3 Monate verheiratet : "Ich habe erst danach realisiert, dass es nicht der richtige Mann für mich ist"
Shirin S., 30, hat das erlebt, was viele Frauen mit großem Hochzeitsträumen womöglich als Worst-Case-Szenario beschreiben würde: Ihre Ehe hielt nur drei Monate. BRIGITTE hat sie ihre Geschichte erzählt.

Shirin S., 30, hat das erlebt, was viele Frauen mit großem Hochzeitsträumen womöglich als Worst-Case-Szenario beschreiben würde: Ihre Ehe hielt nur drei Monate. BRIGITTE hat sie ihre Geschichte erzählt.
BRIGITTE: Wie würdest du deine Ex-Partnerschaft beschreiben?
Shirin S.: Mein Expartner und ich haben uns vor zehn Jahren kennengelernt, als ich 18 war. Wir waren bis zu meinem 28. Lebensjahr zusammen und haben uns durch viele Lebensphasen begleitet: vom Zusammenziehen, Uniabschlüssen, dem Verlust von Angehörigen, zu ersten Jobs. Dabei haben wir uns aber immer als Individuen mit eigenen Zielen betrachtet und uns dabei unterstützt, uns selbst treu zu bleiben.
10 Jahre sind eine lange Zeit. Wie war dein Standpunkt zum Thema Heiraten?
Direkt nach der Schule hatte ich die klassische Traumhochzeit im Kopf. Mit dem Einstieg ins Berufsleben und dem Beginn meiner Karriere hat sich das verschoben. Wir haben dann zwar oft über die Ehe gesprochen und ob wir uns das vorstellen können, die Verlobung kam trotzdem überraschend für mich. Im siebten Beziehungsjahr, er ist klassisch aufs Knie gegangen. Genau, wie ich es mir früher vorgestellt habe. Ich glaube, wir sind in dem Moment auch noch mal aufgeblüht, wir wollten unser Leben ja gemeinsam verbringen und das war der nächste logische Schritt.
Bis dahin hast du nicht gezweifelt? Du warst nach wie vor verliebt?
Ich würde schon sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt noch bei der Sache war. Verliebtsein ist nach so langer Zeit ein schwieriges Wort. Man ist ja vieles füreinander, beste Freunde, Partner und Liebhaber. Nach einer so langen Zeit muss man sich bewusst darum bemühen, nicht nur Mitbewohner zu sein, sondern ein romantisches Paar zu bleiben. Das haben wir damals nicht so gewürdigt, wie ich es heute tun würde, vielleicht sogar versäumt.
Wann kam Unsicherheit bei dir auf?
Es gab nicht das EINE Erlebnis. Das würde die Sache leichter machen. Kennst du das Sprichwort "death by a thousand cuts"? Das war es bei uns. Du musst nicht wegen eines kleinen Schnitts ins Krankenhaus. Hier mal ein schnippischer Kommentar, dort ein fieser Seitenhieb. Wir wussten schon, wie wir uns verletzen können.
Rückblickend würde ich auch sagen, dass wir beinahe von Anfang an Probleme hatten, denen wir nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt haben. Chronische Konflikte, die wir nie an der Wurzel gepackt haben. Vieles davon war auch familiär geprägt. Gerade wenn man so jung zusammenkommt, werden alte Muster aus der Kindheit in die Beziehung getragen. Irgendwann hatte sich so eine Dynamik eingestellt, aus der wir nicht mehr rausgekommen sind.
Kannst du ein Beispiel nennen für einen solchen Konflikt?
Wenn man anfängt über Kleinigkeiten wie den Müll rausbringen zu diskutieren und Schuldzuweisungen macht, ist das oft ein Symptom. Es geht nicht um den Müll, sondern um tieferliegende Themen. Wir wurden berechnend zueinander, wollten gewinnen. Aber was gab es da zu gewinnen? Gar nichts. Das ist eine Erkenntnis, die ich im Nachhinein gemacht habe.
Was war so ein tieferliegendes Thema?
Ich hatte ungefähr anderthalb Jahre vor der Hochzeit die Pille abgesetzt. Das war für mich, glaube ich zumindest, ein Katalysator. Ich habe mich plötzlich selbst besser kennengelernt, war mutiger, habe Gefühle offener angesprochen. Zu dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich von meinem Partner nicht genug unterstützt gefühlt habe. Dieses unterschwellige Gefühl, jemandem zu viel abzuverlangen, ist nichts, was ich mir in einer Partnerschaft auf Augenhöhe wünsche.
Verstehe. Aber du wolltest trotzdem noch vor den Altar treten. Warum?
Ja, die Entscheidung habe ich erst danach angezweifelt. Am Tag der standesamtlichen Hochzeit war ich sehr gestresst und eingebunden, habe das gar nicht so als UNSEREN Tag wahrgenommen. Das war eher eine Formalität für mich. Mein Traum war eine große Feier in Malaysia, in meiner Heimat, da wo ich mich zu Hause fühle, mit meiner Familie und meinen Freund:innen. Aber ich tat mich plötzlich mit der Planung schwer (obwohl ich das liebe). Als ich da dann saß und die Einladungskarten gestaltete, hatte ich dieses Gefühl, tiefsitzend und unterschwellig, warum ich zögerte: das war mein Traum, aber das war nicht der richtige Mann für meinen Traum.
Beim Einladungskarten-Schreiben kam die Erleuchtung?
Der unterschwellige Gedanke, ja. Vielmehr hat dann erst der Prozess begonnen. Ich bin eine sehr loyale Person, habe aber gemerkt, dass ich plötzlich mehr über andere Männer nachgedacht habe. Es war keine bestimmte Person im Spiel, ich habe lediglich Bestätigung von außen mehr genossen, war viel unterwegs, habe nur noch ganz wenig Zeit mit meinem Partner verbracht. Im Nachhinein glaube ich, dass ich vieles unbewusst gemacht habe – vielleicht war es ein Hilfeschrei. Irgendwann ist es eskaliert. Es gab einen großen Streit, der zur Trennung führte.
Ich dachte, wir könnten es retten, mit Zeit, vielleicht mit Paartherapie. Erst als meine Mutter mich am Telefon fragte, wie es für mich wäre, wenn es vorbei wäre, habe ich die Möglichkeit einer Trennung zum ersten Mal in meinen Kopf gelassen. Das Entscheidende war, dass ich dachte, wenn ich diesen Gedanken zulasse, wird es sich ganz schrecklich anfühlen. Aber eigentlich war ich erleichtert.
Wie waren die Reaktionen eures Umfeldes?
Wir waren nur drei Monate verheiratet, was im Freundeskreis zuerst ein Schock war, dann folgte zum Glück schnell Verständnis. Im erweiterten Umfeld bin ich eher auf Sensationsgier gestoßen, da gab es dann auch fiese Kommentare. Das zwiebelt schon. Aber lange hat es mich nicht berührt, weil die Personen mich, beziehungsweise uns und die Umstände ja gar nicht so gut kannten.
Wie hast du dich nach dem Schlussstrich gefühlt?
Nach der Trennung war der Support erst groß, dann wurde es schnell einsam. Na klar, die Leute haben ihr eigenes Leben und können nicht ständig nach dir schauen. Ein riesengroßer Sleepover mit XXL-Eispackungen ist etwas, was nicht unbedingt im realen Leben stattfindet. Damit wurde ich schnell konfrontiert. Ich war gezwungen, meine Zeit mit mir selbst mehr zu lieben und zu schätzen. Das tue ich mittlerweile auch.
Und dann musstest du ja noch die Hochzeit absagen. Das stelle ich mir fies vor.
Das war ganz schlimm. Das war auch eine meiner größten Sorgen. Da kam dann auch viel Gerede nach dem Motto: "Hä, ihr habt doch gerade erst?" Das war nicht einfach, vor allem, weil es ja auch eine Destination Wedding war und die Leute teils schon ihre Flüge gebucht hatten.
Hast du deine Entscheidung bereut?
Nein. Die Absage der Hochzeit war schlimm, aber im Nachhinein war es richtig. Ich bin trotzdem nach Malaysia geflogen und habe dort mit Freundinnen das Leben gefeiert. Das war eine Reise zu mir selbst. Auch empfinde ich wenig Scham. Klar, dieses Gefühl des Scheiterns – weil man so viel Zeit in die Partnerschaft gesteckt hat – ist zuerst präsent, aber ich bereue nichts.
Ich bin mit anderen Erkenntnissen ins Dating gegangen, weiß jetzt besser, was für mich No-Gos sind. Ich bin viel transparenter und stehe zu meinen Macken und Erwartungen. Nach der Trennung war ein klarer Cut nötig, um loszulassen. Heute habe ich keinen Kontakt mehr zu meinem Expartner und bin damit im Reinen.
Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?
Ehrlich zu sich und zum Partner zu sein und nicht zu glauben, man könne jemanden ändern. Mein Credo: Kein 'Potenzial' zu daten, sondern jemandem, mit dem man sich so wie erst jetzt ist, vorstellen könnte, das Leben zu verbringen.