Katy Perry im All: Moral kann man nicht kaufen
Wohlstandverwahrlost, dekadent, rechtskonservativ: Viele Stars taugen schon lange nicht mehr als das, was sie früher mal waren: Idole. Diese Woche: Katy Perry und Gwen Stefani.

Wohlstandverwahrlost, dekadent, rechtskonservativ: Viele Stars taugen schon lange nicht mehr als das, was sie früher mal waren: Idole. Diese Woche: Katy Perry und Gwen Stefani.
In der Grundschule hatten wir diese Freundschaftsalben. Neben Name, Hobby, Lieblingstier musste man sein Idol angeben. "Das ist jemand, den du sehr bewunderst", erklärte mir meine Mutter. "Wie du auch gerne wärst." Ich überlegte nicht lange und schrieb: Michael Jackson. Wegen des Moonwalks.
Ins All fliegen ist das neue Pelztragen
Ich frage mich, wie viele Kinder in den letzten Jahren Katy Perry in der Spalte eingetragen haben. Perry ist eine der erfolgreichsten Popstars unseres Planeten (was unter musikalischen Gesichtspunkten schwer nachzuvollziehen ist, aber nun gut). Eine Kino-Doku über die Sängerin zeigt, dass ihre Fanbase gefühlt zu 90 Prozent aus kleinen Mädchen besteht. Sie ist also zwangsläufig ein Vorbild – und spätestens seit Montagnachmittag wissen wir: ein schlechtes.
Auf Einladung von Jeff Bezos' Verlobter Lauren Sánchez flogen die beiden zusammen mit vier weiteren Damen in der Bezos-Raumkapsel "Blue Origin" für zehn Minuten ins All. Klar, man kann ja auch nicht immer nur auf St. Barth oder irgendwelchen Superyachten abhängen.
Raumfahrt ist das neue Pelz tragen
Das private Raumfahrtunternehmen des Amazon-Milliardärs befördert seit 2021 Tourist:innen in den suborbitalen Raum, etwa 100 Kilometer über der Erde. Kostenpunkt pro Person: 500.000 Dollar. Das (soziale) Medienecho auf den als "eine Errungenschaft für den Feminismus" verkaufte erste rein weibliche Gruppenmission in der Geschichte der Raumfahrt war ähnlich groß wie die Energieverschwendung des dekadenten Unterfangens.
Model Emily Ratajkowski schimpfte auf TikTok: "Das ist mehr als Parodie … Ich bin angewidert. Schau dir den Zustand der Welt an und überlege, wie viele Ressourcen in den Weltraum geflossen sind … wofür?" Ähnlich sah das auch Regisseurin Olivia Wilde: "Ich schätze, für Milliarden Dollar wurden ein paar gute Memes gekauft." Lady Gaga konstatierte: "Ich hatte Fürze, die länger dauerten."
Eine Errungenschaft für den Feminismus? Na ja. "Wenn der Flug etwas beweist, dann, dass Frauen nun frei sind, die dekadentesten Schätze des Kapitalismus gemeinsam mit den reichsten Männern zu genießen", schrieb die "New York Times".
"Superreiche, die die Welt verbrennen"
Raumfahrt ist ja gerade DAS Ding. Die neue Koalition plant ein eigenes Ministerium, führen soll es die CSU. Bleibt zu hoffen, dass Markus Söder das besser verkraftet als seinen aktuellen Indientrip …
Aber zurück zu Katy Perry. Ich sag's mal so: Die Indizien waren da. Taylor Swift beschuldigte die 40-Jährige bereits vor Jahren, ihre Tournee zu sabotieren, weil Perry einige ihrer Tänzer:innen abgeworben hatte. Perrys letztes Album "143" floppte – die Gen Z warf der Sängerin anbiedernden und geheuchelten Feminismus vor.
Mit ihrer Raumfahrt schließt sich nun der Kreis: "Vor allem nervt es mich, wenn sowas dann noch als 'female empowerment' verkauft wird. Was hat es mit Gleichberechtigung zu tun, wenn Jeff Bezos ein paar sehr reiche Frauen ins All schießt?", kommentierte Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang sehr treffend Katy Perrys Weltraum-Ausflug und nannte die Crew "Superreiche, die die Welt verbrennen".
Aber ist es wirklich so, dass sich diese reichen Frauen so gar nicht um die multiplen Kriege und Krisen auf diesem Planeten scheren, sondern lieber den größtmöglichen Eskapismus betreiben – und ins All abhauen? Nach dem Motto: ICH lebe ja schließlich nur einmal! In einer Pressekonferenz haben Katy Perry und die anderen Frauen, darunter eine ehemalige NASA-Raketeningenieurin, stark betont, wie wichtig diese erste rein weibliche Gruppenreise ins All sei, um kleinen Mädchen ein Vorbild zu sein, ihnen zu zeigen, dass Frauen alles haben können. Auch sei die Aktion enorm wichtig für die Forschung der Raumfahrt. Sie selbst scheinen sich als Heldinnen zu sehen. Jeff Bezos freut sich über die prima Werbung für seine Firma.
Von der Feministin zur Faschistin?
Die Spalte Idol würde ich heute sicherheitshalber trotzdem leer lassen. Fast alle, die ich als Teenager gut fand, sind zwischenzeitlich verhaftet, gecancelt worden oder politisch sehr fragwürdig abgebogen. Michael Jackson, Marilyn Manson, Till Lindemann … You name it.
Neben Katy Perry bangen so einige um ein weiteres, ehemaliges Vorbild: Gwen Stefani, die viele in den Nullerjahren immer als Empowerment-Ikone wahrgenommen haben, scheint nun auch noch nach rechts abzudriften. Ein US-Podcast titelte kürzlich: "Von der Feministin zur Faschistin?"
Aktuell bewirbt Gwen Stefani eine ultrakatholische Gebets-App und feierte auf "X" das Interview eines Freundes mit dem homophoben, transfeindlichen, sexistischen Moderator Tucker Carlson, der gerne mal Verschwörungstheorien verbreitet und als Erster in den westlichen Medien ein zweistündiges Interview mit Putin führte.
Stefanis Fans sind schockiert – obwohl zu bezweifeln ist, ob Gwen ihren Kurs zuletzt allzu stark geändert hat. Immerhin ist sie schon länger mit dem konservativen, christlichen Trump-Supporter und Country-Sänger Blake Shelton verheiratet. Die "No Doubt"-Frontfrau hat auch nie etwas wirklich Substanzielles über Feminismus oder Gleichberechtigung gesagt, noch einen Hehl aus ihrem traditionell katholischen Background gemacht. Vielmehr scheinen ihre Fans zum ersten Mal genauer hinzusehen.
Reality-Check: Wofür steht ihr wirklich?
Die Beispiele Katy Perry und Gwen Stefani zeigen, dass viele unserer Superstars nicht mit den moralischen Werten und Projektionen, die wir ihnen übergestülpt haben, Schritt halten können – oder auch nur wollen. Egal wie zeitgeistig oder reflektiert uns ihre Kunst erscheinen mag – eine Textzeile, ein Film oder ein Podcast-Interview hat mitunter doch erschreckend wenig mit dem zu tun, wie die Berühmtheiten leben.