Meno-Pause: Plötzlich mittelalt. Wie konnte das passieren?
Vor kurzem wurde man noch geduzt und beim Kauf von einer Flasche Wein nach dem Ausweis gefragt und mit einem mal steht der 40. oder 50. Geburtstag an. Aus der jungen Frau ist beinahe über Nacht eine mittelalte geworden. Wie sich das anfühlt, ergründen unsere Kolumnistinnen Julia und Andrea.

Vor kurzem wurde man noch geduzt und beim Kauf von einer Flasche Wein nach dem Ausweis gefragt und mit einem mal steht der 40. oder 50. Geburtstag an. Aus der jungen Frau ist beinahe über Nacht eine mittelalte geworden. Wie sich das anfühlt, ergründen unsere Kolumnistinnen Julia und Andrea.
Es hat mich getroffen wie ein Paukenschlag. Ich stand vorm Spiegel in meinem Badezimmer und stellte fest: Ich habe mittlerweile so viele graue Haare, dass es sich nicht mehr lohnt, sie einzeln rauszuziehen. Es würde ewig dauern – und mich sehr viele Haare kosten. Gleichzeitig erwarte ich von mir eigentlich eine gewisse Akzeptanz der Tatsache, dass ich nun mal älter werde. Graue Haare als feministischer Akt quasi. Doch dann kam mir noch ein zweiter Gedanke. Der machte es nicht besser: Julia, herzlichen Glückwunsch, du bist jetzt eine mittelalte Frau. Und mittelalt klingt leider nur gut, wenn man von Gouda spricht.
Julia: Andrea, mich beschäftigt das schon sehr, weil ich den Begriff richtig schlimm finde.
Andrea: Mittelalt? Ich finde nur den Teil mit "alt" komisch. Eigentlich bedeutet mittelalt doch, dass wir erst die Hälfte rum haben! Das Glas ist also noch halbvoll. Aber ich weiß, was du meinst. Mittelgut klingt ja auch eher nach schlecht. Und die Jugend halten wir automatisch für die beste Zeit – auch wenn sie das gar nicht immer ist.
Julia: Ja, ich hatte immer das Gefühl, unverwundbar zu sein. Dass sich alles schon irgendwie fügen wird, mein Körper so einiges wegstecken kann und Krankheiten noch überhaupt kein Thema waren.
Andrea: Ich kann auch nicht gerade sagen, dass ich besonders auf meine Gesundheit geachtet hätte als junge Frau. Jetzt denke ich auf jeden Fall, dass Prävention eine richtig gute Idee ist. Aber wann das anfing, kann ich gar nicht sagen.
Julia: Das ist einfach von heute auf morgen passiert. Vor kurzem war ich noch Anfang 30 und schwupp steht die 40 an, als ob ich die letzten 10 Jahre in Lichtgeschwindigkeit durchlaufen hätte.
Andrea: Überleg mal, was in deinen Dreißigern alles passiert ist: Du hast zwei Kinder bekommen und ziehst sie groß. Logisch, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist. Aber sie war auch gefüllt mit ganz viel Leben.
Julia: Schade aber, dass man kaum Zeit hat, innezuhalten und mal einen Gang runterzuschalten. Das versuche ich jetzt viel bewusster.
Andrea: Ich bin auch durch meine 30er und 40er durchgerauscht und habe das gar nicht als kostbare Zeit wahrgenommen. Jetzt empfinde ich das umso mehr.
Julia: Ich möchte auch nicht darüber jammern, eine mittelalte Frau zu sein, weil die Alternative "jung gestorben" bedeuten würde. Wenn ich mir das bewusst mache, bin ich sehr dankbar, bis hierher gekommen zu sein. Aber ich kann nicht abstreiten, dass es mich pikst.
Andrea: Ich glaube, das ist ein guter Gedanke: Wenn man sich gerne an die Vergangenheit erinnert, aber trotzdem die Gegenwart feiert und wertschätzt, was man heute hat oder darstellt. Ich bin nicht mehr die junge Andrea, aber es ist viel Gutes dazugekommen.
Julia: An Lebenserfahrung? Oder was meinst du?
Andrea: Ja. Als junges Mädchen und als junge Frau bin ich irgendwie mitgeschwommen, habe mich mit dem Strom mitreißen lassen. Jetzt bin ich eindeutig mehr selbst am Steuer und entscheide bewusster, was ich tue und wohin es gehen soll. Das ist ein Gewinn. Oft denke ich auch, was ich alles schon erreicht und erlebt habe, ist ganz schön viel. Damit tröste ich mich ganz bewusst, wenn ich mal wieder denke, uff, du bist schon ganz schön alt. Relativ alt, jedenfalls.
Julia: Ich finde auch, dass wir ganz schön stolz auf uns sein können. Wenn ich darüber nachdenke, wie ich früher war und was für eine Frau aus mir geworden ist. Und ich bin ehrlicherweise auch ein bisschen neugierig, was da noch kommt.
Andrea: Das kannst du auch sein. Allerdings werden Frauen in den Wechseljahren ja häufig als Mangelwesen bezeichnet: kein Zyklus mehr, unfruchtbar und ihnen fehlt ganz viel Östrogen.
Julia: Fühlst du dich denn mangelhaft?
Andrea: Überhaupt nicht. Klar, das mit dem Östrogen und dem Schwangerwerden ist vorbei. Aber das macht mich nicht mangelhaft. Es ist eine natürliche biologische Entwicklung. Praktisch komme ich jetzt erst in den Zustand, der für Männer immer Normalität ist. Wo ist da der Mangel?
Julia: Sehe ich auch nicht. Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, ob ich gern nochmal 20 wäre. Würdest du die Zeit nochmal zurückdrehen?
Andrea: Eigentlich nicht. Denn dann würde ich diese Zeit und dieses Alter höher schätzen als die jetzige. Und dadurch werte ich mich ja selbst ab. Ich möchte nicht der Vergangenheit nachweinen, sondern sie als Schatz in mir bewahren.
Julia: Mir geht es ähnlich.Wenn man es so betrachtet, klingt mittelalt dann doch nicht so nach Käse.