Führungskraft umarmt Teammitglied: Gute Idee oder Grenzüberschreitung?

„Lass dich drücken!“ Wirklich? impulse-Chefredakteurin Nicole Basel hat Führungskräfte gefragt, wie sie mit Umarmungen im Job umgehen. Aus den Antworten lassen sich 7 Regeln ableiten – und eine Idee. The post Führungskraft umarmt Teammitglied: Gute Idee oder Grenzüberschreitung? appeared first on impulse.

Mär 4, 2025 - 16:22
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Führungskraft umarmt Teammitglied: Gute Idee oder Grenzüberschreitung?
„Sollte man Mitarbeiter umarmen?“ hatte ich die Leserinnen und Leser meines Newsletters kürzlich gefragt. Und ich war unsicher: Bin ich womöglich die Einzige, die sich über solche Banalitäten Gedanken macht? Oute ich mich mit dem Thema als komplett verkopft? Nach den Rückmeldungen stelle ich erleichtert fest: Ich bin nicht allein. Mich haben viele E-Mails erreicht – und völlig unterschiedliche Einstellungen: Die einen möchten Kollegen und Kolleginnen überhaupt nicht berühren, sie wünschen nicht einmal einen Händedruck. Andere verteilen Küsschen links, Küsschen rechts. Wieder andere sind nahezu traumatisiert von der umarmungsfreudigen Kollegin mit Mundgeruch. Ich habe versucht aus den Antworten ein paar Regeln abzuleiten, die Orientierung geben können. Regel 1: Grenzen respektieren Bei den Antworten hat mich überrascht, wie vehement viele Körperkontakt ablehnen. Erstaunlich viele haben geschrieben, dass sie NICHT umarmt werden wollen. Barbara schreibt: „Ich habe es in der Corona-Zeit sehr genossen, dass diese Unsitte der körperlichen Nähe total tabu war. Das hätte gerne dauerhaft so bleiben können!“ Umarmungen findet sie übergriffig – und nach Durchsicht der E-Mails kann ich sagen: Sie ist damit nicht allein. Matthias findet Umarmungen zumindest im beruflichen Kontext unangebracht: „Von meinem Chef möchte ich nicht umarmt werden. Das ist mir deutlich zu nah. Auch wenn ich mit ihm sehr offen und gelegentlich auch über sehr persönliche Dinge spreche, sehe ich die Umarmung da als völlig unangebracht an.“ Viele lehnen sogar einen Händedruck ab. Etwa Kerstin: „Ich begrüße meine Kolleginnen verbal. Handschläge mochte ich noch nie. Früher war es in Mecklenburg-Vorpommern üblich, dass der Chef morgens jeden einzelnen Mitarbeiter per Handschlag begrüßt. Das ist eine wahnsinnig gruselige Vorstellung für mich.“ Regel 2: Authentisch sein Kaum ein Wort kam in den Antworten so häufig vor wie das Wort „Authentizität“. „Es gibt einige bei uns im Team, die sich umarmen. In der Werkstatt klatschen sich gerade die Jüngeren morgens ab. Mir liegt das beides nicht. Würde ich jetzt einfach mitmachen, würde das sofort auffallen. Das wäre nicht authentisch“, schreibt René, der ein Autohaus leitet. Authentisch sein will auch Uschi, die als HR-Chefin arbeitet. Sie hört auf ihr Bauchgefühl: „Ich habe gestern eine Mitarbeiterin umarmt, deren Vater plötzlich verstorben ist – ich fand das stimmig. Wir hatten Blickkontakt, es hat sich richtig angefühlt.“ Eben weil es beim Umarmen keine festen Regeln gibt, plädiert Peter dafür, aufs Bauchgefühl zu hören: „Man merkt doch, ob jemand umarmt werden will. Und man merkt auch, ob man selbst umarmen möchte. Wenn es sich komisch anfühlt, dann ist es auch komisch.“ Regel 3: Auf die Unternehmenskultur achten Wie viel Nähe im Job gewünscht oder als normal empfunden wird, scheint nicht nur von persönlichen Vorlieben abzuhängen, sondern auch von den Gepflogenheiten im Betrieb. Uwe ist Prokurist in einem mittelständischen Industrieunternehmen. Er schreibt: „Vielleicht bin ich noch Old School, aber gerade im Geschäftsleben habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, als Vorgesetzter eine gewisse Distanz zu wahren.“ Umarmen findet er am Arbeitsplatz nur in Ausnahmefällen angebracht. „Es drückt doch eine Nähe aus, die nicht immer gut ist. Man kann sich wertschätzen und auch einmal Gefühle zeigen, ohne sich um den Hals fallen zu müssen.“ Bei Angelika, die ein Fitnessstudio führt, ist es genau umgekehrt: „Bei uns im Team sind wir sehr familiär. Wenn ich drüber nachdenke: Manche Kollegen drücke ich sogar zweimal täglich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die das auch so wollen.“ Anton berichtet, dass es bei ihm im Betrieb eher distanziert zugeht. „Wir siezen uns.“ Dann kam ein neuer Abteilungsleiter in den Betrieb, ein „kumpelhafter Typ“. „Der hat uns dann auf die Schulter geklopft, mal scherzhaft angerempelt. Für ihn war das authentisch, aber wir fühlten uns anfangs alle etwas überfallen.“ Regel 4: Jede Begrüßung zählt Einige Leserinnen und Leser schreiben, dass es ihnen vor allem wichtig ist, dass man sich bei der Arbeit überhaupt begrüßt – egal wie. „Dass man sich mit niemandem begrüßt, fehlt mir sehr, wenn ich im Homeoffice bin“, schreibt Corinna. „Wenn ich im Büro bin und wir gehen auch da direkt zu unseren Plätzen und arbeiten – dann finde ich das wirklich schade.“ Ob sie umarmt wird, jemand schnell Hallo sagt oder einfach nur winkt, sei ihr da fast egal. „Dass man sich wahrnimmt, das finde ich wichtig.“ Regel 5: Geschlechterrollen bedenken Ich selbst habe bereits viele Kolleginnen aus dem impulse-Team umarmt – aber noch nie einen Kollegen. Auch damit scheine ich nicht allein zu sein. Monika schreibt: „Würde ich unseren Azubi umarmen, käme ich mir vor wie die furchtbare Tante, die einem übergriffig in die Wange kneift.“ Weibliche Auszubildende habe sie aber etwa zur bestandenen Prüfung durchaus schon einmal geherzt. Männliche Leser wollen vor allem Missverständnisse vermeiden. Bernd schreibt etwa: „Ich halte als Mann immer bewusst Abstand und umarme von mir aus niemanden. Gleichzeitig gibt es Kolleginnen, die mich trotzdem umarmen – das ist dann ihre Entscheidung.“ Konstantin ist Geschäftsführer eines Holzbauunternehmens. Er schreibt: „Als Chef finde ich es grenzwertig, die Initiative zur Umarmung der Mitarbeiterinnen zu ergreifen.“ Er habe aber manchmal den Eindruck, dass einige Kolleginnen etwa zum Geburtstag gedrückt werden sollen. Wenn die Umarmung von der Kollegin ausgehe, würde er sie nicht zurückweisen. „Und dann ist es ja auch in Ordnung.“ Regel 6: Auf die Situation achten Für viele ist eine Umarmung keine alltägliche Begrüßung – sondern besonderen Momenten vorbehalten. Susanne schreibt etwa: „Spontan habe ich neulich mal eine Kollegin umarmt, die zitternd vor mir stand, weil sie eine Sondereinladung zum Arztgespräch nach der Mammografie bekommen hat. Das sind solche Briefe, die wir Frauen ja alle fürchten. Ich habe spontan das Bedürfnis gehabt, sie zu drücken. Ich glaube, sie fand es okay – nee, ich glaube, sie hat es gebraucht.“ Romina findet auch, dass es einen Unterschied macht, ob man sich auf der Arbeit oder in der Freizeit trifft. Im Privaten sei es üblicher, sich individuell zu begrüßen. „Wenn ich jemanden auf einer Veranstaltung treffe, dann umarme ich ihn auch schon mal. Aber nur, wenn ich mir sicher bin, dass die Person das möchte. Regel 7: Signale wahrnehmen Viele Leserinnen und Leser finden, dass man unangenehme Situationen leicht vermeiden kann, indem man darauf achtet, wie das Gegenüber sich verhält. „Ich wundere mich, wie oft es vorkommt, dass eine ausgestreckte Hand überlaufen wird und die Umarmung quasi erzwungen wird. Schauen diese Menschen gar nicht auf ihr Gegenüber bei einer so persönlichen Geste? Ich bin selber oft in der Situation, dass ich es als unangenehm empfinde, vorschnell umarmt zu werden, insbesondere mit ‚Bro-Hugs‘ unter Kerlen“, schreibt mir Cornelius. Idee: Einfach fragen! Patricia hat einen pragmatischen Tipp: fragen. Damit stellt sie sicher, dass die Umarmung auch einvernehmlich ist. „Bei Menschen, die mir nicht so nahe sind und wo nicht klar ist, wie wir das gegenseitig handhaben, verhalte ich mich mittlerweile so: Entweder ich frage gezielt: ‚Darf ich Sie/dich gerade mal umarmen?‘ Und warte die Antwort ab. Das ist eher dann der Fall, wenn ich spüre, dass derjenige vielleicht gerade eine Umarmung nötig haben könnte. Oder, wenn es tatsächlich um eine Begrüßung oder Verabschiedung geht, breite ich einfach einladend die Arme aus und warte, dass mein Gegenüber in meine Arme tritt.“ Nachdem ich alle Antworten gelesen habe (vielen Dank noch einmal für die vielen Rückmeldungen), stelle ich fest: Meine Strategie ist offenbar gar nicht so schlecht. Denn ich versuche, auf mein Bauchgefühl zu hören und zu beobachten: Ist das eine Person, die selbst andere umarmt? Signalisiert sie mir, dass sie umarmt werden möchte? Und natürlich höre ich auch in mich selbst hinein: Ist das gerade eine Situation, in der ich den anderen umarmen möchte? Ich glaube, wenn man etwas achtsam mit sich selbst und anderen ist, dann kann gar nicht viel schiefgehen.

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