Kampf gegen die Meinungsfreiheit! Neuer Koalitionsvertrag ist eine Zumutung für die Demokratie

Eine intellektuelle Zumutung und eine Bankrotterklärung aus demokratischer Sicht: Das steckt im neuen Koalitionsvertrag. Unter der Zwischenüberschrift „Umgang mit Desinformationen“ will die neue Bundesregierung den Kampf um die Definitionshoheit mit der Brechstange des Staates führen. „Staatsferne“ Lordsiegelbewahrer sollen gegen politisch unerwünschte Äußerungen zu Felde ziehen – mit dem Segen der vorherrschenden politischen Klasse, verstehtWeiterlesen

Apr 16, 2025 - 14:11
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Kampf gegen die Meinungsfreiheit! Neuer Koalitionsvertrag ist eine Zumutung für die Demokratie

Eine intellektuelle Zumutung und eine Bankrotterklärung aus demokratischer Sicht: Das steckt im neuen Koalitionsvertrag. Unter der Zwischenüberschrift „Umgang mit Desinformationen“ will die neue Bundesregierung den Kampf um die Definitionshoheit mit der Brechstange des Staates führen. „Staatsferne“ Lordsiegelbewahrer sollen gegen politisch unerwünschte Äußerungen zu Felde ziehen – mit dem Segen der vorherrschenden politischen Klasse, versteht sich. Natürlich: Alles unter „Wahrung der Meinungsfreiheit“ – wer’s glaubt…! Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

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Meinungsfreiheit. Hinter dieser zentralen Säule einer jeden Demokratie muss ein dicker, fetter Punkt stehen. Und dann sollte nichts mehr weiter kommen. Im neuen Koalitionsvertrag findet sich auch der Begriff „Meinungsfreiheit“. Gut. Schlecht hingegen: Es folgt kein Punkt dahinter. Stattdessen ist zu lesen: „Deshalb muss die staatsferne Medienaufsicht unter Wahrung der Meinungsfreiheit auf der Basis klarer gesetzlicher Vorgaben gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können.“

Wer nicht völlig merkbefreit ist, ahnt bei diesen Zeilen voller politischem Schmieröl schnell: Hier kommt etwas auf uns alle zu! Aber der Reihe nach. Worauf bezieht sich das „Deshalb“?

Nun, vor diesen Zeilen findet sich folgender Satz: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“
Unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem diese Aussage fällt, wird aus einer Banalität aus demokratischer Sicht geradezu etwas Monströses. Natürlich weiß jeder: Es gibt einen gewissen rechtlichen Rahmen, der die Meinungsfreiheit sinnvoll durch das Recht in unterschiedliche Richtungen flankiert. Das Recht dient dazu, der Meinungsfreiheit einen möglichst freien Raum zu geben. Andererseits ist das Recht aber auch dazu da, Aussagen, die das Ansehen von Personen schädigen können, aber unter dem Deckmantel Meinungsfreiheit getätigt werden, beizukommen. Wenn A zu B sagt, „Du bist ein Mörder!“, aber dieser Vorwurf faktisch falsch ist, dann ist das eine „falsche Tatsachenbehauptung“, es ist Verleumdung, es ist ehrabschneidend und kann oder wird rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dagegen sprichts nichts. Und es ist Selbstverständlichkeit, dass gerade im Journalismus alles drangesetzt werden muss, keine Berichterstattung abzuliefern, in der falsche Tatsachenbehauptungen zu finden sind.

Dass wir allerdings gerade überhaupt über diese „Banalitäten“ reden, die im Grunde genommen doch allen bekannt sind, lässt erahnen: Irgendetwas stimmt hier nicht! Im Zuge der Konfrontation zwischen etablierten und „alternativen“ Medien ist seit vielen Jahren ein Kampf um die Definitionshoheit und ein Kampf um die Wahrheit zu beobachten.

Oft ist es so, dass, je politisch und gesellschaftlich relevanter ein Thema ist, die Wahrheiten der Mainstreammedien und der alternativen Medien weit auseinanderliegen.

9/11? Osama bin Laden war es!, sagt der Mainstream. Der tiefe Staat ist verantwortlich!, sagen viele alternative Medien. Corona? Eine Pandemie!, heißt es in den großen Medien. Eine „Plandemie!“, heißt es aufseiten der Alternativen. „Die Impfung ist hochwirksam und nebenwirkungsfrei!“, verkündet der Mainstream. „Vorsicht, Gefahr!“, sagen Alternativmedien. „Russland ist eine große Bedrohung, wir müssen aufrüsten!“, sagen ARD und Co. „Russland ist keine Bedrohung, gar nichts müssen wir!“, sagen die Alternativen. Und so ließen sich viele Themen anführen, wo sich die Wahrheiten der einen und die Wahrheiten der anderen Seite konträr gegenüberstehen.

Warum die Situation so ist, liegt auf der Hand: Es geht um Weltanschauung und um tief eingegrabene Glaubensüberzeugungen, aber auch um handfeste politische Ziele.

Dass sich in dieser Konstellation auch der uralte Kampf zwischen Orthodoxie und Heterodoxie widerspiegelt, liegt auf der Hand. Und das ist gut so. Was wäre die Menschheit, wenn als „Tatsachen“ betrachtete Anschauungen niemals hätten hinterfragt und herausgefordert werden können? Dann wäre die Erde heute noch eine Scheibe und die Sonne würde sich um sie drehen.

Auch das, gewiss: Alles banal!

Doch dann ist da die Politik im Verbund mit gefälligen Experten und Medienvertretern, die seit geraumer Zeit versuchen, auf dem obersten Felsen der rechtmäßigen Realitätsproduktion zu sitzen, und alle verdrängen, die es wagen, an ihm zu kratzen.

„Kampf gegen Hass und Hetze!“, lautet ein Spruch, der von Politikern an Journalisten, von Journalisten an „Experten“ und von Experten wieder an Politiker gereicht wird. In ihm spiegelt sich die beschriebene Situation wieder.

Wer heute gewisse Politiker nicht mit Samthandschuhen für ihre zutiefst asoziale Politik anfasst, fängt sich schnell den Vorwurf der Verbreitung von „Hass und Hetze“ ein. Wer heutzutage Medien in ihren Foren für einen „Journalismus“ kritisiert, der den Namen nicht verdient, dem wird vorgeworfen, „Hass und Hetze“ zu betreiben.

Das ist: Eine Taktik im Kampf um die Durchsetzung der politisch opportunen Weltsicht. Und an dieser „Front“ greift die neue (Wobei: Was soll daran neu sein?!) Koalition an. Sie legt dar, wie sie mit „Desinformation“ umgehen will. Wer jetzt erwarten würde, dass die hohe Politik eine kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff „Desinformation“ abliefern würde, sieht sich schnell eines Besseren belehrt. „Desinformation“ – da scheint eine kritische Dekonstruktion nicht nötig, schließlich: Was „Desinformation“ ist, das wird ganz einfach politisch festgelegt. Konsequenterweise kehrt die Koalition im Aufbruch auch nicht vor der eigenen Haustür – da gibt es offensichtlich nichts zu kehren – und vermittelt unmissverständlich: „Desinformation“ – die kann nur von den anderen kommen.

Wenn der oberste Gesundheitsschützer des Landes, Karl Lauterbach, öffentlich sagt, dass die Corona-Impfung „nebenwirkungsfrei“ sei, dann ist das gewiss keine „Desinformation“ und selbstverständlich auch keine „falsche Tatsachenbehauptung“. Aber lassen wir das.

Die neue Regierung will, dass eine „staatsferne“ „Medienaufsicht“ gegen „Informationsmanipulation“ und „Hass und Hetze“ vorgeht? Und sie dann auch noch das schwierige Feld „bewusst verbreiteter falscher Tatsachenbehauptungen“ im Auge hat?

Worum es hier geht, ist klar: Die Politik will ihren eigenen Wahrheiten über ein Bandenspiel politische Absolution erteilen. Unliebsame Wahrheiten sollen unter dem Label „bewusst verbreitete falsche Tatsachenbehauptungen“ aus dem Diskurs verdrängt werden. Der angeführte Abschnitt dient nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit – er ist eine Kampfansage! Vertretern der „Medienaufsicht“ wird die Rolle moderner Lordsiegelbewahrer zukommen. Sie sollen politisch gewünscht darüber entscheiden, was „bewusst verbreitete falsche Tatsachenbehauptungen“ sind. Daher weht der Wind!

Zur Verdeutlichung eine Situation: In einer Zeit, in der eine vorgebliche Mehrheit der Wissenschaft in den großen Medien von der Ungefährlichkeit der Corona-Impfung sprach, gab es alternative Medien und Experten, die das Gegenteil sagten.

Und nun? Was sind hier „bewusst verbreitete falsche Tatsachenbehauptungen“ und was nicht? Was hier passiert ist: Die Politik überträgt eine juristische Kategorie, die vornehmlich zum Schutz von Bürgern vor Verleumdung und ähnlichem dienen soll, in den Bereich des Politischen. Eine Art „Gedankenpolizei“ soll auf Vertreter alternativer Medien angesetzt werden und es soll in den Köpfen ausgelotet werden, ob politisch unliebsame Wahrheiten, die als „falsche Tatsachenbehauptungen“ von Aufsichtsbehörden klassifiziert werden, „bewusst“ wahrheitswidrig verbreitet worden sind.

Das ist erstens ein absurdes, einem gesunden Intellekt zur Schande gereichendes Unterfangen. Denn: Ob nun jemand eine angeblich „falsche“ politische „Tatsachenbehauptung“ mit der bewussten Absicht, Desinformation zu verbreiten, veröffentlicht oder ob er sie veröffentlicht, weil er daran glaubt, ist sehr schwierig feststellbar. Und, zweitens, wagt sich die Politik hier so weit in den Bereich der Meinungsfreiheit hinein, dass die Axt, die sie in den Händen hält, deutlich sichtbar ist.

Wie soll man es der Regierungskoalition sagen? Vielleicht so: Hände weg von der Meinungsfreiheit! Die ist über das Grundgesetz zur Genüge geregelt.

Titelbild: Lightspring/shutterstock.com