Kosmologie: Lässt sich die Perfektion des Universums nur durch einen Schöpfer erklären?

Eine kleine Änderung der Naturkonstanten und schon sei Leben im Universum nicht mehr möglich. Was an dem Mythos dran ist

Mär 4, 2025 - 13:22
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Kosmologie: Lässt sich die Perfektion des Universums nur durch einen Schöpfer erklären?

Eine kleine Änderung der Naturkonstanten und schon sei Leben im Universum nicht mehr möglich. Was an dem Mythos dran ist

Handelt es sich bei der 137 um eine magische Zahl? Ist dies der Wert, der die Welt im Innersten zusammenhält? Der US-amerikanische Physiker Richard Feynman sagte von der 137, sie sei "eines der größten verdammten Geheimnisse der Physik". Wieso, fragte sich Feynman, hat die Feinstrukturkonstante Alpha ausgerechnet einen Wert von (ungefähr) 1⁄137?

Diese 137 (Physiker*innen sprechen oft nur vom Nenner dieses Bruchs) ist eine jener fundamentalen Größen, die unser Universum definieren: Alpha zählt zu den Naturkonstanten. Zu denen gehören auch die Lichtgeschwindigkeit, die Gravitationskonstante und die elektrische Elementarladung. Sie gelten als physikalische Größen, die überall im Universum und zu allen Zeiten gleich groß waren.

Konstanten beherrschen Atome und Sterne

Die Werte der Naturkonstanten sind eine der Voraussetzungen dafür, dass Atome zusammenhalten, dass die leichten chemischen Elemente zu schwereren fusionieren, dass sich Sterne, Planeten, Galaxien formen – und, zumindest auf einem Himmelskörper, intelligentes Leben entstehen konnte.

Alpha regiert eine Vielzahl physikalischer Phänomene: Sie bestimmt die Stärke, mit der sich elektrische Ladungen anziehen, spielt also zum Beispiel bei jeder chemischen Reaktion eine tragende Rolle. Die Naturkonstanten, so glauben viele Wissenschaftler und Philosophinnen, müssen genau jene Werte haben, die wir messen. Sie seien fein darauf abgestimmt, dass die Vielfalt und Komplexität unserer Welt entstehen konnten. Schon kleine Abweichungen würden das Universum ruinieren. Wäre die 137 eine 138: kein Leben, nirgendwo. Aber ist das wirklich so? Oder haben die Fundamentalzahlen des Universums doch mehr Spielraum, als viele glauben?

Fred Adams, 58, Astrophysiker von der University of Michigan in Ann Arbor, antwortet darauf mit einem eindeutigen Ja. "Die meisten relevanten Parameter können um Größenordnungen variieren", sagt er. Trotzdem sei es möglich, dass sich im Universum Atome, Sterne, Galaxien bildeten.

Zu weit gedreht und die Sonne erlischt

Adams hat im Laufe der vergangenen Jahre viel gerechnet. Er hat, wenn man so will, an den Knöpfen gespielt, mit denen sich die physikalischen Parameter einstellen lassen. Er hat zum Beispiel den Wert für Alpha hochgedreht; dadurch wird die elektromagnetische Kraft stärker, positiv geladene Protonen stoßen einander heftiger ab. Irgendwann so heftig, dass sie nicht mehr verschmelzen können. Dann würde der Kernfusionsofen, der Sterne leuchten lässt, erlöschen. Keine Sonne erleuchtete mehr das Dunkel des Kosmos. Aber ab welchem Wert wäre das der Fall?

Das Ergebnis von Adams´ Rechnungen: "Man kann Alpha beinahe um den Faktor 100 größer machen, und Sterne funktionieren noch." Dies gilt auch in der umgekehrten Richtung: Erst wenn Alpha mehr als hundertfach kleiner wäre, würde es problematisch werden. Was also den Wert der Feinstrukturkonstanten angeht, sind Sterne erstaunlich robust.

Unsere Welt ist keineswegs die bestmögliche für die Entstehung von Leben. Man kann sich leicht eine bessere vorstellen

Adams geht sogar noch weiter: Unsere Welt sei keineswegs die bestmögliche für die Entstehung von Leben. "Man kann sich leicht eine bessere vorstellen." Die entstünde, wenn die sogenannte Starke Kernkraft, die Neutronen und Protonen im Atomkern zusammenbindet, einen anderen Wert hätte. Wäre sie etwas stärker, könnte die Kernverschmelzung in unserer Sonne nach einem anderen Mechanismus ablaufen. Als Effekt würde sich leichter Kohlenstoff bilden. Das Schlüsselelement des Lebens, wie wir es kennen, wäre breiter verfügbar.

Warum aber hält sich die Vorstellung, dass unsere Welt perfekt designt ist, so hartnäckig? Weil erst in jüngster Zeit die Computertechnik so weit vorangekommen sei, dass sich die nötigen aufwendigen Simulationen durchspielen ließen, sagt Adams. Der Glaube an eine Feinabstimmung habe außerdem für manche einen religiösen Aspekt, glaubt der Astrophysiker. Die Anhänger des Intelligent Design beispielsweise behaupten, das Universum sei exklusiv für die Menschheit geschaffen worden: von einem Schöpfer. Nur so sei es zu erklären, dass unsere Welt derart vielfältig und komplex sei und zugleich derart wunderbar funktioniere.

Die Freiheiten beim "Entwurf" eines Universums lassen für Fred Adams auch Raum für die Vorstellung von vielfachen Welten. Demnach ist unseres lediglich eines von unendlich vielen Universen, in denen die physikalischen Parameter variieren. Und die Existenz des Menschen purer Zufall.

Vielleicht hätten diese Ideen auch den Physiker Wolfgang Pauli mit der Feinstrukturkonstanten versöhnt, in der er seine Schicksalszahl sah. Als er im Dezember 1958 wegen unerträglicher Magenschmerzen in ein Zürcher Spital eingeliefert wurde, registrierte er mit Schrecken, in welchem Zimmer er untergebracht war. "Es ist die 137", jammerte er einem Besucher vor. "Hier komme ich nicht mehr lebend heraus." In den folgenden Tagen diagnostizierten die Ärzte bei Pauli ein Bauchspeicheldrüsenkarzinom. Er starb kurz darauf – im Zimmer 137.