Bernd Ziesemer: Das chinesische Debakel mit Deepseek
Erst landete China mit Deepseek, einer Anwendung für Künstliche Intelligenz, einen großen Treffer. Doch vier Gründe sprechen gegen einen globalen Siegeszug

Erst landete China mit Deepseek, einer Anwendung für Künstliche Intelligenz, einen großen Treffer. Doch vier Gründe sprechen gegen einen globalen Siegeszug
Der Triumph hielt gerade einmal eine gute Woche: Erst löste China mit dem neuen KI-Modell Deepseek einen Schock an den Börsen der ganzen Welt aus. Die Aktien des Chipherstellers Nvidia fielen Ende Januar an einem Tag um 17 Prozent und löschten einen Wert von 600 Mrd. Dollar aus. Das spektakuläre Versprechen von Deepseek, mit billigeren Chips und mit einem vergleichsweise kleinen Budget eine genauso gute KI-Anwendung wie die führenden amerikanischen Tech-Konzerne anzubieten, mischte kurzfristig die ganze Szene auf. Doch seit der vergangenen Woche dreht sich die Stimmung bereits wieder.
Mindestens vier Gründe sprechen gegen einen globalen Siegeszug von Deepseek: Erstens mehren sich die Fragezeichen hinter den vollmundigen Behauptungen der Chinesen. In Wahrheit wanderte wohl sehr viel mehr Geld in das Projekt als bei seiner Vorstellung angegeben. Und es wurde vom chinesischen Staat massiv unterstützt – und nicht nur von einem privaten Unternehmen ins Rollen gebracht. Wichtiger noch: Es ging offenbar auch nicht ohne hochwertige Halbleiter von NVIDIA. Deshalb ist die Aktie des US-Unternehmens auch wieder auf dem Weg zu ihrem alten Kursniveau.
Zweitens sortiert das neue Sprachmodell der Chinesen alle Fragen aus, die nicht in das Weltbild Xi Jinpings passen. Wer sich etwa Erkenntnisse zum Massaker auf dem Tiananmen-Platz in Beijing 1989 erhofft, erhält keine sinnvolle Antwort – egal wie man es auch versucht. Das Gleiche gilt für Tabuthemen wie Korruption im innersten Kreis der Macht, das chinesische Militär oder die Bevölkerungsmeinung auf der Insel Taiwan. Da aber niemand weiß, was sonst noch unter die chinesische Zensur fällt, zum Beispiel auch in anderen Ländern wie Russland, kann sich niemand auf die KI-Ergebnisse verlassen. Experten schließen nicht aus, dass China selbst bei nicht-politischen Fragen manipuliert.
Immer mehr Länder verbieten Deepseek für ihre Beamten
Drittens landen die Daten jeder Abfrage in der Volksrepublik China. Was damit danach geschieht, kann niemand wissen oder gar kontrollieren. Deshalb verbieten immer mehr Staaten wie Australien, die USA, Südkorea, die Niederlande oder auch Italien allen Staatsbediensteten und Mitarbeitern in sicherheitsrelevanten Unternehmen die Benutzung der App. Der australische Innenminister Tony Burke sprach bereits zu Recht von einem „völlig inakzeptablen Risiko“ bei der Benutzung von Deepseek.
Viertens liefert die Führung in Beijing mit Deepseek nur eine Momentaufnahme ab und nicht mehr. Die Entwicklung von KI-Anwendungen steht noch ganz am Anfang und ein einzelner Erfolg bringt nicht viel. Man muss sich das Rennen um die besten KI-Lösungen wie einen Rüstungswettlauf vorstellen, bei dem jeder von jedem lernt und am Ende zählt, wer sich mit längerem Atem – finanziell wie technologisch – durchsetzt.
Am Ende bleibt nach dem großen Theaterdonner von Ende Januar nur eine Erkenntnis: Ja, die Volksrepublik China kann auch im Alleingang technische Erfolge erringen, wenn sie ihre Kräfte konzentriert und genügend Geld in ein Projekt steckt. Aber ihr politisches System verhindert, dass sie den Wettlauf mit dem Westen gewinnt.