Besiedelung vor 8500 Jahren: Die rätselhafte Reise ins Ungewisse: Was wollten die Jäger und Sammler auf Malta?

Forschende fanden 8500 Jahre alte Siedlungsspuren auf Malta – und damit auch Hinweise auf die bislang längste bekannte Seeüberquerung von Jägern und Sammlern im Mittelmeer

Apr 10, 2025 - 10:03
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Besiedelung vor 8500 Jahren: Die rätselhafte Reise ins Ungewisse: Was wollten die Jäger und Sammler auf Malta?

Forschende fanden 8500 Jahre alte Siedlungsspuren auf Malta – und damit auch Hinweise auf die bislang längste bekannte Seeüberquerung von Jägern und Sammlern im Mittelmeer

Weit vor der Schifffahrt der alten Griechen und Römer sind schon Jäger und Sammler nach Malta gelangt. Das schließt ein internationales Forschungsteam aus der Analyse von rund 8.500 Jahre alten Funden aus einer Höhle der Insel. "Unsere Entdeckungen dokumentieren die längste bisher bekannte Seeüberquerung von Jägern und Sammlern im Mittelmeer", schreibt das Team um Eleanor Scerri vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena im Fachjournal "Nature". 

Der kürzeste Abstand zwischen Sizilien und der südlich davon gelegenen Insel Malta beträgt nach Angaben des Teams zwar nur 85 Kilometer. Es nimmt jedoch an, dass die Menschen rund 100 Kilometer fahren mussten. "Die Seeleute waren auf die Oberflächenströmungen und Winde angewiesen, zur Navigation dienten Landmarken, die Sterne und andere Praktiken", sagte Mitautor Nicholas Vella von der Universität Malta. Eine Wegstrecke von 100 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von vier Kilometern pro Stunde sei daher plausibel. "Doch selbst an den längsten Tagen mussten die frühen Seefahrer mehrere Stunden bei völliger Dunkelheit auf hoher See verbringen."

Variantenreicher Speiseplan

Solche Seeleute im Mittelmeer könnten etwa einen Einbaum oder ein Floß aus Schilfrohr oder Tierhäuten genutzt haben, schreibt Dylan Gaffney von der University of Oxford in einem "Nature"-Kommentar. Er schließt nicht aus, dass die Menschen von Nordafrika kamen, auch wenn das unwahrscheinlich sei. "Zum Zeitpunkt der Seefahrt betrug die Meeresdistanz zwischen Tunesien und Malta 250 bis 300 Kilometer." Dabei könnten Inseln dazwischen als "Trittsteine" gedient haben.

Die Jäger und Sammler aßen vor allem Rotwild, waren aber auch in der Lage, Meeresfrüchte und Vögel zu nutzen, "was ihnen half, auf einer kleinen Insel zu überleben", heißt es in der Studie. In der Höhlen-Ausgrabungsstätte Latnija, im Norden der Insel Malta, entdeckte das Team Steinwerkzeuge, Feuerstellen und erhitzte Essensreste. Es fand Hunderte Hinweise auf die Nutzung wilder Tiere. Die Jäger und Sammler verspeisten demnach Rothirsche (Cervus elaphus), Vögel, Meeresschnecken und Muscheln, aber auch Reptilien wie Meeres- und Landschildkröten sowie Fische, Krebstiere, Seeigel und Robben. 

Die Motivation für so lange Seeüberquerungen bleibe unklar, schreibt das Team in der Studie. Ein Ressourcenmangel sei ebenso möglich wie soziale Ursachen. Es sei denkbar, dass es "demografische Schockwellen in der Jäger-Sammler-Gesellschaft" gegeben habe, die im Mittelmeerraum mit dem Übergang zur Jungsteinzeit, in der die Landwirtschaft begann, verbunden seien.

Erstmals eine Fahrt auf dem Meer bei Nacht

Bislang habe die längste bekannte Entfernung in der Seefahrt von Jägern und Sammlern im Mittelmeer etwa 50 Kilometer betragen, sagte Scerri der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die nun nachgewiesene Fahrt sei nicht nur doppelt so lang gewesen, sondern habe auch Nachtstunden benötigt. Es handele sich um das älteste bislang bekannte Beispiel für so weite Entfernungen, sagte sie mit Blick auf Reisen im Mittelmeer.

Bislang wurde dem Team zufolge angenommen, dass Malta mit rund 300 Quadratkilometern angesichts seines halbtrockenen Klimas zu klein und abgelegen war, um vor der Einführung von Landwirtschaft und fortschrittlicherer Seefahrtechnologie dauerhaft von Menschen besiedelt zu werden. "Der allgemeine Konsens war, dass Jäger und Sammler nur zu Mittelmeerinseln reisten, die groß und/oder leicht zu erreichen waren, etwa über Ketten von verbundenen Inseln, durch die Nähe zum Festland oder durch günstige Strömungen."

 

"Die Ergebnisse zeigen, dass die Besiedlung der Fundstelle vor etwa 8.500 Jahren begann", schreibt das Team. Die Dauer der Jäger- und Sammlerkultur auf Malta sei schwieriger zu bestimmen, "aber sie scheint mit der Ankunft oder der Etablierung der ersten Bauern zu enden". Erste Spuren aus der Jungsteinzeit mit Landwirtschaft seien für die Zeit vor 7.400 bis 7.100 Jahren auf Malta nachgewiesen worden.

"Mit diesen Erkenntnissen kann die Vorgeschichte Maltas um Tausend Jahre erweitert werden", so Scerri. "Gleichzeitig motivieren sie uns zu einer Neuüberlegung über das seefahrerische Können der letzten europäischen Jäger und Sammler und ihren Einfluss auf frühe Ökosysteme."

Die Menschen vor 8.500 Jahren haben wahrscheinlich von Malta gewusst, bevor sie losgefahren sind - trotz der Entfernung zu Sizilien und der Erdkrümmung. "An einem klaren Tag kann man Malta von den Hügeln von Ragusa im Südosten Siziliens aus sehen", sagte Scerri der dpa.