»Meine Sichtweise auf das Ende ist total hoffnungsvoll«
Am 10. Januar erschien das neue Album »TOD« von Fynn Kliemann – gleichzeitig zeigte der Musiker in Hamburg seine erste Solo-Kunstausstellung. Wir sprachen mit ihm darüber, wie man den Tod visualisiert. Der gelernte Mediengestalter Fynn Kliemann ...

Am 10. Januar erschien das neue Album »TOD« von Fynn Kliemann – gleichzeitig zeigte der Musiker in Hamburg seine erste Solo-Kunstausstellung. Wir sprachen mit ihm darüber, wie man den Tod visualisiert.
Der gelernte Mediengestalter Fynn Kliemann hat sich als Heimwerker auf YouTube, DIY-Experte, Musiker und Kunstliebhaber eine der erfolgreichsten Personal Brands und Communities in Deutschland aufgebaut, um sie dann, wie er es nennt, »mit der Abrissbirne einzureißen«.
Betrugsvorwürfe, Satire, Shitstorm
Aber er wäre nicht Kliemann, würde er sie nicht wieder aufbauen – reflektierter, gereifter und sehr authentisch als Musiker mit seinem neuen Album »TOD«, das kurz nach der Veröffentlichung in den Album-Charts auf Platz 1 kletterte. Dabei ist die Musik weder düster noch melancholisch, sondern voll zuversichtlicher Texte und druckvoller Hip-Hop-Beats. Dazu Kliemanns charakteristische Stimme, der er in Songs wie »Paris Reprise« oder »Klebeband« auch einiges abverlangt – wir hören sie gerne, auch weil sie Hörerinnen und Hörer auf eine kleine Zeitreise der letzten beide Jahre mitnimmt.
Und die Kunst? Wir haben Fynn im Kliemannsland besucht, einem Ort für schier unbegrenzte kreative Möglichkeiten und Erfindergeist. Dort, wo nicht nur das neue Album, sondern vor allem auch seine erste Solo-Kunstausstellung entstanden ist. Wir haben lange Blicke in seine Ateliers und Scheunen geworfen und mit ihm über die Entstehung der Bilder und Installationen für seine Ausstellung gesprochen. Jedes Exponat lädt dazu ein, der Endlichkeit mit der wir alle geboren werden, ihren Platz zu geben und die Auswirkungen des Bewusstseins für den Tod auf das eigene Leben zu beobachten.
PAGE: Fynn, Was bedeutet Tod für dich?
Fynn Kliemann: Die Antwort darauf ist natürlich vielschichtig – und selbstverständlich wie alles in der Kunst eine Frage der Perspektive. Tod, das ist etwas Finales, etwas Endliches, das du versuchst, irgendwie auf jetzt zu beziehen und das kann so weit weg sein, vielleicht aber auch morgen. Das sind alles so geile Fragezeichen. Das ist wie eine große schwarze Box, die man versucht zu verstehen. Wie in der Mathematik: da nimmst du dir ein Problem, analysierst es und findest dafür eine Definition und dann guckst du, ob die Definition noch an anderen Stellen passt. Am Ende ist es etwas, das aufhört und danach beginnt etwas Neues. Also vielleicht ein Diskurs über die Dialektik von Endlichkeit und Unendlichkeit, von Verlust und Transformation.
Wieso hast du dich mit dem Thema befasst?
Ich habe mich gefragt, was kann ich davon verstehen, auch wenn es nur so ein bisschen ist und was bedeutet das für jetzt. Es geht darum zu sagen, dass es eine hoffnungsvolle Wende für dein Leben geben kann, dass du sagst, nach der Beendigung von etwas beginnt immer etwas Neues. Wie in meinem Fall jetzt auch, ich bin schon tausendmal gestorben und vor zwei Jahren einmal richtig als Marke, und ganz viele Dinge in meinem Leben sind gestorben. Sachen wurden beendet, aber es haben immer wieder neue begonnen. Diese Kombination ist doch total hoffnungsvoll, der Gedanke, dass es irgendwie weitergeht, dass man viel daraus gelernt hat. Und das kann für das große schwarze, böse Ende ja auch so sein.
Wie bist du an die Kunstwerke heran gegangen?
Das Album und die Bilder sind beinahe gleichzeitig entstanden, erst die Kunst und dann kamen die Texte. Um das Thema zu materialisieren, muss man sich überlegen, was bedeutet denn dieses Beenden und wieder neu anfangen für einen Werkstoff, eine Installation, ein Bild. Was soll das im Betrachter auslösen, was könnte es mit Menschen machen, um einen Neustart frühzeitig einzuleiten. Das finde ich cool, das ist wie eine Starthilfe beim Mofa.
Was hat dich inspiriert?
Überall wo ich hinfahre, in jeder Stadt, gehe ich auf den Friedhof und schaue mir an, wie er aussieht, wie dieses Land den Tod zelebriert. Und sie sehen je nach Land immer anders aus. Zum Beispiel gibt es in Frankreich fast keine lebendigen Pflanzen, nur Steine und Steinwege, nicht wie in Deutschland; sauber abgesteckte Rasenkanten, alles ist immer frisch gemäht. In Frankreich sind neben der Kunst dann erste Notizen, Sätze und schließlich Texte entstanden – auf Friedhöfen. Und diese Betrachtung von Friedhöfen ist ein wunderbarer Gegensatz zu meinem sonst so chaotischen Leben (lacht).
Welche Rollen spielen Materialien in deinen Installationen?
Ich nutze neben Öl- und Acrylfarben viel Plastik, zum Beispiel alten Schaufensterpuppen und künstliche Blumen. Das war alles einmal lebendig, ist gestorben und daraus Öl entstanden. Und dann kam der Mensch und sagte: hey geiles Material, daraus mache ich was Neues – zum Beispiel eine Plastikblume – und dann denkst du, jetzt ist es echt vorbei, jetzt ist es tot.
Aber vielleicht auch nicht, es ist ja schon einmal passiert, dass etwas beendet wurde und neu begonnen hat. Und deswegen glaube ich, kann das auch der Anfang von etwas Neuem sein und das versuche ich bei sehr vielen Sachen zu zeigen. Meine Sichtweise auf das Ende ist hoffnungsvoll; es geht um den Neustart und das Weiterführende und was als nächstes kommt und weniger um dieses vorbei, vorbei, vorbei.
Danke für das Interview Fynn!
Infos zum neuen Album: »TOD« von Fynn Kliemann ist am 10. Januar 2025 erschienen. Fans konnten das vierte Studioalbum des Künstlers seit September vorbestellen. Es wurde einmalig auf Vinyl produziert. »An dem Tag an dem mein Album TOD geboren wurde, hab ich es getötet. Am 10.01 ist es erschienen und seitdem ist es physisch nie wieder bestellbar.« Hier könnt ihr trotzdem reinhören, das Album ist digital auf den bekannten Streamingplattformen verfügbar.