Pretty amazing

Vorweg noch einmal ein begeisterter Dank für die Zusendung von Lektüre – einmal „Verlust“ vom Soziologen Andreas Reckwitz, einmal Jen Gunter mit dem Menopause-Manifest, ein Wunsch der Herzdame. Vielleicht mag sie später etwas darüber schreiben, ich werde sie ab und zu schubsen. Ganz herzlichen Dank! *** „ich würde ja sogar in eine partei eintreten, müsste... Der Beitrag Pretty amazing erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Feb 16, 2025 - 08:31
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Pretty amazing

Vorweg noch einmal ein begeisterter Dank für die Zusendung von Lektüre – einmal „Verlust“ vom Soziologen Andreas Reckwitz, einmal Jen Gunter mit dem Menopause-Manifest, ein Wunsch der Herzdame. Vielleicht mag sie später etwas darüber schreiben, ich werde sie ab und zu schubsen. Ganz herzlichen Dank!

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„ich würde ja sogar in eine partei eintreten, müsste dann aber aus der gewerkschaft austreten, weil sich die beiträge dann doch zu einer summe stapeln, die mit meinem einkommen nur schwer vereinbar ist.“

Ich zitiere es beispielhaft, weil ähnliche Überlegungen viele umtreiben. Weil man nachdenkt, was zu tun ist, weil man es diesmal auch tut. In meinem Umfeld gab es gerade mehrere Parteieintritte, ich höre das mit großer Freude. Zu der Klima-Demo am Freitag kamen in Hamburg Tausende, damit hatte ich nicht gerechnet und lag angenehm falsch. Der Winter-CSD für die queeren Rechte war ebenfalls stark besucht. Das muss man auch alles sehen, zur Kenntnis nehmen und geistig im Fach „Positives und Progressives“ ablegen. Es ist wichtig, auch dabei mit Sorgfalt vorzugehen und möglichst viel mitzubekommen.

Und Mitte Februar ist vorbei, da haben wir dann auch schon mehrere Immerhin-Momente des Tages gefunden. That was easy!

Wir betreten in Kürze gemeinsam die KW 8, um es im alten Bürodeutsch zu sagen. Aus meinem Alltag ist diese Abkürzung in den letzten Jahren verschwunden, fast ausgestorben, das sagt niemand mehr. Aber KW 8, das klingt doch schon nach etwas. Da hat man bereits etwas geschafft. Oder hat es zumindest abgesessen. Was auch schon etwas ist, in diesen Zeiten! Wir wollen mit Lob nicht sparen, wir brauchen es doch.

Es waren, aber das gilt vielleicht nur für mich, seltsam unbelebte, theorielastige erste Wochen in diesem Jahr. Insofern, als es fast nur um Arbeit und um Nachrichten ging. Sehr viel Arbeit gab es, deutlich mehr als sonst, und anregende Arbeit war sogar dabei. Und daneben, drumherum und auch als Soundtrack die Nachrichtenlage. Hintergründe, Analysen, Reportagen und Ticker. Der intensive Wunsch, auf irgendeine Art mit dem Verständnis noch hinterherzukommen, geistig an Bord zu bleiben. Beides, die Nachrichten und die Arbeit, fanden selbstverständlich am Bildschirm statt, am Schreibtisch, drinnen.

Das Draußen, das Wetter, das restliche Leben, und auch so etwas wie Kino, Theater, Bekannte, Freunde etc. – alles war seltsam abgemeldet und aus dem Blickwinkel gerutscht. Fast vergessen war es zwischendurch. Sogar das nach wie vor tägliche Einkaufen habe ich manchmal kaum mitbekommen, da ich dabei dermaßen angestrengt über andere Dinge nachgedacht habe. Mehrfach bin ich am Abend beim Rekapitulieren des Tages etwas überrascht gewesen, dass ich eingekauft und gekocht habe, ohne es groß mitzubekommen. Ich war stark abgelenkt.

Beschwerden über das Essen gab es hier allerdings nicht. Nach fast 18 Jahren Familie kocht man Rahmspinat und dergleichen wohl auch auf Autopilot einigermaßen gelingsicher.

In der nächsten Woche, ich sehe es gerade in der Wetter-App, steigen die Temperaturen, wird es vermutlich zweistellig zugehen. Ab dem Freitag, wenn es programmgemäß läuft.  Da dann vielleicht anfangen, wieder mehr rauszugehen? Wieder öfter nachsehen, was da eigentlich so ist, vor dieser Tür. Und auch, wenn ich schon dabei bin, wie das vielleicht zu beschreiben ist.

Ja, mach nur einen Plan.

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Der große Freundeskreis Elizabeth Strout hat vielleicht auch etwas für ihre Kollegin Anne Tyler übrig, ich würde es einigermaßen naheliegend finden. Im Guardian gibt es eine lange Rezension ihres letzten Romans „Three days in June“, den es auch schon auf Deutsch gibt, Drei Tage im Juni. Im Artikel sehe ich ein schönes Zitat von Anne Tyler:

“It’s just that over and over again I am really struck by how ordinary people get through their day. Sometimes it almost strikes me as a sort of miracle. The mass of men lead lives of quiet desperation. People don’t have a lot to hope for in average lives and yet they make do, and on the whole they behave, they behave very well. That is pretty amazing.”

Da dürfen wir uns also alle angesprochen fühlen, die wir uns im Großen und Ganzen gut benehmen und einigermaßen klarkommen. Und wir können es auch bestätigen: It is pretty amazing, isn’t it.

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Garrett Graff fasst uns wieder in der Rolle des William Boot die Woche in den USA zusammen. Es kostet weiterhin Mühe, der Wirklichkeit hinterher zu kommen, da helfen solche Aufsätze. Und ich hoffe wirklich, er macht so weiter, ich finde die Reihe großartig.

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Das Folgende ist nur interessant, wenn Sie (noch) Neigung haben, dem Zeitgeschehen auf der grundsätzlichen, theoretischen und deutenden Ebene zu folgen. Wofür man auch erst einmal Zeit haben muss, ich weiß, siehe oben. In der Reihe „Sein und Streit“ beim Deutschlandfunk gibt es jedenfalls gerade eine Folge zur Politik der Disruption. Inklusive Begriffs- und Geschichtsklärung: Die Sehnsucht nach dem großen Bruch.

Ein Aufkleber an einem Laternenpfahl: Kein Hass

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