Eine kleine Wochenschau | KW11/2025: Zunehmende Verspießerung

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal. The post Eine kleine Wochenschau | KW11/2025: Zunehmende Verspießerung first appeared on .

Mär 16, 2025 - 15:34
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Eine kleine Wochenschau | KW11/2025: Zunehmende Verspießerung

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


10. März 2025, Berlin

Beginne den Montagmorgen auf dem Sofa, trinke Kaffee und checke die neuesten Angebote in meinen diversen Supermarkt-Apps. Du kannst auch mit Ende 40 das Leben eines Rockstars führen.

Fühle mich ein bisschen wie meine Großmutter. Die lebte in den USA, wo wir sie Mitte der 80er besuchten. Wenn ich mit ihr zum Einkaufen fuhr, kramte sie vorher aus einer Küchenschublade Coupons raus, die sie regelmäßig aus Zeitungen und Magazinen ausschnitt. 20 Cent Rabatt auf Milch, drei Packungen Cornflakes zum Preis von zwei oder ein Zehn-Prozent-Gutschein für Zahncreme.

Ich bin 25 Jahre jünger, als meine Großmutter damals war – ein Satz der sich sehr niederschmetternd liest, war sie seinerzeit für mich doch steinalt –, sammle aber genauso fleißig Rabattmarken. Nur nicht mit der Schere, sondern digital.

Titelbild mit zwei Phantasiefiguren auf einem Stromkasten. Die linke Figur ist pink, die andere grün, sie schauen sich beide an.

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Bei Penny gibt es nächste Woche drei Prozent auf Fischprodukte und Bananen, fünf Prozent auf Gnocchi, acht Cent auf Tomatenmark. Alles keine Top-Angebote. Bis Ende März muss ich noch für 180 Euro einkaufen, um einen Zehn-Prozent-Einkaufsgutschein für den April zu bekommen. Bei den lausigen Rabatten sollte ich das schaffen.

Die Angebote von dm sehen besser aus. 20 Prozent auf Zahnbürsten, 30 Prozent auf Herbal-Essence- und auf Mixa-Gesichts-Produkte, auf Messmer Tee sogar 35 Prozent. Ich benötige nichts davon, aktiviere die Coupons aber trotzdem. Zum einen weil es erstklassige Rabatte sind, zum anderen falls ich versehentlich Shampoo, Gesichtscreme oder Tee einpacke. Dann spare ich wenigstens Geld dabei.

Meine Großmutter wäre stolz auf mich.

11. März 2025, Berlin

Der Sohn und N. sind weitergereist. Mit dem Schnellboot von Phuket nach Koh Lanta. Die beiden sind begeistert. N. schreibt in der Asiengruppe, alles sei voll authentisch und null touristisch. Hier bretterten achtjährige Kinder ohne Licht und ohne Helm mit 60/70 km/h auf ihren Mopeds durch die Gegend.

Ich hoffe, wenn sich die beiden einen Roller leihen, fahren sie weniger authentisch.

12. März 2025, Berlin

Seit einiger Zeit nehme ich bei mir eine beunruhigende zunehmende Verspießbürgerung wahr. In einem Moment hältst du dich für lässig und jung geblieben, im nächsten regst du dich über achtlos abgestellte E-Roller, Radfahrer, die dich auf dem Bürgersteig anklingeln oder Süßigkeitenpapier auf der Straße auf.

Wenigstens klebe ich noch keine „Scheiße geparkt“-Zettel an Autos, die den Gehweg blockieren. Obwohl ich das mitunter denke. Aber bisher schreite ich nicht zur Tat, habe also noch nicht ganz den Status eines querulierenden Greises erreicht.

Weiteres Indiz, dass ich meinen inneren Boomer kaum noch gebändigt bekomme: Als ich bei Kaufland an der Kasse feststelle, ein Twix kostet inzwischen 1,05 Euro. Das sind 2,10 DM. Früher habe ich dafür 70 Pfennig bezahlt und da hieß das noch Raider.

Eine zunehmende Vermüllung der Straßen ist aber tatsächlich nicht zu verleugnen. Durch zerquetschte Dosen, benutzte Taschentücher, Kippen, Pizzakartons und vieles mehr. Liegt alles auf dem Boden, weil die Menschen zu faul sind, die Mülleimer zu benutzen, die alle paar Meter aufgestellt sind.

Dazu kommen kaputte Möbel, ausrangierte Waschmaschinen und alte Matratzen, die an Kreuzungen wild entsorgt wurden. Da stehen die Chancen auf den Titel „Berlins schönste Straße“ schlecht und da kannst du auch schon mal mit dem imaginären Krückstock fuchteln.

Ehrenwerterweise nimmt sich die Waldstraßen-Initiative des Problems an. Im Zuge der Aktion „Sauberer Kiez Moabit“ treffen sich regelmäßig mittelalte bis ältere Menschen und sammeln Müll auf.

Nun denken Sie vielleicht, jemand, der sich über die Verschmutzung und Verwahrlosung des Viertels aufregt, begrüßt so eine Maßnahme uneingeschränkt oder legt sogar mit Hand an. Da täuschen sie sich aber in mir. Ganz gewaltig sogar.

Als ich letztens and den mit Westen, Handschuhen, Eimern und Greifern bewaffneten Waldstraßen-Aktivisten vorbeiging, bedankte ich mich nicht bei ihnen für ihr Engagement, sondern dachte: „Die strahlen ganz schön starke Rollenspieler- und Zirkus-AG-Vibes aus.“

Ich bin also nicht nur spießig, sondern auch überheblich und arrogant. Toll, Christian, ganz toll.

13. März 2025, Berlin

Heute ist Öffne-drinnen-einen-Regenschirm-Tag. Warum? Ich möchte nicht einmal draußen einen Regenschirm öffnen, da fange ich drinnen gar nicht damit an.

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Werbung einer Finanz-Beratung auf Instagram: Was sind die größten Fehler, die Anleger mit einer Million Euro begehen? Keine Ahnung. Vielleicht keine Million Euro zu haben?


Teil 2


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