Bernd Ziesemer: Europa kann Russland ökonomisch besiegen
Brauchen wir Donald Trump und die Amerikaner, um Wladimir Putins Russland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen? Die Antwort auf diese Frage ist ein eindeutiges Nein

Brauchen wir Donald Trump und die Amerikaner, um Wladimir Putins Russland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen? Die Antwort auf diese Frage ist ein eindeutiges Nein
Deutschland macht zum ersten Mal Ernst gegen die russische Schattenflotte: Die Beschlagnahme des Tankers Eventin, der seit Mitte Januar manövrierunfähig vor der Insel Rügen ankert, könnte zum Testfall für den europäischen Umgang mit Wladimir Putin werden. Immerhin geht es nicht nur um das Schiff selbst, sondern um Rohöl im Wert von gut 40 Mio. Euro. Bislang schauten die Europäer tatenlos zu, wenn die maroden Tanker durch die Ostsee ihre Reise um die Welt antraten. Dabei wissen alle: Putins Schattenflotte dient einzig und allein dazu, westliche Sanktionen zu unterlaufen. Und weil die Seelenverkäufer jederzeit havarieren können, gefährden sie noch dazu alle Anrainerstaaten.
Die Erdölexporte sichern das Überleben des Putin-Regimes. 192 Mrd. Dollar füllten 2024 die Kriegskasse Russlands. Das Land wickelt dabei einen Großteil des Geschäfts über See ab – hauptsächlich mit der Schattenflotte. Und die Hälfte seiner gesamten Erdölexporte passieren auf dem Weg von den Terminals in Ust-Luga zuerst die Ost- und danach die Nordsee. Seit einigen Wochen diskutieren die westlichen Anrainer vertraulich darüber, wie man endlich härter gegen die Schattenflotte vorgehen kann. Auch diese Diskussion ist letztendlich ein Ergebnis des Trump-Schocks und der Erkenntnis, dass man nicht mehr auf die Amerikaner im Kampf mit Putin zählen kann.
Nach dem geltenden Völkerrecht gilt die Verhängung einer völligen Seeblockade als Kriegshandlung. Davor schrecken die Europäer zu Recht zurück. Wohl aber können die Anrainerstaaten Kontrollen von Tankern erzwingen, die ihre eigenen Küsten der Gefahr einer Ölpest aussetzen. Sobald die russischen Schiffe die Hoheitsgewässer eines anderen Staats durchqueren, kann man auch einem Verdacht nachgehen, dass sie westlichen Sanktionen verletzen.
Wie geht Trump mit Russland um?
Mit einer härteren Gangart beim Erdöl könnten die Europäer Putin massiv treffen – und sogar wirtschaftlich in die Knie zwingen. Und das auch ohne Hilfe der Amerikaner, die Russland möglicherweise mit einem „Energiedeal“ auf ihre Seite ziehen möchten. Schon unter Joe Biden waren es die USA, die konsequente Erdölsanktionen immer wieder von der Tagesordnung nahmen. Unter Donald Trump ist jetzt prinzipiell beides möglich – sowohl die Aufhebung der US-Sanktionen als auch ihre Verschärfung. Entscheidend dafür dürften die Gespräche über einen Waffenstillstand in der Ukraine sein.
Polen, Balten und Tschechen fordern seit langem, die Schlupflöcher der Sanktionen zu stopfen. Die Ungarn lehnen das strikt ab – und viele der Staaten im Süden der EU zeigen wenig Enthusiasmus bei diesem Thema. Sollte sich Trump allerdings auf die Seite Putins schlagen und sich weiter von der NATO abkoppeln, müsste die EU wohl oder übel über ihren Schatten springen und ein weitgehend autonomes europäisches Sanktionsregime gegen Russland aufbauen. So wie sie sich jetzt bereits auf eine eigene militärische Verteidigung ohne die USA vorbereiten.
Anders als viele Skeptiker gegenwärtig behaupten, kann die EU gemeinsam mit Großbritannien und anderen Verbündeten militärisch gegen Putin bestehen – und ökonomisch erst recht. Die Europäer müssen sich nur auf ihre eigene Kraft besinnen und sich zusammenraufen.