Fiskalwumms: „Großartig für Europa“ – Warum Investoren das Schuldenpaket begrüßen
Die Kapitalmärkte diskutieren wieder über Deutschland. Wie sehr Investoren das Schuldenpaket und das Schleifen der Schuldenbremse feiern, wurde bei einer Investorenkonferenz von Natixis deutlich

Die Kapitalmärkte diskutieren wieder über Deutschland. Wie sehr Investoren das Schuldenpaket und das Schleifen der Schuldenbremse feiern, wurde bei einer Investorenkonferenz von Natixis deutlich
Wenn sich Investoren treffen, geht es meist nur um eine Volkswirtschaft. Die US-Wirtschaft gibt zusammen mit der Notenbank Federal Reserve nicht nur den Takt für die Wall Street vor, sondern normalerweise auch für die Kapitalmärkte in aller Welt. Doch was ist schon noch normal in einer Welt, in der Donald Trump Präsident der USA ist und Deutschland seine Schuldenbremse mehr oder weniger über Bord wirft. Lädt eine Fondsgesellschaft wie Natixis Investment Managers dann wie dieser Tage zu einer Investorenkonferenz nach Paris, rückt die deutsche Fiskalpolitik in den Mittelpunkt der Diskussion von Vermögensverwaltern und Strategen.
Man kann sagen: So viel Deutschland wie dieser Tage war schon lange nicht mehr am Kapitalmarkt. Das deutsche Fiskalpaket sei „großartig für Europa“, sagt Lynda Schweitzer, Co-Rentenchefin bei Loomis Sayles, einer auf Anleihen spezialisierten Fondsgesellschaft unter dem Dach von Natixis
Unsicherheit in den USA, Planbarkeit in Europa
Von einer „signifikanten Überraschung“ spricht Jon Levy, Makro-Stratege bei Loomis Sayles. Die von Deutschland angeschobenen Mehrausgaben für Verteidigung und Infrastruktur hätten „klare Auswirkungen“ auf das Wirtschaftswachstum und die Planbarkeit von Anlageentscheidungen in Europa. „Es ist einfacher herauszufinden, was sich in Europa entwickelt, als was es bedeutet, wenn Präsident Trump zu Kanada tweetet.“
Unsicherheit in den USA, Planbarkeit in Europa – das ist die neue Investment-Welt nach Einschätzung von Mabrouk Chetouane, Leiter globale Marktstrategie, bei Natixis. Er verweist auf Aussagen der US-Notenbank Federal Reserve, wonach der weitere Weg der US-Wirtschaft derzeit nicht abzusehen ist. „Das US-Wachstum ist unter Druck, aber derzeit ist keine Rezession in Sicht“, sagt Chetouane. „Präsident Donald Trump erzeugt eine Menge Lärm.“ Seine Ankündigungen zu Zöllen oder der Kürzung von Staatsausgaben sei zwar keine Überraschung. „Die Geschwindigkeit der Umsetzung ist überraschend, das verstört die Kapitalmärkte.“
Anders als in den USA sei in Europa die weitere Entwicklung absehbar, unter anderem wegen der Grundgesetzänderung in Deutschland zur Finanzierung von mehr Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben. „Das ist ziemlich ungewöhnlich“, betont Chetouane. Der deutschen Politik bescheinigt der Makrostratege, auf die neue weltpolitische Lage reagiert zu haben. „Sie hat beschlossen, die Fiskalpolitik einzusetzen, das ist massiv.“
Europa allerdings noch einige „komplizierte Fragen“ beantworten
Die Ausgabenprogramme können nach seiner Einschätzung einen erheblichen Einfluss auf das deutsche und europäische Wirtschaftswachstum haben. Der Multiplikator der schuldenfinanzierten zusätzlichen deutschen Staatsausgaben betrage bis zu zwei, der Internationale Währungsfonds gehe von 1,6 bis 1,7 aus. Was technisch klingt, bedeutet: Jeder zusätzlich vom deutschen Staat ausgegebene Euro führt zu einer zusätzlichen Wirtschaftsleistung von zwei Euro, womit sich die neuen Schulden zu einem Teil über höhere Steuereinnahmen selbst finanzieren würden. Da das deutsche Fiskalpaket rund 1 Billion Euro umfasst, könnte das Bruttoinlandsprodukt in den nächsten zehn Jahren in der Summe bis zu 2 Billionen Euro höher liegen. Im Jahr 2024 lag das deutsche BIP bei rund 4,3 Billionen Euro.
Levy zufolge muss Europa allerdings noch einige „komplizierte Fragen“ im Hinblick auf Verteidigung und die Strategie beantworten. Man müsse sich fragen: Wer ist der Feind? Neben der Verteidigung gehe es um Energiesicherheit, sie sei „absolut lebenswichtig“. Gleiches gelte für den Zugriff auf andere Rohstoffe wie etwa seltene Erden.
Die neue Zuversicht in Europa zeige sich auch im Anstieg der Renditen für Bundesanleihen, die im Zehnjahresbereich bei knapp unter drei Prozent liegt. Als der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Grundgesetzänderung ankündigte, schossen zehnjährige Bundesanleihen binnen zwei Tagen um rund 40 Basispunkte nach oben, der höchste Anstieg in so kurzer Zeit seit der deutschen Wiedervereinigung. „Der Anstieg zeigt die Zuversicht, dass die europäische Wirtschaft in Zukunft mehr Wachstum erzielen wird“, sagt Chetouane.
Renditesprung ist von den Märkten eingepreist
Das deutsche Verteidigungs- und Infrastrukturpaket bezeichnete Philippe Berthelot als „massive Bazooka“. Der Rentenchef von Ostrum Asset Management, einer weiteren Natixis-Tochter, spielte damit auf das Bild einer Panzerfaust an, mit dem die Maßnahmen der Europäische Zentralbank zum Durchbrechen die Abwärtsspirale während der Euro-Staatsschuldenkrise verglichen wurden. Seiner Einschätzung nach müsse der Bund nun zwar einen Aufschlag auf seine Renditen zahlen, aber das sei mit dem jüngsten Renditesprung von den Märkten bereits mehr oder minder eingepreist.
Durch die vielen Neuemissionen und die Aussicht auf mehr Wachstum in Europa werde die Anziehungskraft von Bundesanleihen steigen, ist Berthelot überzeugt. „Viele institutionelle Investoren mögen Bundesanleihen als sichere Anlage.“ Deutschland wird als einzige der großen Volkswirtschaften wegen ihres verhältnismäßig geringen Schuldenstandes noch mit der Bonitätsbestnote „AAA“ bewertet.
Das könnte auch Auswirkungen auf den Euro-Kurs haben. Das deutsche Paket habe bereits zu „Abflüssen aus Dollar-Anlagen“ geführt, sagte Schweitzer. Der Euro war jüngst um fast fünf US-Cent gestiegen.