Römisches Reich: Das Rätsel der Gladiatorinnen: Was die Forschung über Frauen in der Arena weiß
Im alten Rom traten auch Frauen in tödlichen Duellen gegeneinander an – zum voyeuristischen Vergnügen von Männern? Das sagt die Wissenschaft

Im alten Rom traten auch Frauen in tödlichen Duellen gegeneinander an – zum voyeuristischen Vergnügen von Männern? Das sagt die Wissenschaft
In der einen Hand das todbringende Schwert, in der anderen der rechteckige Schutzschild – und die Augen fest auf den Gegner gerichtet. Ein Kampf um Leben und Tod. Gladiatorenduelle waren Alltag im Römischen Reich, doch dieses in Halikarnassos an der Südwestküste Kleinasiens ist außergewöhnlich: In der Arena stehen sich nicht etwa Männer gegenüber – sondern Frauen. Ihre Namen: Amazon und Achillia.
Verewigt wurde das Duell in einem einzigartigen Marmorrelief aus dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. Hunderte von Monumenten mit Gladiatorendarstellungen aus der römischen Antike haben Archäologinnen und Archäologen bislang freigelegt, allein dieses jedoch zeigt Gladiatorinnen. Es ist ein Zeugnis, das Fragen aufwirft: Handelte es sich um Kämpferinnen, die die Geschlechternormen Roms sprengten? Wurden sie genauso verehrt und bejubelt wie Gladiatoren? Oder sollten sie schlicht das voyeuristische Vergnügen von männlichen Zuschauern befriedigen, die Frauen um Leben und Tod kämpfen sehen wollten?
Verstoß gegen die Geschlechterordnung
Fest steht: Weibliche Gladiatorenkämpfe waren selten – aber es gab sie. Neben dem Relief aus Halikarnassos bezeugen eine Reihe von antiken Texten und Inschriften ihre Existenz. So erwähnen die Schreiber Tacitus und Cassius Dio Duelle zwischen Frauen, die unter den Kaisern Nero, Titus und Domitian stattfanden. Auch Sueton berichtet von Gladiatorinnen. Möglicherweise, so lassen sich Textpassagen bei Cassius Dio deuten, ließen Ausrichter der blutigen Spiele Frauen sogar gegen, wie der Römer schreibt, "Zwerge" antreten. Auch von Tierhetzerinnen, die bei der feierlichen Eröffnung des Kolosseums in Rom 80 n. Chr. gegen Löwen kämpften, berichten Chronisten.
Offenbar waren Frauen in der Arena reichlich umstritten: Der Dichter Juvenal macht sich über das Waffentraining einer Frau lustig und spottet: "Schau, mit welchem Gestöhne sie die ihr gezeigten Schwertstöße ausführt und mit welch großem Gewicht der Helm sie niederdrückt." Für ihn sind kämpfende Frauen ein empörender Verstoß gegen die Geschlechterordnung: "Welches Schamgefühl kann eine helmbewehrte Frau aufweisen, die vor ihrem Geschlecht flieht, die Muskelkraft liebt?" Schließlich galten siegreiche Gladiatoren als Symbole männlicher Tapferkeit und Manneskraft, überhaupt war das Kämpfen in Rom Sache des Mannes. Auch Schreiber wie Cassius Dio und Sueton werteten Gladiatorinnen als Zeichen von Unmoral – und schlechten Kaisern.
"Außerhalb von Rom scheinen Gladiatorinnenkämpfe jedoch weniger kritisch aufgenommen worden zu sein", sagt Professor Christian Mann, Althistoriker an der Universität Mannheim und Autor des Buches "Gladiatoren". In einer Inschrift aus der antiken Hafenstadt Ostia etwa rühmt sich ein lokaler Amtsträger, erstmals in der Geschichte der Stadt weibliche Gladiatoren präsentiert zu haben. "Offenbar wollte dieser Ausrichter mit dem weiblichen Duell seine Zeitgenossen und Nachfahren beeindrucken", erklärt Mann.
Auch das Relief von Halikarnassos zeugt mehr von Bewunderung als von Spott. Schließlich hat sich der Ausrichter des Gladiatorinnenkampfes bewusst dafür entschieden, das Duell zwischen Amazon und Achilla in Stein hauen zu lassen, um es der Nachwelt zu erhalten. Tatsächlich handelte es sich um einen außergewöhnlichen Wettkampf: "Entlassen" steht in griechischen Lettern auf dem Relief. Offenbar endete das Aufeinandertreffen zwischen Amazon und Achilla unentschieden – das seltenste Resultat eines Duells, meist gab es einen klaren Sieger.
Kämpfe wurden nur dann abgebrochen, wenn Publikum und Ausrichter von Tapferkeit und Kampffertigkeiten der Gladiatoren derart überzeugt waren, dass sie die Kombattanten ein weiteres Mal in der Arena sehen wollten. Amazon und Achilla müssen die Zuschauerinnen und Zuschauer begeistert haben. Wohl als Zeichen der Begnadigung haben sie auf dem Relief ihre Helme abgelegt, sodass ihre Häupter zu sehen sind.
Weibliche Gladiatoren kämpften nach den gleichen Regeln wie männliche
Noch mehr verrät das marmorne Monument: "Mutmaßlich ähnelten sich Duelle zwischen männlichen und weiblichen Gladiatoren sehr", sagt Christian Mann. Genau wie männliche Gladiatoren haben sich die Gladiatorinnen Kampfnamen gegeben: Achilla ist die weibliche Form von Achilleus, einer der großen Heldenfiguren des Trojanischen Krieges. Und Amazonen sind in der griechischen Mythologie jene kampfeswütigen Frauen, die in einer Gemeinschaft ganz ohne Männer zusammenleben.
Auch die Bewaffnung von Amazon und Achilla – Kurzschwert, rechteckiger Schild, Beinschienen, Helm – entspricht der Waffengattung des männlichen provocators ("Herausforderer"). "Wenn Frauen nach den gleichen Regeln wie Männer kämpften, lässt sich davon ausgehen, dass diese auf ähnliche Weise rekrutiert und trainiert wurden", sagt Mann. Das heißt, es handelte sich um Kriegsgefangene und Sklavinnen, um Verbrecherinnen, die zum Kampf in der Arena verurteilt wurden, oder aber um Freiwillige.
"Die Kämpfe zwischen Gladiatorinnen zeigen uns, dass im alten Rom die üblichen Geschlechterrollen immer wieder durchbrochen wurden", sagt Mann. Und zwar nicht nur bei blutigen Duellen in der Arena, sondern auch im Sport.
Auch die sportlichen Wettkämpfe waren männlich besetzt – aber nicht ausschließlich. Christian Mann: "Obwohl sich der Mann im Sport so richtig als Mann inszenierte, sind für die Zeit der griechischen und römischen Antike mittlerweile auch zwölf Athletinnen in Inschriften namentlich belegt." Das ist zwar keine hohe Zahl, die aber dennoch zeige, dass Sportwettkämpfe nicht ausschließlich den Männern vorbehalten gewesen seien, so der Historiker.
Die wichtigste Disziplin für Frauen: der Stadionlauf, in Olympia etwa eine Strecke von 192 Metern. "Heute werden immer wieder neue Grabsteine und Inschriften entdeckt und untersucht", sagt Christian Mann, "sodass sich unser Bild von den Geschlechterrollen in der Antike künftig sicherlich erweitern wird."