Studie: Lahmende Meeresströmung könnte die Wirtschaft Billionen Dollar kosten
Wenn sich der Golfstrom abschwächt, sinken die Temperaturen in Europa – könnte das die Erwärmung durch den Klimawandel ausgleichen? Eine neue Studie zeigt: Unter Umständen würde der Effekt astronomische Zusatzkosten verursachen

Wenn sich der Golfstrom abschwächt, sinken die Temperaturen in Europa – könnte das die Erwärmung durch den Klimawandel ausgleichen? Eine neue Studie zeigt: Unter Umständen würde der Effekt astronomische Zusatzkosten verursachen
"AMOC" klingt nicht gut. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Akronym ein Phänomen, das die Wissenschaft schon seit Jahren beunruhigt: die Abschwächung der Nordatlantischen Umwälzströmung (Atlantic Meridional Overturning Circulation). Die Meeresströmung, zu der auch der Golfstrom gehört, leitet wie ein Transportband warme Wassermassen aus den Tropen – etwa 20 Millionen Kubikmeter pro Sekunde – quer durch den Atlantik in den Norden. Wo sich das Wasser abkühlt, absinkt und in der Tiefe zurückfließt.
Fiele diese "Heizung" aus, könnte die Durchschnittstemperatur in Nordwesteuropa pro Jahrzehnt um ein Grad Celsius sinken. Um sich nach hundert Jahren zwischen 5 und 15 Grad unter dem heutigen Temperaturniveau einzupendeln.
Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Die Zirkulation schwächt sich seit Jahrzehnten ab. Grund dafür sind zunehmende Niederschläge und das Schmelzwasser des grönländischen Eisschildes: Das leichtere Süßwasser vermischt sich mit dem ankommenden Salzwasser, hindert es am Absinken in die Tiefe – und blockiert so die AMOC.
Abkühlung kann die Folgen der Klimaerwärmung nicht ausgleichen
Welche Auswirkungen das für Europa hat, ist teils unklar, teils umstritten. In der Wirtschaftsforschung wurde bislang angenommen, dass die abkühlende Wirkung den weltweiten Temperaturanstieg auf der Nordhalbkugel ausgleichen könnte. Katastrophale Folgen für die Wirtschaft, so die Theorie, blieben daher aus.
Doch diese Hoffnung könnte trügerisch sein. Das zeigt eine Studie der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass frühere Studien zur AMOC-Abschwächung die Folgen wahrscheinlich unterschätzt haben", sagt Co-Autor Felix Schaumann laut einer Presseerklärung. Die Schäden durch häufigere und extremere Wetterereignisse wie Hitze, Dürre und Überschwemmungen könnten die positiven wirtschaftlichen Effekte der Abkühlung aufwiegen, schreiben die Autoren im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences".
Für ihre Studie verwendeten die Autoren nicht nur ein globales Klimarechenmodell, sondern auch eines, das Aussagen über die wirtschaftlichen Folgekosten der Erderwärmung erlaubt. Die Kalkulationen zeigen: Bei einer weiteren Abschwächung der AMOC-Zirkulation entstehen bis zum Jahr 2100 "zusätzliche wirtschaftlichen Schäden in Höhe von mehreren Billionen US-Dollar", wie es in der Studie heißt.
Der Grund: Je langsamer die Zirkulation, desto weniger Kohlenstoffdioxid kann der Ozean aufnehmen. Das Klimagas CO2 reichert sich also in der Atmosphäre an – und befeuert so Erderwärmung und Wetterextreme.