Früjahrsgutachten: Der Wohnungsmangel wird für alle zum Problem

Die Immobilienweisen mahnen in ihrem Frühjahrsgutachten, dass die Politik handeln muss: Sie muss den Wohnungsbau ankurbeln, damit Mieten und Kaufpreise nicht noch weiter steigen, vor allem in Großstädten

Feb 12, 2025 - 08:02
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Früjahrsgutachten: Der Wohnungsmangel wird für alle zum Problem

Die Immobilienweisen mahnen in ihrem Frühjahrsgutachten, dass die Politik handeln muss: Sie muss den Wohnungsbau ankurbeln, damit Mieten und Kaufpreise nicht noch weiter steigen, vor allem in Großstädten

Es geht längst nicht mehr um einige tausend Wohnungen, die nicht fertiggestellt worden sind. Es geht um viel mehr: „Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bleibt eine der drängendsten sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. In vielen deutschen Großstädten fehlen seit Jahren ausreichend Wohnungen, um die hohe Nachfrage zu decken. Hiervon sind alle Bevölkerungsschichten negativ betroffen.“ So dramatisch fasst es Ralph Henger, Immobilienökonom des Wirtschaftsforschungsinstituts IW im Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen zusammen: „Schlimmer noch: Durch die gestiegenen Baukosten und Zinsen befindet sich der Wohnungsbau in einer veritablen Krise, sodass die Bautätigkeit seit 2022 rückläufig ist und sich der Wohnungsmangel vielerorts weiter vergrößert hat.“

Wie stark der Rückgang am Bau zuletzt ausfiel, schlüsselt Ökonom Lars Feld im Gutachten auf: Statt der mehr als 380.000 neuen Wohnungen, die 2021 noch genehmigt worden waren, waren es im vergangenen Jahr nur noch etwa 190.000 Einheiten. Das ist ein Rückgang von mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2021. „Die Stimmung im Wohnungsbau ist auf einem historischen Tiefstand“, schreibt Feld im Gutachten. In der Statistik der Fertigstellungszahlen sieht man diesen Einbruch bisher noch nicht, die blieben 2024 noch bei knapp 300.000 Einheiten. Man muss aber auch wissen, dass es derzeit bereits 826.000 genehmigte, aber noch nicht gebaute Wohnungen gibt. 

Das alles heißt nichts Gutes. Der große Einsturz wird sich erst in den Folgejahren bemerkbar machen – wenn all die gar nicht erst genehmigten Wohnungen – oder die zwar genehmigten, aber nie in Angriff genommenen Einheiten – auch nicht mehr in die Fertigstellungsphase kommen. Die Ökonomen gehen davon aus, dass die jährlichen Neubauzahlen dann nur noch bei rund 150.000 Einheiten liegen könnten.

Die Mietbelastung der Städter wächst

Die Folgen des weggebröselten Neubaus spürten die Bewohner in Städten und den sieben größten Metropolen bereits deutlich: Weil weniger Großstädter den Sprung ins Eigenheim schaffen (auch wegen der hohen Finanzierungszinsen), wird der Druck auf dem Mietmarkt immer größer und die Mieten für Neuverträge und Bestandsverträge steigen stetig. Sie haben laut Frühjahrsgutachten innerhalb der letzten 10 Jahre um rund 15 Prozent zugelegt im Bundesschnitt. Das heißt: Für eine Wohnung, die 2015 im Monat noch 800 Euro Nettokalt kostete, sind jetzt 920 Euro Miete fällig. 

ww Wertgutachten

Im bundesweiten Schnitt stiegen die Kaltmieten von Bestandsverträgen demnach um 2 Prozent jährlich, im Süden der Republik eher um 2,3 bis 2,4 Prozent, im Osten dagegen nur um 1,8 Prozent im Jahr. Bei Neuvermietungen steigert sich das Niveau dagegen eher um 5,3 Prozent jährlich, in den A-Städten sogar um 6,9 Prozent. „Der Wohnraum wird dadurch insbesondere in guten Lagen für einkommensschwache Haushalte unerschwinglich. Gentrifizierungsprozesse werden sich dort beschleunigen, während sich einkommensschwächere Bevölkerungsschichten an den Stadtrand verdrängt sehen“, warnt Henger.

Die steigenden Mieten führen schon jetzt dazu, dass die Wohnkostenbelastung der Bewohner stark gestiegen ist. Im bundesdeutschen Schnitt beträgt sie 25 Prozent des Haushaltseinkommens, das klingt zwar noch tragbar, doch die Zahl derjenigen, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens nur fürs Wohnen ausgeben – und damit als überlastet gelten – beträgt inzwischen 13 Prozent. Viel mehr als im EU-Schnitt, der nur bei 8,8 Prozent Überlasteten liegt. Bei den unteren Einkommensgruppen sind besonders viele Haushalte inzwischen überfordert.

Selbst Mittelschichtshaushalte ächzen

In den Großstädten sind es jedoch auch zunehmend die Mittelschichthaushalte, sagt Ökonom Ralph Henger: Während im Jahr 2018 noch rund 30 Prozent des Einkommens für die Miete reichten, wendeten im vergangenen Jahr in A-Städten selbst Haushalte der Einkommensmitte im Schnitt schon 45 Prozent für die Miete auf, wenn sie neue Verträge abschließen mussten. Die Erschwinglichkeit von Mietwohnungen nimmt also weiter ab. Und ein Ende dieser Entwicklung sei derzeit nicht abzusehen, sagen die Immobilienweisen.

Denn die Nachfrage nach Wohnraum in den Großstädten bleibe hoch, wegen des Zuzugs, des Wirtschafts- und Jobdynamik in den Ballungsräumen und wegen der anhaltenden Urbanisierung. Allmählich spitze sich die Lage am Wohnungsmarkt daher zu: „Die Wohnraumknappheit in Ballungsräumen ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein gesamtwirtschaftliches Problem, da sie den Zuzug von Arbeitskräften in den besonders dynamischen Regionen erschwert“, folgert Henger.  

ww Leerstand-Immobilie

Der dringende Appell der Immobilienweisen: Es muss mehr gebaut werden. Und zwar bald. „Die Wohnungspolitik der letzten Jahre war geprägt von vielen kleinen Maßnahmen und Reformen, die in der Summe nicht zu den erforderlichen Rahmenbedingungen geführt haben, ausreichend Wohnungsbau und Investitionen in die Wohnungsbestände anzustoßen“, sagt das Frühjahrsgutachten, dabei sei mehr Wohnungsbau möglich, „wenn die Ursachen der geringen Investitionsneigung beseitigt werden.“ Die zentralen Probleme seien dabei das fehlende Bauland in Wachstumsregionen, sowie die bürokratischen Hürden und hohen Standards. All das führe zu langwierigen Planungsverfahren und steigenden Baukosten.

Was jetzt helfen würde: Wohnungen bauen

Als ausdrückliche Empfehlungen nennt das Gutachten: Kommunen müssten schleunigst Grundstücke bereitstellen und Planungsverfahren beschleunigen. Gesetze für schnelleres Bauen und weniger Normen und Vorschriften könnten ebenfalls helfen, ebenso wie vereinheitlichte Landesbaunormen und Abstriche bei den Vorgaben für Energieeffizienz – oder zumindest keine weiteren Verschärfungen mehr in diesem Bereich. Der Modulbau könnte zudem die Baukosten deutlich drücken. Die Bundesländer müssten die Erwerbsnebenkosten senken, also die Grunderwerbsteuer, damit wieder mehr Selbstnutzer Immobilien erwerben können. Auch das entlaste den Mietmarkt. Und es brauche bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, damit Bauträger wieder in den Neubau investieren.

Es sei dringend geboten, möglichst viele dieser Maßnahmen schnell anzugehen, sagen die Immobilienweisen, denn „ohne eine wirksame Gegensteuerung droht eine weitere Verschärfung der Wohnraumkrise, die sich in steigenden Mieten und Kaufpreisen widerspiegeln wird.“ Es ist sozusagen ihr Handlungsauftrag an die nächste Bundesregierung.

NL Die Woche