Psychologin erklärt: Warum fragt er nicht nach, wie es mir geht?

Wenn eine Person, von der wir es erwarten würden, keinerlei Interesse daran zeigt, wie es uns geht, kann das irritierend und verletzend sein. Warum fragt uns dieser Mensch nicht einmal? Psychologin Alexandra Zäuner hat uns einige mögliche Gründe genannt.

Apr 27, 2025 - 11:43
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Psychologin erklärt: Warum fragt er nicht nach, wie es mir geht?

Wenn eine Person, von der wir es erwarten würden, keinerlei Interesse daran zeigt, wie es uns geht, kann das irritierend und verletzend sein. Warum fragt uns dieser Mensch nicht einmal? Psychologin Alexandra Zäuner hat uns einige mögliche Gründe genannt.

"Wie geht's?" 

Unbedeutend und floskelhaft erschallt diese Frage in zahlreichen flüchtigen Alltagsbegegnungen. Kostbar und bedeutsam wird sie wiederum, wenn eine Vertrauensperson sie stellt. Deshalb kann es weh tun, wenn ein Mensch sie nicht stellt, von dem wir es erwarten. Vor einiger Zeit habe ich das mal wieder gemerkt.

In jener Zeit beschäftigten mich ein paar Themen. Ich zog ich mich deshalb etwas zurück, verhielt mich stiller als sonst. Zum Beispiel reagierte ich in WhatsApp-Gruppen weniger, ließ lautere Treffen eher mal aus. Meine engsten Freund:innen haben das schnell gemerkt und waren entsprechend schnell im Bilde. Ein Freund jedoch, von dem ich glaubte, wir stünden uns sehr nahe, hatte lange nicht die leiseste Ahnung, was bei mir los war: Weil er sich nicht ein Mal nach mir erkundigt hat. Obwohl wir Kontakt hatten, ich ihn fragte, wie es ihm geht, hat er sich nicht nach mir erkundigt. 

Interessiere ich ihn nicht? Bedeute ich ihm weniger als er mir? Das mit ihm zu klären, steht mir noch bevor. Was meine Enttäuschung und Verletzung aber schon vorab erheblich gelindert hat, ist ein Gespräch, das ich mit der Psychologin Alexandra Zäuner zu dem Thema geführt habe: Ihr zufolge können auch ganz andere Dinge dahinterstecken stecken, wenn eine Person kein Interesse an uns zeigt. 

6 mögliche Gründe, warum Menschen sich nicht nach dir erkundigen (obwohl sie dir nahestehen)

1. Keine Kapa: Sie sind zu sehr mit sich beschäftigt

"Wenn Menschen durch ihre eigenen Sorgen und ihr eigenes Leben gefordert sind, kann es sein, dass ihre Energie und Aufmerksamkeit nicht ausreichen, um auf das Befinden ihres Gegenüber einzugehen", sagt Alexandra Zäuner. Typisch sei, dass die betreffenden Personen in diesem Fall selbst viel von sich erzählen und versuchen loszuwerden, was sie beschäftigt. Manchmal ist das, was sie fordert, für Außenstehende aber auch nicht unbedingt offensichtlich: Wenn zum Beispiel kein außerordentlicher Stress oder besondere äußere Umstände bestehen, könnte eine generelle, unterschwellige Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation die Aufmerksamkeit gegenüber den Mitmenschen einschränken.

2. Modelllernen: Ihnen fehlt das Werkzeug

"Viele unserer Verhaltensweisen und Umgangsformen haben wir über Modelllernen erworben", sagt die Psychologin. Als Kinder haben wir beobachtet, was die Menschen um uns herum taten – insbesondere die Angehörigen unserer "Ursprungsfamilie", also unsere Eltern und Geschwister –, und es nachgemacht. "Wenn es in der Ursprungsfamilie nicht aktiv geübt worden ist, sich nach anderen Menschen zu erkundigen, kann es sein, dass eine Person das dann als Tool nicht mitgenommen hat in ihr Erwachsenenleben", so Alexandra Zäuner. Ob Konflikte austragen, über Gefühle sprechen oder auf andere eingehen: Was manche Menschen wie selbstverständlich intuitiv tun, kann jenen, die es als Kinder nicht gelernt haben, ihr Leben lang schwer fallen. Einige sehen dann auch nicht die unterschiedlichen Optionen, wie sie handeln könnten, und kommen deshalb von selbst gar nicht auf die Idee, sie als neue Verhaltensweisen zu kultivieren. 

3. Glaubenssätze: Sie denken, sie tun das Richtige

Psychologie: Alexandra Zäuner
Alexandra Zäuner ist Psychologische Psychotherapeutin, Business-Coachin und Autorin des Buches "Leise Stimmen - Wie Sie auf sich selbst hören und in Ihrem Leben zufriedener werden können". Sie arbeitet in ihrer eigenen Praxis und ist zudem in Unternehmen mit den Themen " Resilienz", "Psychische Gesundheit" und "Gesunde Führung" tätig. Mehr Infos unter www.pucm.de
© Alexandra Zäuner
Ob sie aus der Kindheit stammen oder später im Leben entstanden sind: Manchmal halten eine Person laut Alexandra Zäuner ihre Glaubenssätze davon ab, zu fragen, wie es jemand anderem geht. "Einige Menschen setzen zum Beispiel voraus, dass andere aktiv kommunizieren, wenn es ihnen nicht gut geht, und fragen deshalb selbst nicht weiter nach", sagt die Psychologin. Andere empfinden es als aufdringlich, als würden sie jemandem zu nahe treten, weil sie das Befinden als etwas sehr Intimes einordnen. Wenn die Glaubenssätze eine entscheidende Rolle spielen, sehen die betreffenden Personen oft gar nicht die Option, sich zu erkundigen. Und meinen es gut damit, dass sie es nicht tun.

4. Angst vor der Antwort: "Wer nichts tut, kann nichts falsch machen"

"Manchmal kann bei einer Person Unsicherheit dahinterstecken, dass sie nicht nachfragt, und Angst vor der Antwort", so die Psychologin. Einige Menschen fürchten, unangemessen zu reagieren, wenn sich ihnen eine andere Person mitteilt. Wenn sie womöglich sogar sagt, dass es ihr schlecht geht. Sie fürchten auch die Verantwortung, die sie damit verbunden sehen, die Verantwortung, sich zu kümmern und zu helfen. Dass zuzuhören und Interesse zu zeigen, ausreicht und meist sogar mehr wert ist als ein kluger Ratschlag, vergessen dabei viele. Deshalb halten sich einige an die Strategie, die Alexandra Zäuner so zusammenfasst: "Lieber nicht nachfragen, dann kann ich nicht falsch reagieren." 

5. Rollenverständnis: Sie sehen dich als unverwundbar

In einigen Fällen kann es an dem speziellen Bild liegen, das die Person von uns hat, die nicht auf uns eingeht, sagt die Psychologin. Wenn sie uns zum Beispiel als sehr starken, ausgeglichenen Menschen wahrnimmt, der typischerweise die Rolle innehat, für andere da zu sein und sich zu kümmern. Der typischerweise derjenige ist, der andere fragt, wie es ihnen geht, und selbst nicht gefragt werden muss.  

6. Sensibilität: Sie nehmen keinen Anlass wahr, zu fragen

"Wir sind Individuen und als solche nicht alle gleich", sagt Alexandra Zäuner. So seien manche Menschen hochsensibel, nähmen die subtilsten Signale und Veränderungen wahr, auf die sie reagieren. Anderen hingegen fallen nicht einmal Dinge auf, die für die meisten Leute offensichtlich sind. Wer wiederum keinen Anlass sieht, auf eine Person speziell einzugehen und sie nach ihrem Befinden zu fragen, müsste es schon routiniert oder gelernt tun – wodurch es eher den Status einer Floskel bekäme.

Menschen haben häufig Gründe, die nichts mit uns zu tun haben

"Grundsätzlich ist es immer wichtig, dass wir probieren, die Anteile der anderen Menschen bei ihnen zu lassen", sagt Alexandra Zäuner. Wenn ich zurückblicke auf meine Situation, in der sich besagter Freund nicht nach mir erkundigte, sehe ich, dass meine damalige Enttäuschung in hohem Maße daher rührte, dass ich das nicht getan habe. Wie sich mein Freund mir gegenüber verhielt, habe ich direkt auf mich und unsere Beziehung bezogen, anstatt ihm zuzugestehen, dass er ganz persönliche, individuelle Gründe haben kann, die nichts mit mir zu tun haben. Wenn ich wissen möchte, warum er nicht auf mein Stillsein reagiert hat, muss ich ihn fragen. "Unser Schlüssel zueinander ist die Kommunikation", sagt Alexandra Zäuner. Und Menschen unterscheiden sich eben auch darin, welche Türen sie öffnen möchten.