Wer muss beweisen, dass Daten unrichtig sind?

Das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO dient Betroffenen oft zur Berichtigung von Akteninhalten der Verwaltung. So einfach ist die Frage der Unrichtigkeit aber oft nicht, weder in tatsächlicher noch prozessualer Sicht, wie ein älteres Urteil des VG Bremen und ein neueres des VGH München zeigen. Der Beitrag bespricht die Urteile und legt anhand […]

Mär 10, 2025 - 16:24
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Wer muss beweisen, dass Daten unrichtig sind?

Das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO dient Betroffenen oft zur Berichtigung von Akteninhalten der Verwaltung. So einfach ist die Frage der Unrichtigkeit aber oft nicht, weder in tatsächlicher noch prozessualer Sicht, wie ein älteres Urteil des VG Bremen und ein neueres des VGH München zeigen. Der Beitrag bespricht die Urteile und legt anhand derer beispielhaft dar, wieso es nicht immer so einfach sein mag, (gegebenenfalls) falsche Daten berichtigen zu lassen.

Richtig oder unrichtig – wer muss das beweisen?

Die DSGVO ist mit der Absicht angetreten, Betroffenen eine einfache Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen. Zwar beurteilen die Gerichte das Bestehen des jeweiligen Rechts nach nationalem Beweisrecht, das aber darf die Wirksamkeit der DSGVO nicht unterlaufen. Die deutschen Gerichte folgen hierbei dem Grundsatz, dass jede Partei die für sie günstigen Tatsachen beweisen muss. Auf Basis dieser Wertung hätten es Betroffene schwer nachzuweisen, dass deren Daten unrechtmäßig verarbeitet werden. Wegen der fehlenden Einsicht in die Prozesse beim Verantwortlichen müssten sie oft erst Auskunft fordern, um Indizien für eine illegale Verarbeitung zu erlangen. Liegen solche Indizien dann vor, müsste der Verantwortliche als Teil seiner Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) seine DSGVO-Compliance beweisen.

Weil dieser Mechanismus aber initial viel Einsatz vom Betroffenen verlangt, wird oftmals nachgedacht, ob die Beweislast nicht (teils) anders sein sollte, dass der Verantwortliche Compliance im Streit beweisen muss. Das Problem wird besonders bei Bewertungen virulent, die eine rechtliche und tatsächliche Ausage enthalten, wie sie sich in Akten der Verwaltung oft finden. Im Kontext solcher Wertungen spielen die beiden Urteile des VG Bremen und das des VGH München. 

VG Bremen – Schätzungen, wann sind diese unrichtig?

Diese Frage musste sich das VG Bremen in einem asylrechtlichen Fall stellen.

Was wurde von der Behörde geschätzt?

Der Kläger war guineischer Staatsangehöriger. Er reiste irgendwann vor dem 14.12.2018 nach Deutschland ohne gültigen Pass oder Visum ein. Bei der Aufnahme gab er an er sei minderjährig, woraufhin dieses mangels amtlicher Dokumente zur Verifikation des Alters nach § 42f SGB VIII festgestellt werden sollte. Laut der Vorschrift hat das Jugendamt:

„Das Jugendamt hat (…) im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der ausländischen Person (…) deren Minderjährigkeit durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen.“

Der Kläger gab an 2003 geboren worden zu sein, was das Jugendamt aber als unglaubwürdig bewertete. Das Amt setzte hieraufhin 1993 als Geburtsjahr des Klägers fest und auf Basis dieser Aktenlage das Verwaltungsverfahren fort.

Wegen eines am 18.08.2021 durch ein guineisches Gericht erlassenen Urteils wurde 2003 als Geburtsjahr des Klägers im guineischen Personenstandregister vermerkt und dem Kläger gleichlautende Urkunden ausgehändigt. Hieraufhin beantragte der Kläger die Änderung des weiter aktenmäßig erfassten Datums von 1993 auf 2003, was die Beklagte ablehnte. Auch wenn das Geburtsdatum 1993 nur auf einer Schätzung beruhe und daher keinen absoluten Wahrheitsanspruch erhebe, habe der Kläger nicht bewiesen, dass 1993 das falsche Geburtsjahr sei. Weder genüge der Beweiswert der gueinischen Urkunden für diese Feststellung noch binde das Urteil des gueinischen Gerichts die Beklagte.

Hieraufhin beantragte der Kläger gerichtlich die Berichtigung nach Art.16 DSGVO. Dieser lautet:

„Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen.“

War die Schätzung gem. Art. 16 DSGVO als unrichtig zu korrigieren?

Das VG Bremen (Az: 4 K 446/23) verneinte der Tatsachenwürdigung der Beklagte folgend einen Berichtigungsanspruch.

Zwar sei das von der Beklagten zugrunde gelegte Geburtsdatum 1993 wahrscheinlich unrichtig, da es nur auf einer Schätzung beruhe und es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Kläger tatsächlich 1993 geboren sei. Das Gericht war jedoch nicht davon überzeugt, dass 2003 das richtige Datum sei. Die Beweisfrage, ob ein Datum „richtig“ oder „falsch“ ist, sei eine primär tatsächliche Frage. Wenn – wie hier – die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass ihre Akten in tatsächlicher Hinsicht richtig sind (Art. 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 DSGVO), könne von ihr nicht verlangt werden, unbewiesene Tatsachen in ihren Akten für die Zukunft als wahr zu unterstellen. Mit dem Datum 1993 behaupte die Beklagte auch nicht, dass der Kläger dann geboren sei. Sie lege nur eine Regel fest, von der sie im weiteren Asylverfahren ausgehe.

VGH München – können Wertungen unrichtig sein?

Im zweiten Fall versuchte der Kläger aufgrund eines vor Jahren erledigten Sorgerechtsstreits aktenmäßig getroffenen Einschätzungen und Feststellungen des Jugendamts gerichtlich prüfen zu lassen. Dem erteilte der VGH München (Az.5 C 24.1831) eine Absage. Soweit Akteninhalte sich auch auf den Kläger beziehen, müsse er darlegen, was berichtigt werden soll. Soweit es sich bei den Akteninhalten (auch) um wertende Urteile und nicht primär um Tatsachen handelt, wäre ferner zu klären, ob die Urteile vom Beurteilungsspielraum der Verwaltung gedeckt wären oder nicht.

Richtig oder unrichtig – manchmal keins von beiden!

Wie gezeigt ist die Richtigkeit eines Datums in Verwaltungsakten nicht immer leicht zu beurteilen. Oft beinhalten sie Aussagen, die im strengen tatsächlichen Sinne weder richtig noch falsch sind oder aber bei denen die Berichtigung scheitert, weil der Kläger die Richtigkeit der von ihm behaupteten Tatsache nicht beweisen kann. Betroffene sollten sich daher sicher sein, dass sie im Streitfall die Richtigkeit ihrer Behauptungen auch hieb- und stichfest beweisen können. Ansonsten droht, obgleich die Tatsache richtig sein mag, der Verlust des Verfahrens vor dem jeweilig angerufenen Gericht.


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