Altersvorsorge: Seasn – Was kann die digitale Finanzbildungs-App aus Frankfurt?

Viele Menschen tun sich schwer beim Thema Geld und Finanzen. Ein Forscherteam der Universität Frankfurt will das ändern und hat eine Finanz-App auf den Markt gebracht, die in jeder Finanzlage die beste Lösung simulieren soll

Apr 26, 2025 - 19:57
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Altersvorsorge: Seasn – Was kann die digitale Finanzbildungs-App aus Frankfurt?

Viele Menschen tun sich schwer beim Thema Geld und Finanzen. Ein Forscherteam der Universität Frankfurt will das ändern und hat eine Finanz-App auf den Markt gebracht, die in jeder Finanzlage die beste Lösung simulieren soll

Alles Finanzen, oder was? Eine neue App will die Finanzbildung in Deutschland verbessern: Sie heißt Seasn, Forschende vom Center for Financial Studiesder Goethe-Universität Frankfurt haben sie entwickelt. Die App soll Menschen helfen, individuell und je nach Lebenslage ihre Finanzen zu planen und sich mit der privaten Altersvorsorge und dem Vermögensaufbau auseinanderzusetzen.

Dass das in Deutschland dringend nötig ist, zeigt eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie hat das Finanzwissen sowie das Finanzbildungsangebot verschiedener Länder analysiert. Demnach war Deutschland ausgerechnet unter den drei Staaten, die von den 38 OECD-Ländern keine Finanzbildungsstrategie verfolgten. Theoretisch hat die Seasn-App damit eine große Zielgruppe in Deutschland.

Entsprechend ambitioniert ist das Werbeversprechen der Entwickler: „Vollgepackt mit nie dagewesenen Features, um Finanzbildung und Geldplanung in Deutschland auf ein neues Level zu heben“. Doch löst die Finanzplaner-App dieses Versprechen ein?

Altersvorsorge: Reicht meine Rente später?

Seasn lässt sich kostenlos über den App-Store downloaden. Um eine Übersicht und Hilfestellung zu Haushaltsplanung und Altersvorsorge zu bekommen, müssen User zunächst einen digitalen Finanzzwilling von sich erstellen: Aus verschiedenen Profilen kann man jenes auswählen, das der eigenen Lebenssituation am nächsten kommt und zum Beispiel Informationen zu Alter, Beruf, Kindern, Versicherungen und vorhandenen Immobilien enthält. Nutzer können aber auch eigene Daten eintragen und etwa angeben, wie viel Geld sie auf dem Konto, im Depot oder in Altersvorsorgeprodukten haben.

Die App soll dann dabei helfen, primär drei Fragen zu beantworten:

  1. Reicht meine Netto-Rente? 
  2. Was passiert mit meinem Vermögen bis zur Rente? 
  3. Was kann ich tun, damit ich später genug Geld habe?

Durch die Simulation zahlreicher Szenarien lasse sich durchspielen, wie sich Vermögen, Gehalt oder Rente entwickeln könnten – etwa im Falle einer zweiten Corona-Krise oder eines früheren Renteneintritts, sagt Andreas Hackethal, Professor für Finanzen und Leiter des Seasn-Projekts. Basierend auf Expertenschätzungen und langfristigen Durchschnittswerten werden Annahmen zu Gehaltserhöhungen, Inflation und Ersparnissen berücksichtigt. „Wir wollen die Menschen dazu anleiten, bessere Entscheidungen mithilfe unserer App zu treffen“, so Hackethal.

Wichtig war den Entwicklern, dass die App anonym nutzbar ist. Die E-Mail werde separat von den Nutzerdaten gespeichert. Zusätzlich wird aus der privaten Mail-Adresse und einem anonymen Nutzernamen eine neue E-Mail generiert, mit der sich die Nutzer bei der App anmelden. In der App selbst wird also ausschließlich der anonyme Nutzername gespeichert. Laut Hackethal werden nur wenige persönliche Daten erfasst – gespeichert werden allerdings sehr wohl Geburtsjahr, Postleitzahl der Immobilie und die ersten vier Ziffern der IBAN, sofern man sein Depot mit der App verknüpft.

Finanz-App Seasn im Selbstversuch

Wie aber schlägt sich die App im Praxistest? Capital hat sie ausprobiert: Auf den ersten Blick wirkt das Design jung. Doch gerade, wenn es um die junge Zielgruppe geht, offenbart die App ein großes Manko. Sie bietet kein Finanzzwillings-Profil für eine jugendliche Person, die am ehesten in die Kategorie „Schüler/in“ oder „Student/in“ passt. „Die App richtet sich zuvorderst an Personen zwischen 25 und 60 Jahren“, sagt Hackethal auf Nachfrage. Man wolle aber weitere Profile anlegen, die dann auch jüngere Zielgruppen repräsentieren.

Sinnvoll nutzbar ist die App bisher also erst, wenn man über ein gewisses Vermögen verfügt. Dann lässt sich durchaus detailliert durchspielen, wie sich das eigene Vermögen entwickeln könnte. Den Rückschluss, was man tun muss, um sein Geld zu vermehren, muss allerdings jede Nutzerin selbst ziehen. Finanz- oder Anlagetipps gibt die App keine.

Viele Haushaltsbuch-Apps arbeiten mit Provisionen

Um Geld tatsächlich an der Börse anzulegen, brauchen Seasn-Nutzer andere Finanz-Apps wie zum Beispiel Trade Republic und Smartbroker. Haushaltsbuch-Apps wie Finanzguru und Outbank liefern zum Teil ähnliche Analysen wie Seasn, kosten aber ab einer bestimmten Version Geld und arbeiten mit Vermittlerprovision – sie sind daher nicht komplett unabhängig. Seasn hingegen sei laut Hackethal dauerhaft kostenfrei, unabhängig und verfolge keine Produktinteressen. Der Staat fördert die App mit gut 2 Mio. Euro.

Wie aber steht es nun um das Versprechen von Seasn, „nie dagewesene Features“ zu bieten? Hackethal sagt: Apps wie Finanzguru seien zwar gut, fokussieren sich aber auf das kurzfristige Finanzmanagement durch Analyse von Konten und Depots. „Es werden keine langfristigen Prognosen angestellt und daher auch keine Renten oder Immobilien berücksichtigt.“ Mit den Features von Seasn gelinge außerdem zum ersten Mal die Erstellung eines vollumfänglichen digitalen Zwillings. „Mit dem Datenmodell ebnen wir auch den Weg für einen sicheren persönlichen KI-Assistenten in der App, an dem wir bereits arbeiten.“ 

Seasn soll ab Mai breiter ausgerollt werden, unter anderem an Schulen. Schüler sollen simulieren können, wie sich Inflation, Zinsen und die Mietentwicklung auf Vermögen auswirken kann. In Unternehmen wie BASF, Fraport und ING sollen die App besonders Frauen nutzen, um sich mit der Altersvorsorge auseinanderzusetzen.

Die Daten, die Nutzer hinterlegen, werden zu Forschungszwecken genutzt, um „die Finanzentscheidungen der Menschen tiefer zu verstehen“. Das soll laut Hackethal dabei helfen, dass die „Finanzbranche mithilfe von Daten, Planungsmodellen und KI mehr Kundenwert schaffen kann“. Zum Beispiel, indem Banken Informationsprospekte zu Fonds verständlicher formulieren. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Während etablierte Apps wie Finanzguru mehr als drei Millionen registrierte Nutzer haben, ist es bei Seasn gerade einmal eine niedrige fünfstellige Anzahl.