Sinkende Ölpreise: Benzin ist viel teurer als nötig
Die Benzinpreise gehen nicht so schnell herunter, wie man nach den sinkenden Ölpreisen erwarten sollte. Schuld sind nicht die Tankstellen – Zweifel am Wettbewerb gibt es trotzdem

Die Benzinpreise gehen nicht so schnell herunter, wie man nach den sinkenden Ölpreisen erwarten sollte. Schuld sind nicht die Tankstellen – Zweifel am Wettbewerb gibt es trotzdem
Rohöl ist in den vergangenen Wochen deutlich billiger geworden. Vor allem der Zollstreit mit den USA hat dafür gesorgt. Doch während der Preisanstieg Mitte Januar schnell an der Tankstelle zu spüren gewesen war, kam das Absinken danach und vor allem der Einbruch nach Trumps Zoll-Exzessen Anfang April nicht richtig an der Zapfsäule an.
Eigentlich sollte der Preis fürs Benzin der Entwicklung des Rohölpreises folgen. Dass das aktuell ausbleibt, liegt nicht an den Tankstellen, sondern an den Raffinerien: Wie das Kartellamt ermittelte, hat sich der Großhandelspreis für Superbenzin vom Rohölpreis entkoppelt (siehe Grafik unten): Lagen Mitte Januar noch 21 Cent pro Liter zwischen beiden Preisen, waren es im Februar 25 und Mitte April sogar 28 Cent. Hätten sich die Preise wie üblich im Gleichschritt geändert, wäre der Benzinpreis Mitte April also rund sieben Cent günstiger gewesen. Berücksichtigt man die Mehrwertsteuer, sogar mehr als acht Cent.
Abstand zwischen Raffineriepreisen und Rohölpreis
© © Bundeskartellamt / Daten zu Rohöl und Raffineriepreisen © Argus Media (Raffineriepreise ohne Energiesteuern)
Nicht nur der Rohölpreis bestimmt den Benzinpreis
Nun ist der Rohölpreis nicht der einzige Faktor. Auch Schwankungen in der Nachfrage, etwa durch stärkere Bautätigkeit im Frühjahr, die Lieferkosten oder Änderungen im Angebot, beeinflussen den Preis. So hat Shell Mitte März seine Benzinproduktion in der Raffinerie Wesseling eingestellt. Laut dem Marktdatenanbieter Argus, der Preisdaten für den Ölmarkt liefert, führt Shells Schritt zu mehr Importen aus dem Ausland, was die Preise erhöht habe. Auch mache der aktuell niedrige Wasserstand des Rheins den Transport teurer.
Das kann sicher einen Teil der Preisentwicklung erklären. Das Kartellamt hat nach einer großen Untersuchung jedoch Zweifel, dass der Wettbewerb unter den Raffinerien wirklich gut funktioniert. Dazu muss man wissen, dass die Raffinerien zum Teil von denselben Firmen betrieben werden, zu denen auch die Tankstellen gehören. In Deutschland gibt es noch elf Raffinerien, die Rohöl weiterverarbeiten: Shell, BP, Total Energies, Eni, Esso halten große Anteile daran, betreiben teils komplett eigene Werke, einige aber auch mit mehreren Partnern.
Zweifel am Wettbewerb unter den Ölkonzernen
Die Interessen sind zu ähnlich, die Unternehmen über gemeinsame Beteiligungen an Raffinerien verflochten, ergab die Studie des Kartellamts. Auch ist der Markt sehr transparent und die Produkte sind weitgehend identisch. Das begünstigte, dass die Ölkonzerne gleichförmig ihre Preise setzen, anstatt sich in einen richtigen Wettbewerb zu begeben. Es gebe Anhaltspunkte, dass der Großhandel mit Kraftstoffen erheblich gestört sein könnte, erklärte das Kartellamt bei der Vorstellung der Untersuchung im Februar. Deshalb will das Amt den Markt nun genauer untersuchen und erwägt dabei auch Schritte, um den Wettbewerb zu beleben.
Schwierig ist auch die Doppelrolle der Ölkonzerne als Betreiber von Raffinerien mit eigenen Tankstellen. Dadurch gebe es „keine wirksame Nachfragemacht, die die Verhaltensspielräume der Anbieter auf Raffinerie- und Großhandelsstufe wirksam einschränken würde“, wie es das Kartellamt formuliert.
Dazu kommt der „Rocket-Feather-Effekt“, wie Ökonomen ein verbreitetes Phänomen in vielen Branchen nennen: Unternehmen reichen Preiserhöhungen gerne sofort an ihre Kunden weiter, lassen sich beim Durchreichen sinkender Preise aber Zeit. Die Preise steigen also wie Raketen – und fallen wie Federn.
Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.