Neue Studie: Ist das Wetter schuld am Insektensterben? Forschende widersprechen

Eine Studie erklärte im Jahr 2023, der Insektenschwund sei eine Folge schlechter Wetterbedingungen. Nun widersprechen Fachleute. Und erneuern den Vorwurf gegen die Landwirtschaft

Mär 18, 2025 - 16:31
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Neue Studie: Ist das Wetter schuld am Insektensterben? Forschende widersprechen

Eine Studie erklärte im Jahr 2023, der Insektenschwund sei eine Folge schlechter Wetterbedingungen. Nun widersprechen Fachleute. Und erneuern den Vorwurf gegen die Landwirtschaft

Im September 2023 sorgte eine Studie der Universität Würzburg für Aufsehen. Wie die Autorinnen im renommierten Fachmagazin "Nature" schrieben, sollte am Insektensterben vor allem das Wetter schuld sein. Und nicht etwa Dünger und Pestizide der konventionellen Landwirtschaft. In der Presse wurde das Forschungsergebnis teilweise gefeiert. So schrieb das Fachmagazin "Top Agrar": "Krefelder Forscher hatten 2017 behauptet, die Landwirtschaft sei schuld am Rückgang der Insekten. Neue Untersuchungen zeigen, dass dafür stattdessen vielmehr das Wetter verantwortlich ist." In einer aufrüttelnden Studie aus dem Jahr 2017 hatten Krefelder Insektenforscher den Insektenrückgang in deutschen Naturschutzgebieten mit 76 Prozent im Verlauf von knapp drei Jahrzehnten beziffert.

Nun widersprechen Forschende der Würzburger Studie aus dem Jahr 2023: Die Insektenpopulationen gingen in deutschen Naturschutzgebieten seit Jahrzehnten zurück. Witterungsbedingungen seien aber nicht die Hauptursache – und sie führen auch nicht zu kurzfristigen Erholungen der Insektenbiomasse.

Die Studie der Universität Würzburg halte einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht Stand, so die Forschenden. Sie weise "erhebliche Mängel bei den gewählten Modellen, Methodiken und Standorten" auf, wie der Erstautor der aktuellen Studie, Prof. Dr. Hans de Kroon von der Radboud-Universität in Nijmegen, in einer Pressemitteilung erklärt. So so hätten die Autoren und Autorinnen der Würzburger Studie Proben aus künstlich angelegten Waldnischen entnommen, in denen natürlicherweise mehr Insekten vorkommen als in anderen Lebensräumen. Daraus lasse sich aber nicht schließen, dass sich die Insektenpopulation insgesamt erholt habe.

Würzburger Studie stand schon früh in der Kritik

Schon im Oktober, gleich nach Erscheinen der Würzburger Studie, hatten Fachleute kritisiert: Die Ergebnisse der Krefelder und der Würzburger Studie seien wegen unterschiedlicher Messarten und Regionen, in denen die Messungen durchgeführt wurden, nicht vergleichbar. Zudem sei der Titel der Studie irreführend: "Das Wetter erklärt den Rückgang und die Zunahme von Insekten-Biomasse über 34 Jahre". Den zugrundeliegenden Modellrechnungen zufolge erklären Dauerregen und Dürre nämlich nur 20 Prozent der Populationsveränderungen.

"Insektenpopulationen in deutschen Naturschutzgebieten zeigen je nach Datensatz entweder keine Erholung oder sogar eine weitere Abnahme", sagt Co-Autorin Professorin Gerlind Lehmann von der Humboldt-Universität zu Berlin, die unter anderem die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten untersucht.

Vorläufig bleibt es also dabei: Hauptursachen für den Rückgang zahlreicher Insektenarten sind der Verlust von Lebensräumen und die Verschlechterung der verbliebenen. Vor allem durch Gülle, Dünger und Pestzide – ebenso wie durch die Folgen der menschengemachten Klimaerwärmung. Aber auch Lichtverschmutzung und eingeschleppte, invasive Arten machen heimischen Insekten zu schaffen. Und in den meisten Fällen wird es eine Kombination aus allen genannten Stressfaktoren sein.

Einen Einfluss des Wetters wollen die Autoren der aktuellen Studie gleichwohl nicht ausschließen. Im Gegenteil: Man begrüße derartige Ansätze, seinen Einfluss weiter zu erforschen.