Meno-Pause: Hormontherapie ist doch böse, oder?
Ist die Hormonbehandlung wirklich so gefährlich? Oder viel besser als ihr Ruf? Andrea und Julia räumen in ihrer Kolumne "Meno-Pause" mit den Mythen auf.

Ist die Hormonbehandlung wirklich so gefährlich? Oder viel besser als ihr Ruf? Andrea und Julia räumen in ihrer Kolumne "Meno-Pause" mit den Mythen auf.
Seit der Schwangerschaft mit meiner zweiten Tochter bin ich weg von Hormonen. Stattdessen verhüte ich mit NFP und Kondom, weil ich die Pille schon nach meiner ersten Tochter nicht mehr so gut vertragen habe. Gleichzeitig wurde auch die Kritik an hormoneller Verhütung immer lauter und immer mehr Frauen entschieden sich, wie ich, dagegen. Das ist nun knapp 10 Jahre her. So lange schon messe ich jeden Morgen meine Temperatur, tracke Symptome und notiere Beobachtungen. Meinen Zyklus kenne ich in- und auswendig. Und das fühlt sich gut an. Gesund. Dass sich das mit den Wechseljahren wieder ändern könnte, weil vielleicht eine Hormontherapie nötig sein könnte, gefällt mir ganz und gar nicht. Schließlich habe ich Hormone als etwas Böses abgespeichert.
Andrea: Hormone sind bei vielen Frauen "out", das empfinde ich auch so. Dabei war die Hormontherapie das ganz große Ding, ein richtiger Gamechanger, als sie in den 1960er Jahren aufkam.
Julia: So lange gibt es die schon?
Andrea: Ja, ungefähr so lange wie die Antibabypille. Aber die absolute Hochphase hatte die Hormonersatztherapie in den 1990er Jahren. Zu der Zeit war es praktisch Standard, dass alle Frauen ab der Lebensmitte ganz selbstverständlich Hormone verschrieben bekamen. Ob sie Beschwerden hatten oder nicht.
Julia: Einfach prophylaktisch also?
Andrea: Na ja, eher, weil man weiß, dass fehlendes Östrogen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Osteoporose in Verbindung steht und dafür sorgt, dass Haut und Schleimhäute austrocknen. Der Hormonausgleich wurde deshalb als Jungbrunnen gegen alle möglichen Altersbeschwerden gefeiert.
Julia: Klingt für mich logisch. Wenn dem so ist, könnte ich dem Ganzen wohl doch einiges abgewinnen. Aber es klingt, als gäbe es da noch einen Haken.
Andrea: Ja und nein. Die Hormontherapie ist total sinnvoll, um Wechseljahresbeschwerden zu lindern, das steht außer Frage. Aber im Jahr 2002 musste die große WHI-Studie (Women's Health Initiative) vorzeitig nach fünf anstatt der geplanten neun Jahren abgebrochen werden. Die Verantwortlichen zogen den Stecker, nachdem sich gezeigt hatte, dass bei den Frauen, die Hormone bekamen, mehr Fälle von Brustkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall auftraten als bei der Kontrollgruppe, die nur ein Placebo einnahmen.
Julia: Oh krass, das ist ein ziemlich großer Haken. Wäre auch zu schön gewesen.
Andrea: Als das bekannt wurde, brach die Nachfrage komplett zusammen, ist ja klar. Niemand wollte mehr Hormone nehmen.
Julia: Verständlich, ich würde das unter diesen Umständen auch nicht tun.
Andrea: Die Kehrseite war aber, dass die Hormontherapie daraufhin so verteufelt wurde, dass viele Frauen über Jahre nicht angemessen behandelt wurden. Natürlich war es damals völlig richtig, die Hormontherapie zu überdenken und auf die erkannten Risiken zu reagieren. Seitdem hat sich aber auch vieles verändert.
Julia: Was denn zum Beispiel?
Andrea: Heute werden die Hormone zum Beispiel nicht mehr wie damals aus dem Urin trächtiger Stuten gewonnen. In Deutschland wird in der Hormontherapie schon seit Jahren vorwiegend das bioidentische 17-Beta-Estradiol eingesetzt. Das wird aus der Yamswurzel oder Sojabohnen hergestellt.
Julia: Stutenurin... oje!
Andrea: Die moderne Hormontherapie ist mit der von damals überhaupt nicht mehr vergleichbar. Da sind sich alle Fachleute einig. Die Fachgesellschaften empfehlen sie nach einer Risiko-Nutzen-Prüfung sogar ausdrücklich. Aber eben nicht als Lifestyle- oder Präventionsmittel, sondern um heftige Wechseljahresbeschwerden zu lindern. So steht es in den Behandlungs-Leitlinien.Das größte Problem war seinerzeit, dass die Hormone einfach nach dem Gießkannenprinzip über den Frauen ausgegossen wurden. Viel zu hoch dosiert und ohne auf die Vorgeschichte der einzelnen Frau einzugehen. Heute weiß man auch, dass es einen Unterschied macht, ob der Wirkstoff geschluckt oder über die Haut aufgenommen wird.
Julia: Warum spielt das denn eine Rolle?
Andrea: Jedes Medikament, das man schluckt, wird im Magen-Darm-Trakt und in der Leber verstoffwechselt. In der Leber fördern Östrogene aber die Ausschüttung von Gerinnungsfaktoren. Dadurch steigt das Risiko für Thrombosen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weil das Blut schneller verklumpt – übrigens auch schon bei der Antibabypille.
Julia: Stimmt, das habe ich gehört. Vor allem Raucherinnen, die die Pille nehmen, haben ein erhöhtes Thromboserisiko und sollten sich überlegen, anders zu verhüten.
Andrea: Aus dem gleichen Grund, ja. Wird Östrogen aber über die Haut angewendet, zum Beispiel in einer Salbe, einem Spray oder Pflaster, dann landet der Wirkstoff direkt in der Blutbahn. Das Verdauungssystem und die Leber werden praktisch umgangen.
Julia: Das heißt, es gibt diese Nebenwirkungen gar nicht mehr?
Andrea: Völlig risikolos ist leider kein Arzneimittel. Deshalb gilt das Motto, die geringstmögliche Dosierung zu nehmen und zu schauen, ob sich die Symptome lindern. Das Gegenteil von "one fits all" ist hier angesagt, immer auf die individuelle Lage der Frau abgestimmt. Frauen, die nicht rauchen und auch keine familiäre Thromboseneigung haben, können auch von einer oralen Hormontherapie profitieren. Dabei kommt es allerdings darauf an, ob die Frau noch eine Gebärmutter hat oder nicht.
Julia: Das klingt so, als sei das gängig, keine mehr zu haben. Ist das so oft der Fall?
Andrea: Das kommt schon vor, zum Beispiel bei starken Endometriose-Beschwerden oder nach einer Krebsdiagnose.
Julia: Ok, aber welche Auswirkungen hat die Gebärmutter auf die Hormontherapie?
Andrea: Natürlicherweise regt Östrogen die Schleimhautbildung an, wie es in jedem Zyklus der Fall ist. Zum Schutz vor übermäßigem Wachstum der Gebärmutterschleimhaut bekommen Frauen deshalb zusätzlich ein Gestagen verschrieben. Nur Frauen, die keine Gebärmutter mehr haben, brauchen diesen Schutzfaktor nicht und können eine Monotherapie bekommen.
Julia: Und wie ist es mit dem Brustkrebsrisiko?
Andrea: Die größere Gefahr geht von Alkohol und Übergewicht aus. Aber es stimmt, vor allem die zusätzliche Gestagengabe ist mit einem erhöhten Risiko verbunden. Die Monotherapie mit Östrogen scheint das Krebsrisiko dagegen zu senken. Nach einer Brustkrebsdiagnose oder wenn ein erhöhtes familiäres Risiko für Brustkrebs besteht, ist die Hormontherapie allerdings nicht angesagt. Sicher ist sicher.
Julia: Und was machen die Frauen dann, gibt es vielleicht auch etwas Pflanzliches?
Andrea: Gibt es, da kann ich dich beruhigen. Erzähle ich dir nächstes Mal.