US-Politik: Mit klarer Haltung gegen Anti-Diversity-Kurs
Die US-Regierung hat Vielfalt und Antidiskriminierungspoltik den Kampf angesagt. Europa sollte sich nicht beeindrucken lassen

Die US-Regierung hat Vielfalt und Antidiskriminierungspoltik den Kampf angesagt. Europa sollte sich nicht beeindrucken lassen
Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland trauten kürzlich ihren Augen nicht, als sie einen Brief mit dem Logo der US-Botschaft öffneten. Sinngemäß hieß es darin: Wer mit den USA Geschäfte machen wolle, müsse künftig klarstellen, dass keine Programme zur Förderung von „Diversität, Gleichstellung und Inklusion“ („Diversity, Equity & Inclusion“ – kurz DEI) unterstützt werden. Einfacher gesagt: Für Deals mit den USA müsst ihr auf Frauenförderung, auf Inklusion von Menschen mit Behinderungen verzichten und Maßnahmen beenden, die vor Diskriminierung schützen sollen.
Die US-Regierung unter Trump hat mit dem im Januar in Kraft getretenen Dekret 14173 einen Kulturkampf gegen die Vielfalt begonnen. Sie untersagt DEI-Programme, streicht staatliche Förderungen, verbannt in autoritärer Manier Begriffe wie „Frauen“, „Minderheit“, „Vielfalt“ oder „Schwarz“ aus offiziellen Texten und entfernt selbst komplette Bücher aus Bibliotheken. In dem Dekret ist von „illegalen DEI-Richtlinien“ die Rede, die angeblich die Sicherheit gefährdeten. Das ist ideologiegetriebene Verdrehung und verkennt den realen Bedarf an Diskriminierungsschutz und Teilhabe.
Trump fährt einen Anti-Vielfalts-Kurs
Es ist ein Angriff auf grundlegende Bürgerrechte, auf Frauen, Menschen mit Behinderungen, LGBTQ, Schwarze Menschen, People of Color und andere Minderheiten. Dabei wird eine Drohkulisse gegenüber Unternehmen aufgebaut, die sich dem Anti-Vielfalts-Kurs widersetzen. Unter wachsendem politischem Druck und rechtlicher Unsicherheit fahren große Konzerne wie Google, Facebook oder McDonald’s ihre Diversitätsmaßnahmen teils stark zurück. Das Beispiel der Deutschen Telekom zeigt, dass Trumps Kulturkampf auch für international tätige deutsche Konzerne zur Herausforderung geworden ist – mit Folgen: Telekoms US-amerikanische Tochterfirma „T-Mobile“ hat sich teilweise aus Diversitätsprogrammen zurückgezogen.
© Laurin Schmid
Während DEI in den USA zunehmend diskreditiert wird, gelten in Deutschland andere Rahmenbedingungen. Der Schutz vor Diskriminierung ist gesetzlich verankert – durch europäisches Recht, das Grundgesetz, Gleichstellungsgesetze sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das AGG schützt alle Menschen davor, am Arbeitsplatz und bei Alltagsgeschäften benachteiligt zu werden – sei es aufgrund des Alters, Geschlechts, einer chronischen Krankheit oder Behinderung, der Religion, sexuellen Identität oder aus rassistischen und antisemitischen Gründen.
Eine klare Haltung für Vielfalt, Inklusion und gegen Diskriminierung einzunehmen, ist nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Wer Vielfalt abbaut, verliert Talente. Dabei ist Deutschland auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Der Personalmangel kostete die deutsche Wirtschaft 2023 rund 50 Milliarden Euro. Laut McKinsey könnten über 100 Milliarden Euro zusätzliche Wertschöpfung möglich sein, wenn Unternehmen stärker auf kulturelle Vielfalt setzen. Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit zeigt zudem: Zwei Drittel hochqualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten berichten von rassistischer Diskriminierung – viele wandern deshalb ab. Wer Fachkräfte aus In- und Ausland gewinnen und halten will, muss das ernst nehmen und ein wirksames Antidiskriminierungsrecht schaffen.
Gefragt ist die künftige Bundesregierung
Deutsche Unternehmen können den Diskurs stärken – wie es die „Charta der Vielfalt“ seit 2006 vormacht. Bisher haben über 6.000 Unternehmen mit knapp 15 Millionen Beschäftigten die Charta unterzeichnet – Tendenz steigend. Sie setzen sich aus Überzeugung für ein wertschätzendes, vorurteilsfreies Arbeitsumfeld ein. Wer Potenziale in Menschen erkennt und fördert, schafft Teilhabe und Zugehörigkeit. Gerade jetzt braucht es diese Stimmen aus der Wirtschaft, die weiterhin klar ihre Haltung zeigen. Denn wer in Krisenzeiten Verlässlichkeit, Orientierung und Substanz bietet, schafft Vertrauen. Und das ist die härteste Währung.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) bekräftigt, wie wichtig Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung oder Lebensalter etwa für die Weiterentwicklung von Unternehmen sind. Der Industrieverband BDI positioniert sich gegen die US-Forderungen und betont: Unternehmen, die Vielfalt und gleiche Aufstiegschancen fördern, seien meist innovativer und produktiver und gewännen mehr qualifizierte Mitarbeitende. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) unterstreicht den Wert eines diskriminierungsfreien Umfelds für eine wertschätzende Willkommenskultur. Sie fordert eine klare Haltung und eine angemessene Antidiskriminierungsgesetzgebung.
Gefragt ist also auch die künftige Bundesregierung. Sie sollte, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, das AGG reformieren. Zudem sollte sie dem politischen Druck der US-Regierung gemeinsam mit der EU entschieden entgegentreten: Europa steht für den Schutz vor Diskriminierung. Und das ist nicht verhandelbar. EU und Bundesregierung sollten den Spieß umdrehen: Wer hier Geschäfte machen will, muss sich zu Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion bekennen.