättern, was möglicherweise einer Wurmkur entspreche.
Reinigung der Genitalien nach der Paarung
Jenseits der reinen Wundversorgung beobachtete das Forschungsteam auffälliges Hygieneverhalten bei den beiden Sippen. So reinigten zehn Schimpansen - sowohl männliche als auch weibliche Tiere - nach der Paarung ihre Genitalien mit Pflanzenblättern. Und in einem Fall wischte sich ein Weibchen nach dem Stuhlgang den Hintern mit Blättern ab. Auch dies könne vor Infektionen schützen und somit der Gesundheit dienen, so Freymann.
Nun müsse man verstärkt auf solches Verhalten achten - und auch klären, welche pharmakologischen Eigenschaften die verwendeten Pflanzen besäßen. Zudem sei unklar, wie verbreitet Körperhygiene und Wundversorgung bei Schimpansen seien und ob das Verhalten sozial oder kulturell tradiert werde.